Die Klimademo-Version des Mansplaining

Generationenkonflikt Wie viele Erwachsene mit den „Fridays for Future“-Demonstranten umgehen, ist peinlich
Ausgabe 14/2019
Macht an die Kinder!
Macht an die Kinder!

Foto: Imago/IPON

Nun ist es ist an der Zeit, den Begriff „Adultsplaining“ in die mediale Debatte einzuführen, die „Fridays For Future“-Version des Mansplaining. Menschen, die sich seit Jahrzehnten rasieren, bestaunen schilderschwenkende Teenager wie Eisbären im Zoo, finden es schon süß, was die Kinder so treiben. Aber unterm Strich wissen sie es dann doch besser und erklären ihnen jetzt mal, wie der Hase läuft. Die Kids – das haben andere wichtige ausgewachsene Menschen doch tausendfach dargelegt, also muss es stimmen – sind schließlich unpolitisch.

Jens Spahn, zum Beispiel, hat einen Gastbeitrag in der Zeit geschrieben, in dem nur noch der Rat fehlte, bei kühlen Temperaturen lange Unterhosen anzuziehen. Erst zeigte er alles Verständnis für die Klimaschutzdemos, dann aber kam der Tipp: Kommt lieber in die Partei, zum Onkel! „Wer mithelfen will, etwas zu verändern, der ist dort am besten aufgehoben, wo konkret entschieden wird.“ Man hat nach allem, was man von den jungen Leuten in den Talkshows hört, in denen sie gerade – ausnahmsweise! – mal mitreden dürfen, aber den Eindruck, dass sie schon wissen, was sie tun. Wenn sie es für die Lösung hielten, sich 15 Jahre lang hochzunetzwerken, bevor sie in der CDU mal als junge Wilde gelten, würden sie ja womöglich nicht fordern, dass jetzt – also jetztjetzt! – etwas geschieht.

So geht das aber die ganze Zeit: Erwachsene streiten in den Medien der Erwachsenen, in denen jugendliche Sichtweisen unterrepräsentiert sind, mit anderen Erwachsenen darüber, warum die Kids auf dem Holzweg sind mit ihrer Schwänzerei oder auch nicht. Die einen feuern sie an und verleihen ihnen Orden. Greta Thunberg zum Beispiel erhielt kürzlich eine „Goldene Kamera“, nur damit sich Erwachsene ein bisschen in ihrem Glanz sonnen konnten, bevor am Ende der Veranstaltung dann eine Nachwuchsschauspielerin einen SUV geschenkt bekam. Die anderen sprechen über Jugendliche, als hätten die ihre Protestbewegung von den Erwachsenen nur geliehen. „Ich habe mit Gleichgesinnten gegen das Wettrüsten demonstriert, gegen Hunger und für eine Zukunft ohne Atomkraft – aber immer war klar, dass es sich gegen die herrschende Klasse richtete“, schrieb dieser Tage ein Kolumnist, der alterstechnisch knapp dreimal erwachsen ist. Heute dagegen, ach je: „Selbst die Bundeskanzlerin hat ihre Sympathie bekundet. Wie soll man einen Jugendprotest nennen, der mit dem Segen der Erwachsenen durchgeführt wird?“ Von Gegenbewegung könne man jedenfalls nicht sprechen.

Dass die Jugendlichen womöglich gar keine Gegenbewegung sein wollen, sondern einige Jahrzehnte weiter sind als wir alten Zausel, die wir seinerzeit aber auch nicht in einer als derart komplex vermittelten Welt aufgewachsen sind: Die Möglichkeit scheint nicht denkbar zu sein. Und wenn es eine „Dafürbewegung“ wäre, weil billiges Dagegensein dank der Zausel längst nur noch Pose ist? Wenn es nicht um das Stürzen der „herrschenden Klasse“ ginge, sondern nur darum, dass die endlich ihre eigenen Klimaabkommen umsetzt? Aber wo kämen wir denn hin, wenn wir Jugendliche wie handelnde und denkende Subjekte behandeln würden? Nö, lieber Adultsplaining.

Wir erleben, kurz gesagt, bei „Fridays For Future“ nicht nur die öffentliche politische Positionierung einer Generation. Sondern auch die Selbstüberschätzung erwachsener Weltdeutung, ein mediales Repräsentationsproblem: Viel weniger ernstnehmen kann man die Kids kaum. Man sagt doch „Kids“, oder?

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