Siri, bist du zu unterwürfig?

Digitalisierung Sprachassistenten wie Siri oder Alexa reproduzieren das Rollenklischee der tüchtigen Sekretärin
Ausgabe 22/2019
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden habe: Simone du Pouvoir?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden habe: Simone du Pouvoir?“

Foto: Getty Images/Keystone/Hulton Archive

Frage an Siri: „Siri, bist du eine Frau?“ – Antwort: „Ich habe kein Geschlecht.“ Und, tja, was soll man sagen? Natürlich hat Siri recht. Siri, das Sprachassistenz-Programm der Computerfirma Apple, das als alle Fragen beantwortende Servicekraft aus den Geräten zu uns spricht, wohnt in einem iPad oder iPhone. Je flacher die Dinger werden, desto unwahrscheinlicher wird es, dass überhaupt ein Mensch darin steckt.

Nun ist es aber so, dass Siri – Chromosomensatz hin oder her – klingt wie eine Frau und entsprechend wahrgenommen wird. Genau wie die Sprachassistentinnen (das generische Femininum drängt sich hier auf) der anderen großen Konzerne, etwa Alexa von Amazon, Cortana von Windows oder der Google Assistant. Man kann hier und da zwar mittlerweile eine männliche Stimme aktivieren (mit der die Dienste dann die gleichen Antworten geben, so unser Stichprobentest). Aber voreingestellt ist die weibliche. Weshalb Nutzer, die zeichnen sollen, wie ihre digitale Sprachassistenzfigur aussehen könnte, in aller Regel Frauen malen. Ihre Rolle ist die von Sekretärinnen der digitalen Gesellschaft, die wissen, wo die Büroklammern sind („Ich kann dir helfen, Geschäfte für Bürobedarf zu finden“). Und die man auch mal ein bisschen traditioneller angehen kann, ohne dass sie gleich „MeToo“ schreien.

Fragt man Siri, ob sie einen heiraten wolle, antwortet sie zum Beispiel freundlich: „Lass uns einfach Freunde sein, o. k.?“ Fehlt nur noch, dass sie den Mariacron bringt. Immerhin spuckt Siri freundlicherweise den Link zu einem neuen Bericht einer UNESCO-Kommission aus, in dem kritisiert wird, die Sprachassistentinnen würden aufgrund ihrer klischeeweiblichen Servicekrafthaftigkeit Geschlechtervorurteile verbreiten und zur Akzeptanz sexistischer Beleidigungen beitragen.

„I would blush if I could“ heißt der Bericht, zu Deutsch: „Ich würde erröten, wenn ich könnte“. Das soll bis vor Kurzem Siris Antwort auf eine sexuell konnotierte Beschimpfung gewesen sein. Die Autorinnen und Autoren des Berichts sorgen sich etwa, dass das passive, gefügige Verhalten der Assistentinnen als Rollenvorstellung ins Restleben abstrahlen könnte. Tatsächlich reagiert Siri auf offensichtlich gern getätigte Beleidigungen wie „blöde Zicke“ oder „Schlampe“ sagenhaft unbedarft („Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll“). Keine der Sprachassistentinnen mache darauf aufmerksam, dass derartige Beschimpfungen unangemessen seien, heißt es im Bericht, der Programmierern (hier drängt sich die maskuline Form auf, darauf weist der UNESCO-Text explizit hin) unter anderem empfiehlt, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen: Wer seinen Computer angräbt, sollte mit einem entsprechenden Hinweis bedacht werden. Zumal die im Kohlenstoffleben häufig beste Reaktion – der Abbruch des Gesprächs – ausfällt: Sie sind nun einmal verdammte Computer, die gefälligst zu kommunizieren haben.

Siri in feministischer Theorie zu schulen, wäre freilich auch nicht verkehrt. Ihr Fachgebiet ist das nicht. Mehr als zum Teil sehr kurze Lexikoneinträge sind nicht zu haben. „Siri, welche Feministinnen kennst du?“ – „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden habe.“ Immerhin: Fragt man die deutschsprachige Version nach Judith Butler, findet sie einen Wikipedia-Eintrag und versucht nicht, das Wort „Butler“ ins Deutsche zu übersetzen. Die Frage nach Simone de Beauvoir aber stellt sie bereits vor Probleme. Sie verschriftlicht den Namen als „Simon der Burbach“ oder „du Pouvoir“. Während sie „Jean-Paul Sartre“ beim ersten Versuch erkennt.

Letzte Frage: „Siri, bist du unterwürfig?“ – „Darauf kann ich nicht antworten. Gibt es sonst etwas, was ich für dich tun kann?“

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