Wegen Phil Anselmo: „Rock im Park“ rockt ohne Metalband Pantera

Musiktagebuch Zuerst hatte man die Metalband Pantera als Top-Act angekündigt, trotz der Skandale um Frontmann Phil Anselmo. Nun zog Europas größtes Rockfestival „Rock im Park“ die Reißleine. Peinlicher Opportunismus meint unser Kolumnist
Ausgabe 05/2023
Seinetwegen wird die Metalband Pantera bei „Rock im Park“ nicht auftreten. Mit Phil Anselmos Gesichtsausdruck hat das allerdings nichts zu tun
Seinetwegen wird die Metalband Pantera bei „Rock im Park“ nicht auftreten. Mit Phil Anselmos Gesichtsausdruck hat das allerdings nichts zu tun

Foto: Imago/Fotoarena

Da ist sie wieder, die berüchtigte rechte Ecke: ein Ort, der wahlweise völlig überfüllt oder komplett leer zu sein scheint. Niemand will in ihr sein, viele werden in sie „gerückt“ oder „geschoben“, etliche finden sich dort wieder – und keiner hat jemals stolz von sich behauptet, dort einmal gestanden zu haben.

Zum Beispiel auch nicht der Frontmann der Metal-Band Pantera. Pan-was? Freunden härterer Musik ist die Band in etwa so bekannt, wie Ernest Hemingway einem durchschnittlichen Leser bekannt sein dürfte: Die meisten wissen Bescheid, irgendwie. Vulgar Display of Power (1992) und Cowboys from Hell (1990) gelten als Klassiker, nicht nur die Metal-Ballade This Love lief in den 1990ern sogar auf MTV.

Außerhalb der Metal-Szene ist die Band berüchtigt für ihre Skandale. Unter anderem wurde der als stilprägend geltende Gitarrist der Band, Darrell Abbott („Dimebag Darrell“), bei einem Konzert im Jahr 2004 erschossen. Darrell galt da schon als so legendär, dass die Band Kiss seinen Sarg gestaltete. Eddie Van Halen legte dem Grab eine seiner Gitarren bei. So viel Respekt vor einem Ausnahmegitarristen muss sein.

Weniger respektabel hat sich oft Phil Anselmo verhalten, der seit 1986 bis zur (ersten) Auflösung im Jahr 2003 Sänger der Band und mitverantwortlich für ihre großen Erfolge in den 90ern war. Anselmo, der einst beinahe an einer Überdosis Heroin gestorben wäre, gilt, gelinde gesagt, als schwieriger Typ. Als nachträglich am schwierigsten in einer langen Liste an Schwierigkeiten stellte sich ein Vorfall auf dem „Dimebash“-Festival 2016 heraus. Während der Veranstaltung, die zu Ehren des bereits erwähnten Dimebag Darrell abgehalten wurde, streckte Anselmo volltrunken den Arm zum Hitlergruß und brüllte „White power!“, den rassistischen Schlachtruf des Ku-Klux-Klans, beliebt bei Neonazis in aller Welt.

Nach mehreren nicht minder dummen Erklärversuchen – tatsächlich versuchte Anselmo zunächst die Geschichte zu etablieren, die „Geste“ sei eine Anspielung auf Weißweinkonsum gewesen –, zeigte sich der damals 47-Jährige reuig und meinte später: Weil er fortlaufend als Rassist bezeichnet wurde, wollte er seine Kritiker provozieren und genau das Verhalten zeigen, das ihm angeblich ungerechtfertigt unterstellt würde. Es tue ihm leid.

Sieben Jahre ist der Vorfall her, und trotz vieler Interviews, in denen sich Anselmo abermals entschuldigte, verfolgt ihn der Ruf. Vor wenigen Tagen beschlossen die Veranstalter*innen der Zwillingsfestivals Rock im Park und Rock am Ring, die 2022 frisch wiedervereinigten Pantera vom Line-up zu streichen, nachdem sie die Band kurz vorher erst stolz als Top Act bekannt gegeben hatten. Begründet wurde das mit Kritik, die von „Künstler*innen, unseren Partner*innen und euch, den Festivalfans“, geäußert worden wäre. Kurz darauf wurden die Foo Fighers als „sensationeller“ neuer Top Act vorgestellt. Und: die amerikanische Metal-Band Five Finger Death Punch, die wegen eines, gelinde gesagt, schwierigen Musikvideos aus dem Jahr 2020 ganz ähnlicher Kritik ausgesetzt ist wie Anselmo.

Aber, aber, man wird ja wohl noch auf der Bühne den Hitlergruß zeigen dürfen? Am besten noch auf dem Zeppelinfeld, dem ehemaligen Gelände des Reichsparteitages und heutigen Veranstaltungsorts von Rock im Park?

Zu Pantera, Phil Anselmo, seinen Eskapaden und Entschuldigungen mag man stehen, wie man will. Peinlicher noch ist aber der Fakt, dass eines der größten Rockfestivals in Europa keinerlei Gespür für Diskurse und Konflikte in der Musikszene zu haben scheint und dabei dennoch mantraartig wiederholt, man stünde „gegen jede Form von Diskriminierung“ – so wie alle anderen, die genau so lange gegen Diskriminierung sind, bis sich das negativ auf die Erlöse auswirken könnte. Geradezu „sensationell“ ist das.

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