Hat Robert Parker zu viel Einfluss?

Der Trinker Die Liste der Vorwürfe gegen den erfolgreichsten Weinkritiker der Welt ist lang. Trotzdem ist seine Popularität ungebrochen, meint der Trinker
Hat Robert Parker zu viel Einfluss?

Illustration: Otto

Ausschließlich Weinfakten, nichts sonst!“ Das verspricht Robert Parkers Wine Advocate, ein seit 1978 erscheinender Newsletter, der als Anwalt von Konsumenten in aller Welt Un­abhängigkeit von Produzenten und Händlern als Grundregel der Weinbewertung nennt. Parkers Motto: „If the wine’s no good, I’m gonna say so!” Der mittlerweile einflussreichste Weinkritiker der Welt betont, dass er sich „einen Dreck schert“ um den Status derjenigen Güter, deren Weine er bewerte.

Deshalb besteht der studierte Historiker und Jurist auf Blindproben und konzentriert sich bei der Einstufung von ihm getesteter Weine auf den Inhalt des Glases. Parkers Fähigkeiten sind legendär. Agil wie eine Arbeitsbiene vermag er täglich bis zu 100 Weine zu würdigen, und das mit versiertem Zugriff und enormem Gedächtnis. Seine schnörkellose Diktion („The thing about wine is that you are always a student.“) sowie die Versicherung, er urteile nicht ex cathedra, komplettieren das streitbare Konzept des amerikanischen Selfmade-Gurus: den oft überforderten Weintrinkern ehrliche Entscheidungshilfen für den Weinkauf zu bieten.

Als der Mann aus Maryland mit seiner Laudatio auf den Jahrgang 1982 der weltweit skeptischen Weinjournaille die Stirn bot und Recht behielt, nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf. Parker-Punkte signalisieren seitdem Qualität, beeinflussen den Preis, haben Einfluss auf Investments: „When Parker spits, the world listens.“ – Wenn Parker ausspuckt, hört die Welt zu.

Zweifelhafte Aldi-Schnäppchen

Allerdings häufen sich auch Einreden gegen eine „Parkerisierung“ der Weinszene. Frühzeitig wähnte man, dass unter Parkers Nase fette Weine besser abschneiden als solche mit filigraner Eleganz und Rote eher Beachtung finden als Weiße. Der Vorwurf, er bevorzuge alkoholische Fruchtbomben mit deutlicher Holzfassprägung, hat bis heute Bestand. Keine Attacke hat ihn aber nachhaltig beschädigt. Dabei ist die Liste der Anwürfe lang: Sein Diktat sorge für eine Nivellierung der Weinvorlieben, er sei orientiert an etablierten Namen, kollaboriere mit Geschäftsleuten wie dem französischen Wein­magnaten Rolland, befördere durch seine Vorab-Beurteilungen die Preisexplosion bei bestimmten Weinen und verschenke andererseits hohe Punktzahlen für zweifelhafte Aldi-Schnäppchen.

2007 bezichtigte ihn eine frühere Mitarbeiterin, vor allem Weine befreundeter Grossisten zur Kenntnis zu nehmen. Parker bestritt dies. Zuletzt erwiesen sich engste Mitarbeiter als käuflich. Parker will davon nichts gewusst haben und erklärt: „Eine Kontrolle meines Personals halte ich für faschistisch.“

Die weltweite Schelte gipfelt zunehmend in der Behauptung, Parkers Anspruch verkehre sich ins Gegenteil: Sein Diktum setze Trends und reguliere den Weinmarkt wie ein neuer Selektionsmechanismus. Potente Güter betreiben nämlich zunehmend eine Umstellung auf saturierte Weine, welche Parkers Präferenzen entsprechen, deshalb profi­tabel sind und damit weniger linientreue Produkte vom Markt verdrängen. Selbst US-Winzer wie Adam Tolmach räumen ein: „Unter Parker haben viele Weinmacher ihren Sinn für Gleich­gewicht und Eleganz in den Weinen verloren.“

Der Pontifex der Weinszene bleibt ein schillerndes Phänomen. Sein jüngster Ratschlag, man solle höchstens 40 Euro für eine exzellente Flasche ausgeben, ist aller Ehren wert, aber nicht frei von Zynismus. Dasselbe gilt für seinen Hinweis, eine größere Vielfalt in der Weinszene und eine Abkehr vom Holzfass seien angesagt. Vielleicht wird der Konsument alledem dadurch gerecht, dass er sich selbst bei der Hand nimmt und dem vertraut, was nicht zuletzt auch Parker vor allem anderen schätzt: dem eigenen Gaumen.

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