Städte im Umbruch - Innenstädte veröden

Online-Handel Das Gesicht der Innenstädte wurden in den letzten Jahrzehnten stark umgekrempelt. Jetzt ist das lebendige Ambiente bedroht, das Stadtzentrum droht menschenleer zu werden.

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Gesicht und Milieu der Innenstädte wurden in den letzten Jahrzehnten stark umgekrempelt. Jetzt ist das lebendige Ambiente bedroht, das Stadtzentrum droht menschenleer zu werden. Das gilt für Klein- und Mittelstädte und auch für Stadtteile mit eigenem Zentrum.

Noch ist die Innenstadt der Mittelpunkt für die Bürger der Stadt und der Umgebung. Hier gruppieren sich rund ums Rathaus Ladenlokale von Händlern und Dienstleistern, Gaststätten und Herbergen, Schulen, kulturelle Angebote und Sehenswürdigkeiten. Hier herrscht Betriebsamkeit – Menschen in Bewegung, im Gespräch, in Aktion, auf Märkten, beim Einkauf oder auf Festen.

Neue Techniken verändern unsere Lebensweise

Eine neue Bedrohung für die lebendigen Innenstädte lösen Techniken aus: Internet und Smartphone. Inzwischen gibt es in Deutschland mehr als 100 Millionen Mobiltelefone im Betrieb - mehr als Einwohner - und jeder dritte Bundesbürger hat ein Smartphone. Die Agentur „we are social“ hat im Januar 2015 rund 72 Millionen aktive Internetnutzer gezählt. Gemessen an der Gesamtbevölkerung Deutschlands stellen die aktiven Internetnutzer damit einen Anteil von fast 90 %.

Das Internet macht Informationen umfassend und sofort verfügbar. Mit dem Smartphone tragen immer mehr Menschen den Zugang zum Internet ständig mit sich herum. Das Smartphone macht unabhängig und abhängig zugleich, es regelt das halbe Leben und unterwirft die Nutzer seinen Regeln. Smartphone und Internet verändern das Informations-, Konsum- und Freizeitverhalten der Menschen grundsätzlich.

Per Telefonat, SMS und E-Mail tauschen wir Informationen aus. Der Chat in den Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter ersetzt das Gespräch. Meinungen werden über diese Medien verbreitet und Trends werden über diese neue Form der Mund-zu-Mund-Propaganda verkündet. Wo man sich verabredet und wo etwas los ist, verkünden die sozialen Netzwerken oder es lässt sich im Internet recherchieren. Dazu kommt das neue Einkaufen: Rund um die Uhr können Produkte gesucht, verglichen und bestellt werden. Diese Vereinnahmung ist bei jungen Leuten der Normalzustand.

Der erste große Verlierer sind die Zeitungen als Informationsmedium und Anzeigenträger. Informationen im Internet verbreiten sich schneller, ungeprüft und ohne Gebühren. Die Zeitungen haben sich diesem Trend gebeugt und stellen Ihre Informationen kostenlos ins Netz. Große Teile des Anzeigenmarktes wandern ins Internet

Der zweite große Verlierer sind die kleinen stationären Händler und in der Folge die Innenstädte. Das Angebot im Internet zeigt eine riesige Auswahl, ist 24 Stunden verfügbar und belohnt den Käufer mit günstigeren Preisen als beim stationären Einzelhändler vor Ort. Alle Untersuchungen zeigen den steigenden Trend zum Online-Kaufen, auch bei den älteren Altersgruppen.

Der Online-Händler hat deutliche Kostenvorteile. Der Verkauf übers Internet ist automatisierbar, benötigt weniger Arbeitseinsatz und hat geringere Raummieten. Die Käufer sind überregional erreichbar, da die räumliche Nähe keine Rolle spielt wie beim stationären Handel. Große Online-Unternehmen sind im Vorteil, weil die Automatisierung sich bei großen Stückzahlen besser rechnet. Die Abwanderung vom stationären Handel wird stetig zunehmen und der Online-Handel wird sich bei wenigen großen Unternehmen konzentrieren - Amazon und Zalando lassen grüßen. Das Institut für Handelsforschung in Köln hat die Entwicklung untersucht; die Studien zeigen auf, wohin sich die Zuwachsraten bewegen. Die letzten Jahre wechselten im Non-Food-Bereich rund 4 Milliarden Euro Umsatz vom stationären zum Online-Handel – Tendenz steigend.

Und wie wirkt sich das auf die Innenstädte aus?

Die Ladenlokale der Einzelhändler - Besuchermagnet und prägendes Bild der Innenstädte - stehen vor einer großen Wettbewerbsbedrohung. Durch den Internet-Kauf vom Sofa geht den stationären Händlern deutlich Umsatz verloren. In vielen kleinen Städten wird der Trend durch Bevölkerungsrückgang verstärkt.

Laut Studie des Instituts für Handelsforschung vom August 2015 verlieren die Händler der am stärksten betroffenen Städte jährlich bis zu 5%. Selbst die Metropolen verlieren an den Online-Handel, wenn auch nur geringfügig. Nach der Prognose stehen in den nächsten fünf Jahren rund 45.000 stationäre Geschäfte vor dem Aus.

Das führt zur Schließung von Geschäften in den Innenstädten und unübersehbar fallen leer stehende Ladenlokale ins Blickfeld. Dieser Trend wird sich beschleunigen, da der stationäre Händler nur begrenzt in seinen Öffnungszeiten erreichbar ist, sein Sortiment nicht transparent ist und seine Kosten höher ausfallen. Die Internet-Wettbewerber sind näher am Kunden als der stationäre Händler vor Ort. Die großen, finanzstarken Online-Händler werden standortunabhängig zu übermächtigen Wettbewerbern. Auch die stationären Handels-Ketten bauen als zweites Standbein Online-Angebote auf.

Dagegen kann der lokale Händler alleine wenig ausrichten. Nur kommunale Kooperationen können dem Entgegenwirken. Auf Stadtverantwortliche und lokale Händlerverbände kommen Aufgaben zu, für die sie kaum vorbereitet sind. Werden diese Herausforderungen nicht angenommen, verlieren Klein- und Mittelstädte schnell an Attraktivität und Einnahmen. Die lebendige Innenstadt wird zur Geisterstadt. Beispiele dafür sind heute schon zu besichtigen, am deutlichsten im Ostdeutschland, aber auch im Westen.

Einen Lösungsweg für Städte finden Sie hier:
http://promit-consulting.de/e_stadt_situation.php

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Geschrieben von

kritikaster

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