Das unaufhaltsame Scheitern der Linken

Griechenland Linke Parteien in Europa streben nach Regierungsbeteiligung; sie verlieren damit zwangsläufig Identität und Programmatik und verweigern sich ihrer historischen Mission.

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Jede linke Partei, die innerhalb eines kapitalistischen Systems nach Regierungsverantwortung strebt, demontiert sich zwangsläufig selbst. Ein Lehrsatz, der seine aktuellste Bestätigung im Griechenland dieser Tage findet.

Vielleicht ist dies der einzige Aspekt in dieser griechischen Tragödie, über den zu schreiben sich lohnt, und bei dem man nicht Gefahr läuft, dass einem die irrational gefärbten Argumente beider Seiten um die Ohren gehauen werden. Die Debatte kann ja nur irrational geführt werden, weil zwei Dinge miteinander vermengt werden: die finanztechnischen Aspekte einer Staatsverschuldung und der Wunsch nach einem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Letzteres kann aus ersterem erwachsen, es aber nicht lösen. Die Folgen eines Autounfalls lassen sich ja auch nicht beheben, indem man über bessere Autos nachdenkt. Das könnte nur künftige Unfälle vermeiden helfen.

Europaweit streben linke Parteien nach Regierungsbeteiligung. Dort, wo es gelingt, bekommen sie postwendend die Quittung, und dort, wo sie sich weiterhin in Opposition befinden, opfern sie diesem Nahziel ihre Programmatik. Das Fernziel – eine andere Gesellschaftsordnung – verlieren sie aus den Augen. Ihre Kernaufgabe, Hoffnungsträger einer progressiven Bevölkerungsschicht zu sein, geht damit verloren.

Ist das Dilemma nicht offensichtlich? - Eine linke Partei tritt an, das bestehende kapitalistische System zu sanieren. Im Erfolgsfall (der glücklicherweise nicht eintreten wird) würde sie also ein System zementieren, das sie eigentlich umstürzen will. Wäre es nicht gerade jetzt, wo sich globale Probleme des Finanzkapitals abzeichnen, sinnvoll und aussichtsreicher denn je, für einen Systemwechsel einzutreten? Stattdessen sorgt man dafür, dass die Apologeten von Wachstum und Marktliberalismus sich ganz entspannt zurücklehnen und zusehen können, wie ihre Gegner für sie die Fehler machen. Statt also in die Regierung zu gehen und innerhalb des bestehenden Systems für ein paar kosmetische Gerechtigkeitsoperationen zu kämpfen, wäre es doch folgerichtig, die Programmatik in Ordnung zu bringen und auf dieser Grundlage eine Bewegung für wahren gesellschaftlichen Wandel zu initiieren. Das schließt Regierungsbeteiligung schon deshalb aus, weil man dem Volk Wahrheiten sagen müsste. Womit man sich unwählbar macht, weil die wichtigste Wahrheit lauten würde:

Wir wollen eine solidarische und nachhaltige Wirtschaft, die Natur und Ressourcen schützt und nicht Wohlstand schafft zu Lasten der Armen dieser Welt oder auf Kosten künftiger Generationen. Dazu werden wir alle internationalen Handelsabkommen verlassen, die dem im Wege stehen, und den Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe vorantreiben. Das wird Einschnitte im Konsum mit sich bringen, doch die materielle Ausstattung unserer Bürger kann aus Gründen der Nachhaltigkeit ohnehin nicht auf dem derzeitigen Niveau bleiben.

Sagt das dem Volk, und ihr werdet nicht gewählt. Aber es wäre die Chance, die 3 bis 5 % Verantwortungsbewussten, die es im Volk gibt, in einer Bewegung zu vereinigen, welche die Initialzündung liefern kann, wenn die Zeit reif dafür ist.

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Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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