Und niemand sagt „Heuschrecke“?

Journalismus Der Investor KKR will sich bei Springer einkaufen. Wo bleibt da die Lieblingsmetapher der Medien?
Ausgabe 32/2019

Begriffe haben ihre Zeit. Die Bezeichnung „Heuschrecke“ zum Beispiel ist einmal ziemlich en vogue gewesen. Fiel sie, wusste man, es geht um Private-Equity-Firmen wie KKR, die derzeit beim Medienhaus Axel Springer einzusteigen gedenkt. Aufgebracht hatte das Wort der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering im April 2005, als seine Partei in den Umfragen bei 30 Prozent stand und noch Volkspartei-like Debatten anstieß: „Manche Finanzinvestoren“, sagte er damals im Interview mit der Bild am Sonntag, „verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.“

Münteferings Bild prägte über Jahre den Blick auf Finanzinvestoren. Selbst nicht linke Redaktionen wie das Handelsblatt, die Welt am Sonntag und der Wirtschaftsteil der FAZ benutzten das Heuschrecken-Bild in den nuller Jahren immer wieder. Als der britische Investor David Montgomery die Berliner Zeitung und ihren Verlag übernahm, prägte der Heuschrecken-Frame gar weite Teile der Berichterstattung. Finanzinvestoren in der deutschen Medienwelt waren damals eine neue Erscheinung, man betrachtete sie mit enormer Skepsis. Und Montgomerys Renditeziele waren so grotesk hoch, dass diese auch in der Rückschau noch berechtigt ist. Der Berliner Zeitung bekam die damals angestoßene Entwicklung gar nicht.

Nun aber, da der Einstieg des New Yorker Finanzinvestors KKR bei Axel Springer so gut wie eingetütet ist, da eines der größten deutschen Medienhäuser betroffen ist, ist nirgends mehr von einer „Heuschrecke“ die Rede. Wie kommt’s?

Springers Welt am Sonntag nannte KKR noch 2008 sogar einmal die „Mutter aller Heuschrecken“. Henry Kravis, eines der beiden „K“ in KKR, soll als Vorlage für den Börsendrecksack Gordon Gekko im Film Wall Street gedient haben. Aber tatsächlich ist das Bild von der Heuschrecke nie ganz stimmig gewesen: Abgrasen, das ist nicht, was geschieht, wenn ein Investor in ein Unternehmen einsteigt. Der Witz ist ja, dass er am Ende wieder mit Gewinn aussteigen will. Hertha BSC, zum Beispiel, existiert noch und gewinnt manchmal sogar eins zu null. Bei ProSiebenSat.1 gibt es auch immer noch Unterhaltungsshows. Beide sind nach einem KKR-Einstieg nicht vom Garten Eden zur Wüste geworden.

Aber nur noch brav von Finanzinvestoren zu reden, ist auch keine Lösung. Das klingt zu sehr nach Sparkasse. Nach wie vor gilt: Ein solches Unternehmen will nach nur wenigen Jahren mit möglichst viel wieder gehen. Und gerade die verbliebenen journalistischen Teile von Springer sind keine Großgewinnbringer, stehen also naturgemäß auf dem Prüfstand. Die Welt-Gruppe etwa, die als defizitär gilt, wird sich sicher auf noch mehr Menschen mit Taschenrechnern einstellen müssen. Wenn es auch von der Springer-Spitze, die neue Wachstumsmöglichkeiten hervorhebt, heißt, man werde an Bild und Welt festhalten und ohne die Zustimmung von Friede Springer würden die neuen Gesellschafter nichts entscheiden: Hirngespinste haben die Mitarbeiter, die eine Zerschlagung oder Kündigungen befürchten, nicht.

Vielleicht passt aber ein anderes Bild heute besser als „Heuschrecke“: Finanzinvestoren sind wie ein Hybrid aus den grauen Herren aus Momo und Aufräum-Coach Marie Kondo. Sie konsumieren und misten aus. Und so werden sie dann Zahlen hochhalten und Friede Springer immer wieder fragen: „Willst du diese Puppe?“ Und zum klassischen Journalismusgeschäft: „Does it spark joy?“

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