Internationaler Freihandel

Befürworter & Skeptiker Über seine ortsabhängige wirtschaftspolitische und - theoretische Gewichtung im Laufe der Zeit.

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Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, zu welchen Zeiten und an welchen Orten internationaler Freihandel, ohne einen erst zunehmenden, oder auch gar keinen, Ausgleichsmechanismus, wirtschaftlicher und/ oder finanzieller Art, (fast) ohne (Mindest- ) bedarfsgerechte transnationale wirtschaftliche Priorisierung und (fast) ohne nennenswerte nationale und/oder transnationale staatliche Regulierung, am meisten Zuspruch erfahren hatte und aktuell erfährt und die meisten Befürworter gewinnen konnte und dies aktuell tut, fällt einem schnell auf, dass dies vor allem in und von Staaten (durch ihre Regierenden), Interessenverbänden und Individuen erfolgt, welche dadurch zu diesem Zeitpunkt, einen aktuellen zumindest vordergründigen Vorteil erlangen konnten oder aktuell können, oder sich zumindest einen davon versprechen.

Das war zunächst zu Zeiten der Entstehung des Manchesterkapitalismus in England Mitte des 19. Jahrhunderts so. Die dadurch preiswerteren Inlands- Getreidemarktpreise hatten zwar tatsächlich in England zu einer Verbesserung der Versorgungssituation gerade der ärmeren Bevölkerungskreise geführt und durch den industriellen Produktivitätsvorsprung musste England auch keinen Handelsbilanzdefizit fürchten. Doch gleichzeitig mit der Freihandelspolitik kam dort auch die ideologische Auffassung "mit an die Macht", dass (transnationale) soziale Unterstützung sich nicht mit dem Ideal der Selbstverantwortung vertragen würde. Zusammen mit der nun unwirtschaftlicher gewordenen Getreideproduktion im Inland, führte dies dazu, dass dem politisch abhängigen Irland kaum Unterstützung während dessen Hungersnot Mitte zu dieser Zeit gewährt wurde.
(Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Manchesterliberalismus)

Dadurch das England innerhalb "seines Empires" durch seinen industriellen Produktivitätsvorsprung vom Freihandel profitieren konnte blieb dieser dort auch zumindest bis zum Beginn des 1. Weltkrieges 1914 vorherrschend.

Mit Teilen Kontinentaleuropas gab es für England zwar auch von 1860 bis 1880 mehr oder weniger eine Freihandelszone, diese wurde dann aber, da sie von den kontinentaleuropäischen Staaten als nicht förderlich eingestuft wurde wieder beendet ( siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzzollpolitik). In "Deutschland" wurde zum Beispiel wirtschaftspolitisch die Position der historischen Schule der Ökonomie (https://de.wikipedia.org/wiki/Historische_Schule_der_National%C3%B6konomie) weitgehend vorherrschend. Diese wurde stark von Gustav von Schmoller (https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_von_Schmoller_(%C3%96konom)) geprägt. Welcher für einen Mittelweg zwischen Staatssozialismus und Manchesterkapitalismus eintrat. Dazu hatte er den Verein für Socialpolitik (https://de.wikipedia.org/wiki/Verein_f%C3%BCr_Socialpolitik) mit gegründet. Der Staat sollte bei Bedarf intervenierend in den Binnen- und Außenhandel eingreifen. Zitat aus dem Wikipedia- Artikel:

"Hier veröffentlichte Schmoller eine Reihe großer Aufsätze über die brandenburgisch-preußische Wirtschaftspolitik im Zeitalter des Merkantilismus. Nach der schroffen Ablehnung des Merkantilismus durch die Liberalen wies er auf eine Reihe von Beispielen hin, in denen gerade merkantilistische Interventionspolitik weit eher im Interesse einer sozialen Harmonie zu wirken schien als die Politik der Liberalen."

Kurzer Schwenk zum Merkantilismus:
Im Merkantilismus wurde auch das Ziel postuliert Handelsüberschüsse zu erzielen. Da zu einem Überschuss aber auch immer ein Defizit gehört, kam David Ricardo's, politischer Ökonom, komparativer Vorteil (auch) bei den nach kooperativem Handel bestrebten Staaten zurecht, nach meiner Meinung, "in Mode". Dieser besagt, dass selbst Staaten die "überall" über einen Produktivitätsvorteil verfügen, auch von einem gemeinsamen Handel profitieren würden, da diese sich dann auf die Herstellung von Produkten mit dem größten Produktivitätsvorteil, dem größten komparativen Vorteil, konzentrieren könnten und dadurch profitieren könnten.

Nun hat aber nun einmal nicht jeder Staat die gleichen natürlichen Produktions- Standortbedingungen. Daran kann auch der komparative Vorteil nichts ändern, zumal noch bei freiem Kapitalverkehr und international garantierten Eigentumsschutz auch im Ausland. Da kann man dann den komparativen Vorteil des "Handelspartners" auch noch aufkaufen, wenn man gerade einen Überschuss im Handel erwirtschaftet, bevor es zu einer Währungswechselkursanpassung kommt. Diese allerdings auch nur, wenn man denn nicht auch noch eine gemeinsame Währung oder feste Wechselkurse vereinbart hat.

Damit wären wir dann auch bei Deutschland und den "Sparsamen Vier". (https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-wiederaufbaufonds-wie-sich-die-sparsamen-vier-gegen-den-750-milliarden-topf-wehren/25897112.html?ticket=ST-3243047-F6pdH2IkCJ0hAcM5oUBN-ap6).

Aktuell profitieren vor allem diese 5 Staaten, neben anderen, von einem internationalen Freihandel.

Und da sich leider auch wieder die Selbstverantwortungs- Ideologie, "unsoziale Ausrede" trifft es wohl besser, zusammen mit der Freimarkt- Ideologie durchgesetzt hat, wehren sich diese Regierungen und Teile der Bevölkerung mehr oder weniger stark gegen den für einen gemeinsamen Markt, meiner Meinung nach, da die Konzentrationskraft der Wirtschaft zu groß ist, so zwingend nötigen Ausgleich, gegen eine mindestbedarfsgerechte Priorisierung und gegen hinreichende Regulation.

Dabei hat selbst Herr Prof. Hayek (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek), von der österreichischen ökonomischen Schule, der eigentliche eher ein Gegenspieler (https://de.wikipedia.org/wiki/Colloque_Walter_Lippmann) auch der "alten" Ordoliberalen, welche gewissermaßen, teilweise wenn auch nicht hinreichend auf der Historischen Schule, und der mit dieser in Wechselwirkung gestandenen habenden "alten" Institutionenökonomik (https://de.wikipedia.org/wiki/Institutionen%C3%B6konomik), nicht mit der (neuen) die stand und steht wohl eher mit dem methodologischen Individualismus von Prof. Buchanan (https://de.wikipedia.org/wiki/James_M._Buchanan) in Wechselwirkung, aufgebaut hat, selbst zum Beispiel in seinem Buch "Die Verfassung der Freiheit" angemahnt, dass man zumindest auch anderen als sich selbst, soviel gewähren sollte, auch ohne unmittelbaren eigenen Nutzen, wenn man es denn kann, dass es auf den Straßen ruhig bleibt. "Zwischenstaatlich" sollten sich die "Selbstverantwortungs"- Ideologen und unsozial veranlagten Menschen dann auch schon aus Eigennutz daran erinnern, dass es auch wieder zu Kriegen in Europa kommen kann und wohl auch wird, wenn jeder nur blind seinen eigenen Vorteil sucht. Adams Smith's "unsichtbare Hand" wirkt höchstens für denjenigen der sich einen mindestbedarfsdeckenden Verbrauch auch leisten kann. Auf eine zumindest hinreichend ausgeglichene Entwicklung der Verteilung der Kaufkraft und der Wirtschaftskraft hat diese keinen positiven Effekt, zumindest keinen auch nur annähernd hinreichend bewiesenen.

Die Erwähnung von Herrn Hayek und Herrn Buchanan war auch deswegen nötig um zu zeigen, wessen ökonomischen Ideale und "Wertvorstellungen" in Deutschland und den 4 "sparsamen" Staaten nun aktuell vorherrscht und zwar nicht gerade immer unter "eigener Flagge".

Die Leitung des Walter Eucken (Alt- Ordoliberaler Ökonom) Instituts ( https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Eucken_Institut), hatte Herr Hayek noch selbst persönlich in den 1970er Jahren übernommen. Den Verein für Socialpolitik kann man wohl auch ohne jemand Unrecht zu tun aktuell als zumindest dem Neoliberalen, in Hayek'scher Prägung, und vor allem dem Freihandel auch bei fehlendem zwischenstaatlichen Ausgleich, zugeneigt bezeichnen.

Und selbst "Schmollers Jahrbuch" https://de.wikipedia.org/wiki/Schmollers_Jahrbuch wird nun von Prof. Nils Goldschmidt (Uni Siegen) (mit-) herausgegeben. Der ist oder war zumindest aber ebenfalls mit dem Walter Eucken Institut verbunden und beim "Minimalsozialen" Aufruf der Jenaer Allianz (https://de.wikipedia.org/wiki/Jenaer_Allianz) war er auch mit dabei. Den würde ich daher auch sehr viel eher beim Team Hayek/Buchanan verorten. Mag sein, dass ich ihm damit "Unrecht" tue, aber solange die Dominanz der "wertfreien" Ökonomie in Deutschland und bei den "sparsamen" 4 Staaten weiterhin so extrem bleibt, und diese Diskussion "https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/meet-the-economist-behind-the-one-percents-stealth-takeover-of-america" (wobei es bei uns auch um den nationalen Vorteil geht) und (https://www.eucken.de/institut/ehrenpraesident/buchanans-werk/) in Deutschland nicht endlich in hinreichendem Umfang geführt wird, bleibe ich bei "Walter Eucken Institutlern" sehr skeptisch und schaue genau hin.

Wir brauchen in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt endlich eine hinreichend offene und öffentliche Diskussion über eine sozial und ethisch, sicher und standhaft - im Sinne von international bestehen können - je nach innen und außen, vertretbare Wirtschaftspolitik, hinreichend ausgewogene, pluralistische und Werte widerspiegelnde, Ergebnis- orientierte, unideologische Forschung und Lehre.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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