Einschätzung zum seit 1.1.2023 geltenden neuen kommunalen Finanzausgleichs in RLP

LFAG u. KFA Aus Sozialer Sicht: Von den Proprietären und/oder ihren Ex?-Stasi-Freunden über den Tisch gezogen oder unter den gegebenen Umständen zumindest das Nötige, gleichbedeutend mit dem Maximum, rausgeholt?

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In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten ja leider die Ansicht zumindest politisch ausgebreitet, wenn auch nicht unbedingt verfestigt, dass das über den Markt erwirtschaftete eher nicht mehr mit dem Ziel der gleichen Lebensverhältnisse zwischen den Regionen und Menschen durch staatliche Umverteilung allen gleich zu Gute kommen soll.

Ob eine Gleichverteilung des Erwirtschafteten (Ertauschten) oder bereits zuvor besessenen, durch demokratisch herbeigeführten Mehrheitsbeschluss fair ist, hatte sich ja schon Aristoteles in „Politik“ gefragt.

Einige Wohlhabende oder Gutverdiener mögen es eben gar nicht wenn ihnen von dem wo sie überdurchschnittlich viel haben, was weggenommen wird, auch nicht durch einen demokratisch Staat.

Für die Frage der Fairness der Umverteilung ist natürlich erstmal zu klären, ob das Erwirtschaften unter fairen Bedingungen geschehen ist. Und ob das was man schon hatte (früher) unter fairen Bedingungen „zu einem gekommen“ ist.

Ein wichtiger Aspekt ist hier die Chancengleichheit. Hier ist dann wieder Diskriminierung und Ungleichheit der Aussstattung zu unterscheiden.

Diskriminierung wird in Deutschland ja durchaus in den letzten Jahrzehnten immer erfolgreicher bekämpft. Da kommt einem der Preisdruck des Marktes auch deutlich entgegen. Wenn man bestimmte Gruppen wegen ihrer Hautfarbe, Religion, Herkunft, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder sonst irgendetwas beim Auswählen über den Markt hinten anstellt, erleidet man dadurch einen Nachteil, eventuell einen den man sich nicht leisten kann. Diskriminierung muss man sich tatsächlich leisten können. Da braucht man schon hinreichend viele oder hinreichend Marktmächtige um das umsetzten zu können. Da wirkt der Preisdruck des Marktes positiv, aus meiner sozialen Sicht.

Aber das betrifft eben nur die Nicht- Leistungs-, Ergebnis- relevante Ungleichheit des Persönlichen. Für die Qualität eines Brotes ist es objektiv egal, ob der Bäcker katholisch oder evangelisch ist.

Anders sieht es schon aus von der eine Bäcker schneller mit seinen Händen Sachen von A nach B transportieren kann. Dann kann derjenige Bäcker mehr Brote pro Stunde backen. Genug Öfen vorausgesetzt. Wenn das ein angeborener Vorteil ist, hat A gegenüber B einen natürlichen Vorteil. Ist das fair? Gute Frage. Muss man sich eben einigen, wenn es beide fair finden sollen. Sonst ist es eine Frage der Macht. Wenn A jetzt mehr verdient oder gar nur A eingestellt wird, ist es halt die Frage was B jetzt machen kann um gleich viel oder erstmal genug zu verdienen. Also B könnte einen Job machen den er besser kann als A, er könnte Bäcker-Unternehmer werden und sich die Arbeitsleistung von A, oder gleich mehreren As dadurch zu nutze machen. Wäre das fair? Die Frage wird sich wohl nicht jeder mit dem hinreichenden universell moralischem Selbstanspruch stellen und bei den andern bleibt offen, ob sie sich einig werden.

B, oder wenn A durch B als Manager ausgebeutet wird auch A, könnte auch ein FairTrade Zertifikat ins Leben rufen, um die Kundenmacht zu seinen Gunsten fair als Korrektiv des reinen Preismechanismus zu nutzen. Das wäre dann eine positive Diskriminierung des Angebotenen, eben über das Kriterium fair oder nicht fair. Aber auch das müssen sich die wollenden Kunden erstmal leisten können.

Wenn das nicht hinreichend der Fall ist, die Mehrheit der Gesellschaft das aber aus fairen Gründen möchte kann sie und damit auch A oder B noch auf die staatliche Umverteilung, Regulierung und Priorisierung zurückgreifen, um diejenigen Mitbürger die nicht wollten, verpflichten, zwingen zu können. Wäre das gerecht? Damit sind wir dann wieder bei der Frage die schon Aristoteles stellte.

Die Bürger die das definitiv nicht wollen haben dann nur die Möglichkeit, den staatlichen Verteilungsspielraum zu beschränken oder sich auszugründen. Oder gleich die Macht zu übernehmen.

Vor allem die erste und zweite Möglichkeit ist durchaus als Ziel beliebt, auch wenn das nicht so gerne an zentraler Stelle öffentlich zugegeben wird. Vor allem das Atlas Netzwerk wird hier aktiv sein. Wobei Ausgründen meist eher auswandern und „Investitionsschutz“ dort wo man weg zog bedeutet.

Den aktuellen Einfluss dieser Kreise sollte man nicht unterschätzen. Zuerst in der Bildung/Wissenschaft, dann in den Medien und als Hauptziel politisch.

Über Bildung und Medien kann man dann erreichen, dass die Bevölkerungsmehrheit plötzlich das gleiche Fair findet was man auch schon immer gut fand. Oder es zumindest tolerieren wenn politisch sonst nichts mehr angeboten wird. Also nicht selbst kandidieren, eine Partei gründen.

Das bisher Gesagte hat die zwischen-menschliche Gleichheit und Verteilung betroffen.

Aber es gibt ja auch noch die regionale.

Hier bieten sich dann die Brote aus Region A und B zur Untersuchung. Wenn in einer Region C oder gar B selbst nur Brote aus B gekauft werden, obwohl A bessere und preiswertere Brote anbietet, weil dort keiner die Region A mag, ist das negativ diskriminierend. Das, da wirkt der Preismechanismus des Marktes dann positiv, muss sich diese Region aber auch erstmal leisten können.

Jetzt kann es aber auch sein, dass Region A und B gleichwertige Brote backen. Der Transport aus A aber mehr kostet wie aus B. Es in A öfters regnet und die Brote dadurch teurer werden, usw… Also natürliche Ungleichheit.

Oder Region B hatte früher mit dem Backen angefangen und hat dadurch jetzt einen historischen Vorteil gegenüber A. Den A erstmal aufholen müsste, aber aufpassen müsste, dass es von B, durch dessen aktuellen Vorteil, daran nicht gehindert wird.

Aber auf Erziehungszölle möchte ich jetzt nicht eingehen.

Also A hat in beiden fällen einen Nachteil und dadurch auf dem Markt mehr oder weniger das Nachsehen. Ist das fair?

Wiederum ist echter Konsens oder Macht entscheidend. FairTrade zum Ausnutzen der freiwilligen Nachfragemacht könnte A wie der Bäcker aus dem Beispiel ober anstreben. Oder die Bewohner aus A könnten nach B. Also entweder nur diejenigen die dort gewollt sind (was wird dann aus dem Rest von A?; auf eine Pro A Mehrheit in B hoffen, hin“arbeiten“?), oder von A erzwungen alle bis so viele wie A möchte. Dann sind wir aber nicht mehr beim Tauschen sondern beim Nehmen. Und da sind die negativen Folgen direkt ersichtlich, wenn man dabei keinen Konsens hat. Statt Hungertod, Tod durch das Schwert.

Oder in Region B zwingt eine demokratische Mehrheit oder eine nach außen Konsenswillige Minderheit den Rest in B dazu in einen Konsens mit A einzuwilligen.

Oder man einigt sich in einem beide Regionen umfassenden überregionalem Verbund, nennen wir das mal ein Bundesland, auf eine Regelung.

Damit wären wir dann beim kommunalen Finanzausgleich und auch direkt bei dem spezifischen in Rheinland-Pfalz.

Also dort hatte man sich schon zu Gründungszeiten auf den Weg einer demokratischen Regelung festgelegt.

Das war nach dem zweiten Weltkrieg, da war die Stimmung eher noch so, dass man lieber Gleichheit anstrebte, als die Gefahr durch zu viel Ungleichheit bis hin zu, zu wenig für einige wieder ein neues Massenabschlachten zu riskieren, noch so, dass es hier noch eher um echte gleiche Lebensverhältnisse ging.

Nun ist der zweite Weltkrieg aber bald 80 Jahre her. Roosevelts „New Dealer“ „eliminated, one after the other“ (Zitat Keynes) schon unter Truman, also aus der Regierung. Stattdessen haben halt die Proprietären (Piketty) Boden gut gemacht. Und Deutschland liegt mit seinen Standorten in Europa so günstig, dass man kaum hätte so viel falsch machen können, dass man nach der Wiedervereinigung nicht wieder riesige Handelsüberschüsse auf Kosten des Rests Europas anhäufen äh erwirtschaften können. Das war vor der Wiedervereinigung auch schon immer der Fall. Nur hatten da die andern noch hinreichende Druckmittel, um uns zum Handeln gegen die Überschüsse zu zwingen. Diese Druckmittel gibt es vor allem in der EU, dank des Zwangs zur Gewährung der 4 wirtschaftlichen und persönlichen Freiheiten aber nicht mehr. Stattdessen immer neue Ausreden und Schönreden kleiner nicht nachhaltig hinreichender Maßnahmen. Das ist nicht schön. Kaum für Deutschland selbst nachhaltig von Vorteil. Führt es doch zumindest wirtschaftlich und damit erstmal auch sozialpolitisch zu einem Gegeneinander in Europa statt zu einem Miteinander. Wenn einige sich streiten freut sich der Rest. Das macht es für den Rest verlockend diese Entwicklung noch zu befördern.

Aber wenn das reine Marktergebnis ohne Verteilungsanpassung von einem Staat als fair schöngeredet wird, um es nach außen besser „erzählen“ zu können, ist das wieder rum für die Regionen in diesem Staat schlecht, die durch eine inländische Verteilung besser gestellt werden würden oder gar nur so genug hätten. Für das Narrativ nach außen, werden deren (faire) Interessen dann leicht ignoriert.

So viel zur Ausgangposition bei der Ausarbeitung der Reform des Landesfinanzausgleichs in Rheinland-Pfalz, welche durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichtes 2020 bis zum Jahr 2023 erfolgen musste.

Zur Beurteilung dieser Reform schaut man sich am besten erstmal die Zielsetzung an. Geht es noch um gleiche Lebensverhältnisse? Hierzu schreibt das Landesfinanzministeriumhierselbst, dass es nur noch um Mindestbedarfssicherung geht. Mit Blick auf die EU ist man ja schon fast dazu geneigt ein sarkastischen „Immerhin“ dazu zu äußern.

Also hier hat sich so wohl das wenig soziale nur gemeinsame Grundsicherungs-Lager, dass bestimmt auch in Rheinland-Pfalz überall „Mitstreiter“ drin hat, eben genau dort durchgesetzt.

Wird das auch überall so deutlich kommuniziert? Wenn das Atlas-Netzwerk und Co. (durchaus auch Schmollers Saboteure) wirklich erfolgreich so vorgegangen sind, über kulturelle Hegemonieprojekte (Gramsci), also verschleiert Mehrheiten zu organisieren müsste es irgendein Narrativ geben um die neue Strategie der nur noch Mindestbedarfssicherung auch eher sozialen und/oder betroffenen besser verkaufen zu können. Und tatsächlich muss man nicht lange Suchen, um auf die Formulierung „gleichwertig“ zu stoßen. Das vermittelt den Eindruck, dass hier weiterhin das Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse verfolgt werden würde, nicht nur Begrenzung auf Mindestsicherung. In den Medien habe ich das öfters mal in diesem Zusammenhang gelesen. Und sieheda, gerade im Bildungsumfeld, taucht auch hier diese Formulierung, sogar so beschrieben, auf. Das passt zum Ziel über die Bildung die eigenen „Ideale“ mehrheitsfähig machen zu können. Hier heißt es „sowie die Erreichung und Wahrung möglichst gleichwertiger Lebensverhältnisse.„. Von Mindestsicherung wie es im Gesetz steht wird dagegen nichts direkt erwähnt nur „Im Fokus steht dabei die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung„.

DieEinschätzungeines SPD Landtagsabgeordneten auf die man bei einer Google-Suche zuvorderst stößt, spricht zumindest wieder offen von Mindestsicherung. Aber auch von einem bedarfsorientiertes Ausgleichssystem. Von Bedarfsgleichheit wird eigentlich dann gesprochen, um klar zu machen, dass man nicht einfach für das Gleiche für Ungleiche ist, nach dem Motto eine Hemdgröße für alle, sondern für den gleichen Bedarf deckende Gleichheit. Die einen brauchen halt mehr Stoff für ihre Hemden als die andern. Beim LFAG handelt es sich um ein Mindestbedarfsorientiertes Ausgleichssystem. Diese Einschätzung des Abgeordneten zeigt aber auch schön, wie man mit Einmalzahlungen, wie sie James M. Buchanan, ein 2013 verstorbener Sozialvertragstheoretiker des Atlas-Netzwerks, vorschlägt um Zustimmung zu proprietärer Anpassung von Verfassungsregeln zu erreichen. Immerhin ist der Schuldenerlass für die Kommunen recht üppig ausgefallen, Schade nur, dass im Reformgesetzt nach meiner bisherigen Prüfung zu stehen scheint, dass Ausgleichzahlungen zur Kommunalen Mindestbedarfssicherung mit Zahlungen des Schuldenerlassfonds verrechnet werden (können). Aber vielleicht, hoffentlich, hat sich das nur schlimmer angehört als es tatsächlich gedacht war/ist. Ein letzter Punkt den man den Experten des Atlas-Netzwerks nachsagt ist, dass sie feste Quoten, gerne durch Beträge ersetzten, die zwar nicht unbedingt fest sein müssen, aber jedes mal neu ausgehandelt werden müssen, wenn sich die Bedürfnisse geändert haben oder die Inflation die aktuellen Beträge „real“ reduziert hat.
Also keine automatische Dynamik sondern eine zustimmungspflichtige. Da kann man dann immer eine Gegenleistung fordern.

Und genau so scheint nach meiner bisherigen Prüfung der neue KFA ausgefallen zu sein: keine festen Quoten, immerhin keine festen Beträge, aber jeder Änderung muss neu zugestimmt werden, zumindest von der Regierung.

Also unterm Strich wurde hier der Beschluss des Landesgerichtes, ein Ausgleichssystem zu schaffen, dass den Kommunen immer unabhängig vom tatsächlichen Steueraufkommen eine Mindestausstattung garantiert, was bei nur festen Quoten nicht garantiert werden könne, so umgesetzt, dass es jetzt nur noch eine garantierte Mindestausstattung gibt, die noch dazu jedes Jahr neu bestimmt und zugestimmt werden muss. So zumindest der aktuelle Stand meiner Prüfung. Sozial schmackhaft wurde das ganze durch Formulierungen wie „gleichwertige Lebensverhältnisse“, „bedarfsorientiertes Ausgleichsystem“, durch eine Beibehaltung der Höhe nun eben freiwillig statt durch Gesetz- Anspruch und durch eine Einmalzahlung in Form eines Schuldenerlasses gemacht.

Zur Verteidigung des wirklich Ausgleichsbestrebten Lagers in der Koalitionsparlamentsmehrheit kann man sagen, dass hier eine Entscheidung getroffen werden musste und aus SPD und Grüne Sicht vielleicht/wohl kaum eine Mehrheit zu sozialerer Umverteilung drin gewesen wäre. Aber man muss hier wohl leider auch wieder zumindest von einem „halb zog es ihn, halb sank er hin sprechen“. Aber immerhin ist die Mindestausstattung bis zur nächsten Legislatur erstmal gesichert, dass kann man auf EU Ebene schon mal leider gar nicht sagen. Und für die nächste Wahl hat es der Bürger sowohl als Wähler, als auch als Kandidat ja auch wieder selbst in der Hand, für ein faires Wirtschaften und Verteilen für alle zu sorgen.

Mit Blick auf SPD und Grüne kann man so sagen: Na ja. Das Soziale lebt noch. Aber eher auf ordoliberaler (mehrere Generationen vermischt) Sparflamme.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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