Gallier im Osten

Referendum In Litauen stimmen die Bürger am 29.06. über eine Verfassungsänderung ab. Das Verbot von Landerwerb, auch für EU-Ausländer, soll Verfassungsrang erhalten.

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(Burg Trakai - Litauen)

Die Namensgeberin des Kontinents, es war die griechische Göttin Europa. Der Sage nach wurde Sie von Zeus, als Stier getarnt, auf die Insel Kreta entführt, wo er sich Ihr offenbarte und Ihr seine Liebe gestand.

Nun kann man nicht unbedingt behaupten, dass Litauen unter verkehrten Vorzeichen, in die Europäische Union hinein "entführt" wurde, aber es schient sehr, als sei bei vielen Litauern auch nicht wirklich die Liebe auf Europa entbrannt, sondern eher, als seien dort Viele von den Entwicklungen, in den Sie umgebenden Ländern, beunruhigt.

So kommt es in der nächsten Woche zum ersten Mal in der litauischen Geschichte zu einem durch die Bevölkerung erwirkten Referendum.

Verschiedene politische Gruppen und Parteien, quer durch das politische Spektrum, strengen eine Verfassungsänderung an, welche bei Erfolg weitreichende Folgen haben könnte. Das Verbot von Landerwerb durch Ausländer, welches auch für EU-Ausländer gelten soll, steht am 29.06. zur Abstimmung und damit wandeln sich die Bewohner des kleinen Landes Litauen, zwar nicht zu Galliern, aber der Vergleich mit dem unbeugsamen Dorf in den tiefen Wäldern, welches erfolgreich den Römern Widerstand leistet, liegt trotzdem nicht fern.

Das es dazu kommen konnte, ist bereits äußerst erstaunlich, immerhin waren für ein solches Referendum 300.000 Unterschriften erforderlich, was, nach offiziellen Zahlen, 13% der Wahlberechtigten Bevölkerung bedeutet. Die Unterstützer brachten sogar 320.000 zusammen, bei einer geschätzten Bevölkerungszahl von nur noch ca. 2,0 Mio. Einwohnern, denn viele Litauer leben inzwischen in anderen EU-Ländern, sind aber dort nicht gemeldet und gelten daher weiterhin als im Land befindlich, sind das sogar noch um einiges mehr als 13%.

Neben dem Landerwerbsverbot soll am 29.06. auch darüber abgestimmt werden, ob in Zukunft "nur" 100.000 Unterschriften erforderlich sein sollen, damit ein Referendum stattfinden kann.

Die Bedingungen für eine Annahme des Referendums sind allerdings außerordentlich schwierig zu erfüllen, was nicht erstaunt, denn immerhin geht es um eine Änderung der Verfassung. Die Unterstützer brauchen die Zustimmung von mindestens 50% aller Wahlberechtigten, was höchst unwahrscheinlich ist, denn selbst bei Parlamentswahlen galt in der Vergangenheit eine Wahlbeteiligung von kanpp über 50% bereits als sehr hoch.

Vermutlich sind die Situationen in den anderen EU- aber nicht EURO-Staaten, Polen und Rumänien, in denen grossflächig Ackerland von ausländischen Investoren, zumeist Grundstücksspekulanten oder Lebensmittelmultis, aufgekauft wurde und wird, der Grund für diese Entwicklung. Auch in der Ukraine ist gleiches zu beobachten. Ob ein solches Verbot eine ähnliche Entwicklung in Litauen allerdings aufhalten könnte, ist sehr zu bezweifeln, denn für transnationale Konzerne ist es in der Regel kein Problem, solch nationale Gesetze zu umgehen, im Zweifelsfall über ein Joint-Venture mit einem Unternehmen in Litauen oder indem man das Land langfristig pachtet, anstatt es zu kaufen.

Nun besagt der EU-Beitrittvertrag Litauens von 2004, wie auch der der anderen EU-Mitgliedstatten im Osten, genau das Gegenteil des Referendums. Der freie Landerwerb für EU-Bürger und Unternehmen sollte ursprünglich bereits ab Mai 2011 erlaubt sein, die Schutzfrist wurde aber bis Mai 2014 verlängert.

Unabhängig davon, ob das Referendum angenommen werden wird, ist es bemerkenswert, dass es überhaupt stattfindet. Eine öffentliche Diskussion über die allgemeine Entwicklungen im Osten, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen in der Ukraine, wäre sehr wünschenswert. Um so bedauerlicher ist es, dass die meisten Medien den Blick so sehr auf den Brennpunkt Ukraine fixiert haben, dass sie dieses Referendum bisher tatsächlich nicht bemerkt zu haben scheinen.

Welche Auswirkungen es auf die EU haben würde, sollte die Abstimmung entgegen aller Erwartungen die erforderliche Zustimmung erreichen und Litauen wirklich den Landverkauf untersagen? Denn wer weiss, möglicherweise entpuppen sich die Litauer doch als Gallier, denen ihre Druiden magische Tränke brauen können, welche plötzlich totale Lust auf Stimmabgabe verleihen.

Der Sanktionskatalog der EU sähe in solchen Fällen Strafzahlungen vor. Inwiefern die Mitgliedschaft Litauens in der EU darüberhinaus zur Disposition stehen könnte, ist allerdings schwierig vorauszusagen, Sie dann aber zu beenden, wäre allerdings mehr als dumm, denn für patente Zaubertrankbrauer, fände sich in der EU derzeit mit Sicherheit einiges zu tun.

http://www.truelithuania.com/topics/news-from-lithuania

http://www.lithuaniatribune.com/62805/opinion-on-the-proposal-to-hold-a-referendum-on-the-land-sale-to-foreigners-201462805/

http://www.electionguide.org/elections/id/2799/

http://www.vrk.lt/en/2014-referendumas

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Geschrieben von

knattertom

reisewütiger Mit40er der "D" den Rücken gekehrt hat, um neues zu entdecken. Interessierter Beobachter von aussen so to say...: knattertom@freenet.de

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