Alles halb so wild?

Equal Pay Day Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor systematisch benachteiligt. Da hilft auch keine Schönrechnerei
Ausgabe 11/2019
Vielen Dank für den Frauentag, als nächstes hätten wir gern Lohngleichheit
Vielen Dank für den Frauentag, als nächstes hätten wir gern Lohngleichheit

Foto: Christian Spicker/Imago

Wer vom Feminismus reden will, der darf freilich von der unterschiedlichen Bezahlung der Geschlechter nicht schweigen. Der „Equal Pay Day“, der in Deutschland dieses Jahr auf den 18. März fällt, soll dazu ermutigen. Leider paart sich in den Diskussionen um das Lohngefälle zwischen Mann und Frau oft Unwissen mit Unwillen.

An diesem 18. März wird das manchem noch recht frisch erscheinende Jahr 2019 schon 77 Tage alt sein. Der Idee des „Equal Pay Day“ folgend, würden Frauen dank des Lohngefälles bis zu diesem Tag im Jahr umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar voll bezahlt werden. Kann das wirklich sein, dass Frauen im Jahr 2019 immer noch durchschnittlich ein Fünftel weniger Geld verdienen als Männer?

Ja und nein. Schon das Zustandekommen der Zahl ist problematisch. Berechnet wird der Gender Pay Gap aus den Daten des Statistischen Bundesamtes. Nicht mit eingerechnet werden beispielsweise Teile des öffentlichen Dienstes, bei dem die Gehälter zwischen Frauen und Männern weniger stark variieren. Schwierig ist auch die Suggestion, dass die Diskrepanz wegen purer Geringschätzung des weiblichen Geschlechts zustande kommt. Die rund 21 Prozent Lohnunterschied rühren auch daher, dass Frauen beispielsweise häufiger in Teilzeit arbeiten oder solche Berufe ausüben, die grundsätzlich schlechter bezahlt werden. Es gibt deutlich weniger Managerinnen als Krankenschwestern. Bei den Männern hingegen sorgt eine relativ kleine Anzahl Spitzenverdiener dafür, dass es aussieht, als würden alle Männer überall deutlich mehr verdienen. Diesen statistischen Unklarheiten soll der „bereinigte Gender Pay Gap“ Rechnung tragen. Berücksichtigt man diese strukturellen Faktoren, liegt der Lohnunterschied nach Schätzungen nur noch zwischen zwei und sieben Prozent.

Da jubilieren die Maskulinisten: Ein Lohngefälle sei praktisch nicht erkennbar, und die übrigen Prozente lassen sich sicher noch wegdiskutieren. Verkannt wird dabei, dass jene mühsam herausgerechneten strukturellen Ungleichheiten das eigentliche Problem sind. Weil Frauen oft einseitig die Kindererziehung übernehmen, unterbrechen sie ihre Karrieren oder arbeiten langfristig in Teilzeit. Weil Mädchen selten Dachdeckerinnen zum Vorbild haben, bleiben ihre Vorstellungen vom Berufsleben manifest. Diese komplexe Wirklichkeit wird keine absolute Anzahl Tage je adäquat abbilden können. Abhilfe schafft höchstens eine relative Ziffer: die Quote.

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