Sebastian Müller (Makroskop, le Bohémien) und Co. : Politisch zu inaktiv?

"Anbruch des Neoliberalismus" Mehr oder weniger eine Besprechung des Buches "Anbruch des Neoliberalismus" von Sebastian Müller und etwas darüber hinausgehend. Und eben die Beantwortung der Frage: Sebastian Müller und Co. : Politisch zu inaktiv?

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Ich habe gerade einmal „Der Anbruch des Neoliberalismus“ vonSebastian Müllergelesen.

Das Buch ist ja schon von 2016, es stand auch 2-3 Jahre mehr oder weniger bei mir im Schrank, ich hatte es eher nur mal grob überflogen.

Die Detailbetrachtung der Jahre vom Ende des 2.Weltkriegs, vor allem der späten 60er bis Anfang der 80er, hatten in dieser Detailtiefe bezogen vor allem auf Deutschland da, wegen James M. Buchanan, Verfassungsethik, Standortwettbewerb und Co, zeitlich noch keine Priorität für mich.

Mittlerweile habe ich aber über SchillersGlobalsteuerung, dieKonzentrierte Aktion, dasMagische Viereck, dazu gehörte auch ein ausgeglichener Außenhandel, wohl bezeichnend, dass den sogar dasDenkwerk Demokratie, von Grünen, SPD und Gewerkschaften, zusammen mit der expliziten Nennung von Wachstum zumindest als explizit genanntes Ziel im neuen Magischen Viereck über Bord werfen wollte, und dasStabilitäts- und Wachstumsgesetzvon 1967, als legislativen Rahmen für alle diese Instrumente und Ziel, einiges gelesen.

Und war nun auch bereit für den „Ausbruch“ ähh, „Aufbruch“, oh „Anbruch“.

Auch schon im zuletzt genannten Wiki- Artikel, wird ja seit der Nachkriegszeit wirtschaftspolitisch zwischen der Ordoliberalen (1. Generation) Anfangsphase, wobei das wohl eher eineSoziale IrenikPhase, Adenauer/Müller-Armack– Phase, war, und der dann folgenden Keynesianischen/Schiller- Phase unterschieden. Der Phasenwechsel wäre nötig geworden wegen des sich abzeichnenden Endes der Wirtschaftswunder von 0 auf 85+x-Phase, in der man eben seinen Rückstand wieder aufholen konnte, auch wegen der außenwirtschaftlich günstigen Phase, aber eben auch weil Deutschland zum Produzieren eine vorteilhafte Lage hatte und hat.

Mit dem Ende der Aufholphase ging das stabile wirtschaften, dann nicht mehr quasi einfach automatisch vonstatten und die Politik musste darüber nachdenken wie sie für einen hinreichenden Ausgleich, hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin auf das nachhaltige Genug und hinreichende aber nicht destruktive Regulierung sorgen konnte, eben zu sozialen, ökologischen, Sicherheits- und Zukunftsorientierten Zwecken.

Dafür wurde dann von der großen Koalition damals eben dasStabilitäts- und Wachstumsgesetzerlassen. Mit seinem magischen Viereck aus den Zielen: Wachstum, hohe Beschäftigung, geringe Inflation und ausgeglichenem Außenhandel. Der Globalsteuerung um das politisch hinreichend (mit) herbeiführen zu können und der konzentrierten Aktion um auch möglichst viele gesellschaftliche Akteure, wie Gewerkschaften und Arbeitgeber mit an Bord holen zu können.

Zu beachten ist hier das Ziel des ausgeglichenen Außenhandels um nicht auf Kosten des Außen zu wachsen, was kaum nachhaltig sein kein, vor allem nicht auf Kosten der eigentlich Verbündeten und für die eigene nachhaltige Sicherheit benötigten Staaten.

Diese beiden Phasen werden auch von Sebastian Müller schön, detaillierter als ich es sonst wo bisher gelesen habe dargestellt.

Wobei es ihm aber eben vor allem um die 3te wirtschaftspolitische Nachkriegsphase geht. Der „neoliberalen“, wir er sie begründet und abgrenzend nennt.

Die 3te Phase würde sich zum Beispiel dadurch auszeichnen, dass die Notenbank, aus der konzentrierten Aktion hin zum magischen Viereck ausschied und sich voll auf Preisstabilität konzernierte. Diese Umfunktionierung der Notenbank hin zu Preisstabilität und ihre Unabhängigkeit von der jeweiligen Regierung seit Ende der 50er, wäre auch ein Streich des Hayek’schen- Angelsächsischen- (Neo-)liberalen Lagers gewesen, der vor allem auch deshalb in Deutschland möglich gewesen wäre, da hier noch die Sorge vor Hyperinflation wie in den 1920ern besonders groß gewesen wäre. Und die Unabhängigkeit sorgt eben dafür, dass sowohl die Notenbank als auch die Regierung, die Geldpolitik für alle Ziele einer Globalsteuerung einsetzen müssen wollen, damit das geschehen kann. Also die Konstellation für einen diesbezüglich voll handlungsfähigen Staat wurde schon Ende der 50er erschwert. Das entspricht eben der Strategie hin zu einem (zu) handlungsbeschränkten demokratischen Staat Stückchen für Stückchen, verpackt in aktuell mehrheitsfähige Päckchen. Aus proprietärer Sicht sollte man dann nur aufpassen rechtzeitig einen neuen eben Vermögensklassenwahlrechts-Staat zu schaffen, sonst freut sich das Außen.

Ein weiteres neoliberales Projekt sind flexible Wechselkurse, da es zur Zeiten von Bretton-Woods bei den Forderungen an Deutschland immer darum ging „Aufzuwerten“ um seine Außenhandelsüberschüsse abzubauen und das bei flexiblen Wechselkurse als automatisch passierend angenommen wurde und auch durchaus so zutreffend sein dürfte. Fand man auch hierfür Recht schnell Unterstützung. Nur garantiert Abwertung eben noch keine Importbedarfsdeckung. Also da ist es wie bei Arbeitslosigkeit, man kann zwar theoretisch argumentieren, dass es keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit geben könnte, da man einfach keinen Lohn mehr fordern müsste und sich dann auch selbst einstellen könne. Nur kann man dann seinen Lebensunterhalt nicht bezahlen, quasi seinen persönlichen Importbedarf, wenn man nicht alles nötige selbst hat und kann, bezahlen. Genauso ist es dann auch bei Staaten, die zu stark abgewertet wurden.

Dafür braucht es eben nicht (nur) Preisstabilität sondern auch Kaufkraftstabilität. Genau genommen ist also nicht die Preisstabilität- Überlebens wichtig, sondern die Tatsache, dass man als Staat und Einzelner die Preise seines „Importbedarfs“ auch zahlen kann.

Die Preisstabilität nutzt nur denen die entweder alles oder zumindest genug zum Tauschen haben und zwar nachhaltig. Das sind mit hinreichender Sicherheit nicht sonderlich viele.

Also der glaube das Preisstabilität und flexible Wechselkurse schon alleine für sich für hinreichende Versorgung sorgen ist also unzutreffend. Dafür braucht es auch hinreichend Kaufkraftstabilität zumindest zur Grundsicherung. Und auch die erste Ordo-Generation hatte solch einen zwischenstaatliche gemeinsame Mindestsicherung nicht berücksichtigt. Eventuell waren sie soweit auch einfach nicht gekommen.

Konsequente „Hayeks“ würden zumindest für das Ziel der Ruhe auch international für zumindest dafür hinreichende gemeinsame Grundsicherung eintreten.

Das ist vielleicht die wichtigste Lehre aus dem 2.Weltkrieg, dass man sich gegenseitig zumindest das nachhaltige Genug gewähren muss, solange man dazu in der Lage ist, sonst werden aus der Not die Extremisten gewählt. Deutschland konnte ja Anfang der 30er seinen Importbedarf auch mit Hinblick auf die Grundversorgung aller seiner Bürger nicht mehr decken, so weit ich weiß, und da es international keine hinreichenden gemeinsamen sozialen Rechte gab und gibt, dürfte dass der Hauptgrund zur Wahl der Nazis, beziehungsweise Vernichtungsrassisten, gewesen sein.

Not macht halt offen für Extremes.

Aber zurück zum „Aufbruch“ von Sebastian Müller. Also das Buch beschreibt die Vorgeschichte zur und Etablierung von der (neo-)liberalen wirtschaftspolitischen Phase des Westens und besonders Deutschlands wie bereits geschrieben sehr detailliert und passend.

Einzig dass er als einer der Gründe, dass die gemäßigten sich auch dem (Neo-) Liberalismus zugewandt hatten beziehungsweise sich täuschen lassen würden, die „Schule der Kritischen Theorie“ sei, finde ich unzutreffend. Diese steht ja gerade dafür, dass man sich von kulturellen Hegemonieprojekten nicht täuschen lassen sollte, zumindest in der ersten Generation. Die 2te war zwar vielleicht etwas zu sehr mit Theorie beschäftigt, aber wirklich problematisch waren von der „Neuen Linken“ wohl eher diejenigen die mit dem Hochschulgesetz zu viel Mitbestimmung den Studenten „auflasten“ wollten. Oder alle zu unrealistischen politischen Forderungen die als politisch temporär mehrheitsfähig drohten. Das trieb zu den „Angebotsorientierten“.

Dieser Name spricht eben auch diejenigen an die im „freien“ Wettbewerb einfach zunächst mal genug für sich und ihren Staat haben wollen. Da ist es eben aus Micro-sicht wichtig hinreichend etwas Anbieten zu können und nicht zu viel ausgeben zu müssen.

Nur für die Proprietären geht es bei Angebot eben um die schon besitzenden. Da lässt sich das Ziel des hinreichend wettbewerbsfähig sein eben schön mit dem Ziel, dass der Staat möglichst wenig für Soziales ausgeben soll und möglichst wenig Steuern erheben soll, die machen das „Angebot“ ja teurerer, verbinden.

Und dann passiert es auch schnell, dass der Fokus weg vom ausgeglichenen Außenhandel hin zum ausgeglichen Haushalt hin triftet, auch bei denjenigen, die eigentlich dafür sind nicht auf Kosten anderer zu wirtschaften sondern nur genug haben wollen. So ging es mit bis vor 6-7 Jahren auch noch. Als ausschlaggebend, dass man international seinen Bedarf decken konnte, sah ich da an, dass der Staatshaushalt ausgeglichen ist, dabei ist eben dass Außenwirtschaftsverhältnis entscheidend. Das andere hat man z. B. durch Steuern entweder selbst in der Hand oder das was auf der eigenen Haben- Seite steht ist eigentlich tatsächlich schon außen und man hat gar keinen Einfluss mehr. So ganz einflusslos ist man aber selten, das wird wohl eher als Ausrede verwendet um nichts gegen den eigenen Überschuss tun zu müssen.

Besonders bitter ist es aber für die „Partnerstaaten“ mit gleicher Währung, wenn sich die eigene Regierung dem Ausgleich des eigenen Haushalts statt des „Außenwirtschaftens“ hinwendet, wobei bei gemeinsamer Währung und gemeinsamen ausgeglichenen Außenhandels sogar diejenigen intern ein passendes Defizit haben müssten die nach gemeinsam Außen ein Plus haben. Denn dieses Plus ist dann das Minus der andern. Und verhindert die Abwertung und damit den Ausgleich desjenigen mit dem Minus nach außen.

Und wenn man seine Nachbarn (mit) ruiniert, werden die meist irgendwann unruhig. Deshalb reißt man so schnell auch schon die strategische Solidarität. Und dann freut sich eventuell jemand von außen, oder hat es sogar per überlagertem kulturellen Hegemonieprojekt eingefältet.

So, gegen Ende des heutigen Beitrags noch mal ein Blick zur Überschrift.

Sind Sebastian Müller und Co politisch zu inaktiv?

Da 2021 auf dem Stimmzettel eine Partei fehlte und auch aktuell noch fehlt, die seine Einsichten hinreichend teilte, sicher genug auch militärisch sicher genug ist und bei der man sicher genug sein kann, dass sie nicht erfolgreich für den „Roten Ritter“ die Haare runterlässt, nach meiner Meinung, lautet die Antwort:

Definitiv ja, außer sie erfüllen die beiden gerade mittelbar genannten Bedingungen nicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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