Wer im Beisl eine warme Blunzen mit Letscho ausputzt und dabei ein Achterl pipperlt, der hat es mit einer Mahlzeit in einem österreichischen Wirtshaus zu tun. Dass es dabei durchaus zu Gaumenfreuden kommen kann, liegt an der niveauvollen Küche.
Aber Österreichs Gastro-Szene hält darüber hinaus auch heimische Weine vor, die großes Vergnügen bereiten können. Zumal sich in Österreich etliche eher seltene Rebsorten finden, aus denen Tropfen mit Charakter entstehen können. Unter den Weißweinen sind dies zum Beispiel Zierfandler, Rotgipfler und Neuburger. Unter den Roten Sankt Laurent, Blaufränkisch und Blauburger.
Mit seinem Heurigen-Gsangl hat der legendäre Hans Moser schon früh dem Wein seines Heimatlands auf schrullige Weise ein Denkmal gesetzt. Für den guten Ruf des österreichischen Weins hat in den letzten Jahrzehnten aber nicht so sehr der von Moser besungene Gumpoldskirchner, sondern vor allem ein Weißwein gesorgt, dessen Reben ein Drittel der österreichischen Weinberge beherrschen: der Grüne Veltliner.
Anklänge charmanten Pfefferls
Dieser ist den Bedingungen der Weinberge, vor allem denen der Wachau, bestens angepasst. Während er andernorts eher auf Lössböden wächst, gedeiht Österreichs Nationalwein im landschaftlich reizvollen Donautal nordöstlich des Klosters Melk auf steilen Terrassen, deren Böden zumeist mit Urgestein (vornehmlich Gneis) durchsetzt sind. Zudem trägt ein durch kräftige Luftzirkulation und deutliche Temperaturschwankungen geprägtes Fjord-Klima zur aromatischen Finesse und rassigen Struktur der Kreszenzen bei. Diese zeichnen sich aus durch einen grünlich schimmernden Farbton, durch Mineralität und würzige Frische. Ihr Aromenspiel umfasst Anklänge an Citrus, Steinobst, Kräuter, Tabak und das charmante Pfefferl, Noten also von gemahlenem weißen Pfeffer.
Da er von einer ertragreichen Rebsorte stammt, war Grüner Veltliner früh ein Massenwein. Es ist der Agilität und Beharrlichkeit des Wachauer Unikums Josef Jamek und seinen Mühen um kleinbeerige Trauben, reduktiven Weinbau sowie naturnahe extraktreiche Weine zu verdanken, dass neben der Schankware ein Prototyp des modernen, qualitätsorientierten österreichischen Weins entstanden ist. In Jameks Fahrwasser haben Winzer wie Franz Prager, Emmerich Knoll, Franz Hirtzberger, Karl Lagler, Johann Schmelz und Leo Alzinger dem Grünen Veltliner der Wachau zu internationalem Ansehen verholfen. So hat die Fachzeitschrift Feinschmecker im März den Altstar der im Verband Vinea Wachau zusammengeschlossenen Winzer, Franz Xaver Pichler, für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Fast folgerichtig bietet er seinen besten Veltliner für stolze 50 Euro pro Flasche feil.
Oft prämierte Tropfen finden sich auch bei seinem Namensvetter Rudi Pichler. Nervige Weine, die mit großem manuellen Aufwand und „gegen den Strich“, also beispielsweise nur aus Trauben ohne Botrytisbefall produziert werden, erzeugen der zugewanderte Solitär Peter Veyder-Malberg und sein streitbarer Nachbar Martin Muthenthaler. Einen stoffigen Veltliner produziert der junge Karl Bracher. In jedem Fall sind Exemplare der Qualitätsstufen Steinfeder (bis zu 11,5% Vol.) und Federspiel (bis zu 12,5% Vol.) preiswerter zu haben als die kraftvollen und tiefgründigen Smaragd-Weine.
Wer in der Wachau weilt, kann erstklassige Grüne Veltliner bei ebenso erstklassigen Schmankerln genießen. Der Loibnerhof in Unterloiben sowie das Landhaus Bacher in Mautern bieten entsprechende Gelegenheiten. Hier kann dann auch ein Piefke feststellen, dass österreichische Weine viel Trinkanimo bieten und alles andere als fade Heckenklescher sind.
Kommentare 2
Lieber Grazer Denker,
ich bin angesichts vieler hunderter (verschiedener) Rezepte im Zusammenhang mit Blunzen nicht davon ausgegangen, dass die österreichische Gastronomie auf Sauerkraut als Beilage fixiert ist. Im Zweifelsfall nehmen Sie meinen Letscho-Zusatz als kulinarisch vielleicht nicht vollends unpassendes Produkt meiner Phantasie (natürlich aber nicht als Aufforderung zu Traditionsbrüchen).
"Stoffig" bedeutet üblicherweise "extraktreich".
Und schließlich: Ich schätze wie Sie auch so manchen steirischen Wein. Aber darüber ein anderes Mal!
Herzlich Klaus Kosok
Liebe Denkfabrikantin,
der vorgegebene Umfang einer Kolumne wie meiner ist äußerst begrenzt. Allein aus diesem Grund müssen etliche interessante Aspekte des jeweiligen Themas ohne jede Erwähnung bleiben. Ansatzweise Antworten auf einige Ihrer Fragen sind dennoch in meinem Text enthalten.
Grüner Veltliner ist eine verhältnismäßig junge Bezeichnung für einen Wein, der einer nätürlichen Kreuzung aus Traminer und (vermutlich) St.Georgen-Rebe entstammt. Urkundlich gesichert ist die Existenz dieses urösterreichischen Weines erst seit dem 18. Jh.; einheimische Historiker sprechen diesbezüglich aber auch von einer erstmaligen Erwähnung im Jahr 1581.
Zumindest die Einteilung der Wachauer Weinberge in Riede geht auf den maßgeblichen Einfluss von Mönchen bzw. Klöstern zurück. Vor allem bayrische Klöster waren ab dem 10. Jh. in der Wachau mit Weinbau beschäftigt. Es gibt für die unmittelbare Nachbarschaft aber auch schon Nachweise für Weinanbau aus der Bronzezeit und für entsprechende Betätigungen der Kelten, später natürlich auch der Römer.
Sehr lange war Grüner Veltliner vornehmlich Schankware. Das hat sich in den letzten 50 Jahren vor allem durch entsprechende Initiativen kleiner Privatbetriebe geändert.
Herzlich
Klaus Kosok
P.S.: Interessant als Bedingung für die Qualität eines Weins ist vor allem der zuckerfreie Extraktwert. Unter den entsprechenden nicht-flüchtigen Substanzen spielt dann Glycerin eine besondere Rolle. Ein "dünner" Massenwein erreicht z.B. kaum 20 g/l zuckerfreien Extrakt.
Grob testen kann man den Extraktgehalt an den Schlieren, die ein Wein auf der Innenseite des Glases hinterlässt