Kritiker der Kritiker

Musik Martin Büsser sah manches vorher, etwa dass Punk konservativer als die CSU wird. Diese Woche wäre er 50 geworden
Ausgabe 07/2018

Es gibt jetzt eine Sammlung der Texte des 2010 verstorbenen Journalisten und Musikers Martin Büsser. Sie heißt: Für immer in Pop. Erschienen ist sie beim Ventil Verlag, zusammengestellt von Jonas Engelmann. Ich werde sie mir in jedem Fall besorgen.

Das erste Mal habe ich Texte von Martin im Hardcore-Punk-Fanzine ZAP gelesen. Er hat damals Anfang der 1990er über Bands wie Kolossale Jugend, Die Sterne, Tocotronic und meine Band Huah! geschrieben, wofür er vom Rest der Redaktion verunglimpft und als Hippie abgestempelt wurde (Hippie war die härteste Beleidigung, die du von einem Punk empfangen konntest). Es war bewundernswert, dass er trotz dieser Schmähungen weitergemacht, den anderen von Dingen berichtet hat, die sie nicht hören wollten. Bei ZAP war er ein Außenseiter unter Außenseitern, ein Kritiker der Kritiker. Er hat vorausgesehen, dass Punk mal konservativer als die CSU und der Intellektuellenhass der Punks eine Sackgasse sein wird.

Später war er dann Co-Verleger beim Ventil Verlag und maßgeblich treibende Kraft der Testcard, einer regelmäßig (annähernd jedes halbe Jahr) erscheinenden Buchreihe zu Themen aus der Popkultur mit Titeln wie: Inland, Sound, Retrophänomene, Pop und Literatur, Gender, Krieg, Zukunft, Linke Mythen, Amerika, Extremismus, Sex, Fleisch, Transzendenz, Digital ist besser, Kritik. Zu jedem Thema immer ein ganzes Buch, was für eine Wahnsinnsarbeit. Ich durfte an der Ausgabe Humor mitarbeiten.

Irgendwann haben wir uns irgendwie kennengelernt, das musste passieren. Ich habe ihn wertgeschätzt und er mich. Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion in Göttingen, zu der erstaunlich viele Leute kamen. Es ging wahrscheinlich um „Popmusik in Deutschland“ oder etwas Ähnliches. Wir beide warfen uns während der Diskussion die Bälle zu und wunderten uns, dass eine dritte an der Diskussion beteiligte Person zu all dem nichts zu sagen hatte. Sie wollte lieber nach Hause und Songs schreiben, wie sie sagte. Diese Einstellung missfiel uns beiden: der Mythos vom einsamen Genie und Künstler, der mit der vermeintlichen Banalität der Welt nichts anfangen kann.

Der ganze Mist

Dagegen hat Martin auch immer angeschrieben, gegen das: „Wir wollen doch einfach nur Musik machen. Politik stört doch nur.“ Oder gegen den neuen Nationalismus im Pop, dass Deutschland wieder cool wäre, oder gegen Frauen- und Schwulenhass. Gegen den ganzen reaktionären, populistischen Mist.

Über meine Band Die Zukunft mit Bernadette La Hengst und Guz schrieb Martin Büsser: „Politischer Pop kann allerdings auch ganz schrecklich sein, vor allem dann, wenn er ‚politisch engagiert‘ daherkommt. Doch dem erteilt Die Zukunft gleich mit dem Auftakt-Song Mittelstandsproblemcamp eine Abfuhr: ‚Wir essen Bioprodukte, ernähren uns bewusst‘, singen sie ironisch, machen sich über all jene lustig, die glauben, es sei möglich, sich im falschen Leben richtig einzurichten. Das ist nichts für Bono-Fans, aber auch nichts für Linke, die auf alle Fragen sofort eine Antwort parat haben.“

Irgendwann hat er mir eine CD seiner Gruppe Pechsaftha zukommen lassen und mich gebeten, etwas dazu zu sagen. Mir fiel: „Mitteleuropa Talking Blues“ dazu ein.

Info

Martin Büsser. Für immer in Pop Jonas Engelmann (Hrsg.), Ventil 2018, 240 S., 15 €

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