Endet die "Ära des Neoliberalismus"?

Durch Corona. Das hängt davon ab, wer in den Parlamenten sitzt.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im Moment wird in den einschlägigen (Online-) Zeitungen und ökonomischen Diskussionsgruppen ja viel darüber diskutiert, ob die Ära des „Neoliberalismus“ durch die offensichtliche Notwendigkeit staatlicher Eingriffe bei externen Schocks wie in der aktuellen Corona- Krise nun zu Ende geht. So auch hier :https://makroskop.eu/spotlight/leben-untote-laenger/neoliberalismus-leben-untote-laenger/

Auch darüber für was Neoliberalismus eigentlich aktuell steht und im Moment seiner Entstehung aktuell eigentlich stand, wird nun wieder viel geschrieben. Auch ich habe dazu schon einiges in diesem Blog geschrieben.

Er entstand eben als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung der Auffassung in den Bevölkerungen der demokratischen Staaten, dass eine staatlich gelenkte und sich im staatlichen Besitz befindlicher Wirtschaft aus sozialen und Stabilitätsgründen nötig wäre, da eine freie Marktwirtschaft genau dieses nicht auf Dauer bieten könnte.

Die ursprünglichen Ordoliberalen um Rüstow, Eucken und Röpke hatten daher den Laissez faire Wirtschaftsliberalismus, um einen „Rahmen“ erweitert, der die staatliche Durchsetzung einer (nationalen) Grundsicherung und einer (nationalen) Monopolverhinderung beinhaltet. Aber eben nur national. International sollte auch hier weiterhin Laissez faire gelten und rein auf die Wechselkursanpassungen vertraut werden. Das führt aber nun mal genau in die Hyperglobalisierung. In dieser wird der nationale Handlungsspielraum aber von außen aus ökonomischen Zwang stark eingeschränkt. Exportabhängige Gehälter können nur so stark wachsen, wie es die internationale Konkurrenz zulässt. Und damit auch der finanzielle Spielraum zur politischen Aufrechterhaltung einer nicht nur minimalistischen Grundsicherung, wenn es denn überhaupt für diese noch reicht. Und das Größe oder gar Monopolstellungen im freien Handel zumindest bis zu einem bestimmten Punkt einen Wettbewerbsvorteil bieten, aber eben spätestens mittelfristig auf Kosten des Wettbewerbs und durch Inkaufnahme von, die Staaten als einzelne marginalisierende privatwirtschaftliche Vermachtung, hat sich ja auch schon empirisch oft genug bestätigt. Daher können Staaten im internationalem Wettbewerb kaum bestehen, wenn Sie Monopole komplett verhindern wollen. Sonst könnten Sie ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen kaum zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten. Also alleine als einzelner Nationalstaat, zumindest als Importabhängiger kann man die Bildung von Monopolen, die auch den eigenen Markt beherrschen kaum verhindern.

Also gerade durch die Beschränkung dieser beiden staatlichen Vorgaben an den freien Markt rein auf die nationale, die innere, Ebene sind diese, im Falle der Grundsicherung, nur von einigen, vom internationalem Handel begünstigten, Staaten aufrecht zu erhalten, oder gleich, wie im Fall der Monopolverhinderung fast gar nicht, von wem auch immer, aufrecht zu erhalten.

Damit wären wir aber wieder beim „alten“ (Wirtschafts-) Liberalismus angelangt.

Und alles ähnelt wieder, rein zufällig natürlich, Hayeks Idealvorstellung einer internationalen Ordnung basierenden auf einer „Wirtschaftsverfassung“, welche protektionistische Maßnahmen verbietet, und die Freiheit des privaten Vertragsabschlusses als wichtigstes Gut ansieht und das nach Möglichkeit bei gleicher Währung.

Der einzige Staatenbund bei dem das jemals verwirklicht wurde, war die EU, zuerst Anfang der 90er mit dem Binnenmarkt, mit dem Zwang zur wirtschaftlichen Freiheit, und dann Ende der 90er noch zusätzlich gekrönt durch den gemeinsamen Währungsraum.

Und das nachdem schon Ende der 80er erst ebenfalls in Europa und dann international der Kapitalverkehr komplett freigegeben wurde und es seit dem möglich ist, die rentablen Assets in Defizit- Staaten erst komplett aufzukaufen bevor eine Währungsanpassung stattfinden kann.

Ich würde mal sagen, die Empirie zeigt, dass dies für die meisten Staaten und Bürger keine so gute Idee war, zumindest relativ. Die Ungleichheit steigt, die Sicherheit schwindet und bei nicht wenigen ist selbst die Grundversorgung nicht mehr (immer) gewährleistet, beziehungsweise war es seit Ende der Sowjetunion nie, wie bei einigen Staaten Osteuropas, und das selbst trotz „Friedensdividende“, da sollte man vielleicht auch mal z. B. bei Christopher Freeman (https://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Freeman) nachlesen wieso dies so ist. Und wegen Corona bekämpfen wir jetzt auch schon wieder nur einmalig die fehlende Schock- Resistenz des nicht aktiv wirtschaftlich und finanziell ausgeglichenen (internationalen) Markts anstatt generell aktiv für Stabilität und ethisch- faire Anteile für jeden zu sorgen. Staaten die aktuell nicht selbst Kapital, zu einem hinreichend niedrigen Zinssatz aufnehmen können, zur Bewältigung der aktuellen Krise, wird dieses durch die EU in einem hoffentlich im Rahmen des Möglichen ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt. Aber nur, wenn Sie den Vorgaben der EU- Institution in weitreichendem Umfang folgen. Also Austerität kann da allem Anschein nach schnell wieder gefordert werden, sonst gibt es kein Geld, wie man in meinem letzten Beitrag nachlesen kann.

Ein großer Problem von Staaten, die in Zwangssystemen wirtschaftlicher Freiheit aber ohne gemeinsame hinreichend handlungsfähige supranationale Institutionen verbunden sind, ist, dass der Anreiz in „Überschussstaaten“ kleiner wird den inländischen „Schweinehund“ zu überwinden und aktiv hinreichend etwas zum Ausgleichen der Wirtschaftskraft zu unternehmen. Da muss man schon an die langfristigen Kosten, auch für den „Schweinehund“ selbst, appellieren, aber wie schwer das ist, damit jemand zu erreichen sieht man ja am Klimawandel. Und die Verlockungen und Ausreden sind dann doch sehr groß, vielleicht zu groß sein. Und da ein Zusammenbruch Europas vor allem einigen anderen Staaten nutzen würde, wird es da bestimmt auch von der Seite aus weitere Verlockungen geben. Zumindest wäre es schon mal gut, wenn SPD- Vorsitzende beim Benennen der Wettbewerbsfähigkeit, welche tatsächlich in einem unausgeglichenem internationalem Markt sehr wichtig, als Schranke für Soziales auch gleich erwähnen würden an welcher „Messgröße“ sie denn festmachen wollen, ab wann wir denn Wettbewerbsfähig genug sind, um sowohl nach außen als auch nach innen wieder Raum für Soziales zu haben. Gleiches gilt natürlich für das „Gewinn- Ziel“ von CDU- Vorsitzenden. Kennt euer nationales Profitstreben soziale, ökologische und Sicherheits- orientierte Grenzen sowohl zum inneren wie auch zum äußeren Wohl?

Also nochmal:

Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur Erfüllung der Kundenwünsche.
Und da vor allem die von Natur aus begünstigten Standorte, sei es nun in Bezug auf die Produktionsbedingungen, eine logistisch vorteilhafte Lage oder einfach die Nähe zu den bevorzugten oder vorteilhaften Wohnorten der Kunden, doch recht unterschiedlich innerhalb wohl praktisch aller Märkte verteilt sind, wird auch der Markt, wenn er denn seine Hauptaufgabe erfüllt, für eine entsprechend ungleiche Verteilung der Produktionsfaktoren, sprich der Wirtschaftskraft,
sorgen. Also diese Ungleichverteilung ist gerade die Aufgabe des Marktes.

Für ein Ende des „Neoliberalismus“ brauchen wir Parlamentarier die dies auch so sehen. Bei Freiheit ist es so wie bei allem, Freiheit braucht Möglichkeiten und diese sind nun eben mal begrenzt. Deshalb muss der Grad der Freiheit des einen eben durch den ethisch fairen Grad an Freiheit der anderen begrenzt werden. Zuviel Freiheit für die einen bedeutet eben meist zu wenig Freiheit für die anderen.

Deshalb wenn ihr dies auch so seht und nicht sicher seit, dass schon genügend kandieren die dies auch sehen, dann kandiert selbst. Ich tue das auch. Und wählt Inhalte keine Parteien.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden