Sorglos leben - wird's nicht geben

Grundeinkommen Eine große humanistische Idee: jeder Mensch erhält, unabhängig von erbrachter Gegenleistung ein Einkommen, das die Grundbedürfnisse absichert. Reale Hoffnung oder Utopie?

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Schön, dass die BGE-Debatte wieder mal aufgelebt ist, hier in der freitag-community. Um es vorweg zu schicken, ich bin begeisterter Anhänger dieser Idee. Trotzdem: siehe Überschrift.

Warum wird es nicht kommen?

1. Machtinteressen würden gefährdet

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre die größte soziale Umwälzung seit Abschaffung der Leibeigenschaft. Es würde nämlich eines bedeuten: Emanzipation. Und zwar wirkliche Emanzipation für Alle. Das ist etwas, was sämtlichen Machtinteressen zuwider läuft. Warum wohl wird dieses Thema (das schon im 18. Jahrhundert diskutiert wurde!) so klein gehalten? Ganz einfach: Politik und Wirtschaft brauchen die Abhängigkeit der Menschen! Man kann es nicht besser sagen als Erich Fromm, der sich bereits vor fünfzig Jahren dieser Frage widmete:

»Das garantierte jährliche Mindesteinkommen bedeutet echte Freiheit und Unabhängigkeit. Deshalb ist es für jedes auf Ausbeutung und Kontrolle basierende System […] unannehmbar […] , auf das Bewusstsein der Macht über die Schwachen und Hilflosen zu verzichten.«[i]

2. Mehrheiten fehlen

Wegen der außerordentlichen sozialen Dimension wäre die Befürwortung eines BGE durch die überwältigende Mehrheit der Menschen zwingend erforderlich. Aber ein solcher Konsens ist völlig unvorstellbar. Zum einen wegen des propagandistischen Gegenwindes, den die Mächtigen entfachen würden (siehe 1.) , zum anderen, weil die Mehrheit befürchtet, dass es nicht funktioniert, dass sie die Draufzahler sein werden und dass am Ende alles zusammenbricht.

3. Einigkeit und Klarheit fehlen

Selbst wenn eine Mehrheit zu erwarten wäre – es gibt nichts, was man den Menschen zur Diskussion anbieten kann. Die vorgeschlagenen Konzepte sind nicht mehr zu überschauen. Ronald Blaschke hat ein 400 Seiten starkes Werk vorgelegt, das versucht, eine Übersicht zu schaffen.[ii] Grundeinkommens-Initiativen halten auf ihren Websites und Blogs unzählige Informationen bereit. Aber wer erklärt es mal dem Volk? Das wäre nämlich nötig, um eine wirksame Bewegung in Gang zu bekommen. Dazu bedarf es eines verständlichen Textes und zuvor natürlich der Einigung auf ein gangbares Modell.

4. das Pferd wird beim Schwanz aufgezäumt

Ob ein Grundeinkommen machbar ist, darf nicht von Ökonomen und Technokraten entschieden werden. Die Einigung auf ein gangbares Modell bedeutet nicht, dass man über Finanzierungsquellen, steuerliche Gestaltung und andere bürokratische Details nachdenkt. Dass es finanzierbar ist, wurde hinreichend bewiesen, ob man es tut, ist eine Willensfrage. Für die Entwicklung eines geeigneten Modells müsste zuallererst die Art und Weise der demokratischen Umsetzung geklärt werden, wobei die Berücksichtigung der sozialpsychologischen Aspekte die wichtigste Rolle spielt. Erst wenn sich die Gesellschaft darauf geeinigt hat, dass sie es will, kann man an die technokratischen Fragen herangehen.

5. das Umdenken müsste revolutionär sein

Wer sich nur ein wenig mit der Materie befasst, wird sehr schnell zu der Einsicht kommen, dass für die Akzeptanz eines BGE völlig neue Denk- und Verhaltensmuster erforderlich wären. Die meisten Verfechter des Grundeinkommens, wie Götz W. Werner, sehen ein Anfachen des Konsums als positive Begleiterscheinung. Dieser Ansatz berücksichtigt in keiner Weise das psychologische Element, dass nämlich dieser Konsum den Level der Bedürfnisse immer mehr anhebt. Ein Grundeinkommen müsste also beständig an diesen Level angepasst werden, und dessen Befriedigung könnte schlussendlich keine Wirtschaft mehr leisten. Erich Fromm war überzeugt, dass ein Grundeinkommen seine positiven Effekte nicht entfalten könne, wenn am Prinzip des maximalen Konsums festgehalten würde. »All das bedeutete, dass wir Prinzipien eines garantierten Einkommens mit der Orientierung unserer Gesellschaft vom maximalen zum optimalen Konsum kombinieren müssten[iii] Alle derzeitigen gesellschaftlichen Trends laufen dem jedoch entgegen.

Fazit

Wie ich eingangs schon sagte, gehöre ich zu den Anhängern der Grundeinkommensidee. Wegen der hier dargestellten Zweifel an der Machbarkeit habe ich mich von dem „reinen“ Modell verabschiedet, glaube aber, dass man auf Umwegen dorthin kommen könnte. Dem Punkt 1 der angemeldeten Zweifel wird man nie entgehen können, doch es ist vorstellbar, dass dieser Widerstand zu brechen ist, wenn sich die Mehrheiten gewinnen lassen. Das gelingt aber nur mit schrittweisem Herangehen, kleinen Erfolgen, die sie bewegen könnten, ihre Angst vor dem Unbekannten aufzugeben.

Mit Modellen, die einen schrittweisen Übergang zum BGE ermöglichen, beschäftigt sich mein Blog Grundeinkommen und das Recht auf Arbeit. Leider schmore ich dort schon längere Zeit im eigenen Saft. Deshalb würde ich mich freuen, interessierte Mitstreiter zu finden.

Quellen

[i] Erich Fromm „Haben oder Sein“ Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1976

[ii] Blaschke, Ronald u.a. “Grundeinkommen. Geschichte – Modelle – Debatten” Berlin: Karl Dietz 2010

[iii] Erich Fromm „Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle“ (1966)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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