Steuer- und Schuldenunion

EU Pro und Contra

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Ein Thema über das ich bisher noch nicht geschrieben habe ist eine Schuldenunion.

Sollte die EU wie die USA zumindest zu einem späteren Zeitpunkt auch zu einer Schuldenunion werden?

Also gemeinsam Schulden aufnehmen und auch die Bestandsschulden der Mitgliedsstaaten gemeinsam abbezahlen?

Hm.

Machen wir mal eine Pro- und Contra- Liste.

Zuerst mal Contra.

Die staatlichen Schulden sagen ja zunächst mal nichts darüber aus, wie vermögend ein Staat ist.
Zum einen muss man zunächst mal den staatlichen Besitz gegenrechnen. Also die Nettoschulden, wenn den welche übrig bleiben, das dürfte aber in der EU wohl bei allen Staaten der Fall sein, sind erstmal zu ermitteln.

Und dann muss man sehen wie hoch das Privatvermögen relativ zu den Schulden ist. Nicht jeder Staat hat gleich hohe Prozentsätze. Hier muss man zwischen Steuer- und Schuldenstaaten unterscheiden. Also zwischen denjenigen, die ihre Staatsausgaben, primär durch Steuerzahlungen finanziert haben und solchen die lieber ihrem Staat Geld geliehen haben, damit dieser das durch Einnahmen wieder abbezahlen kann.

Und es ist zu unterscheiden, ob ein Staat, vor allem bei seiner eigenen Bevölkerung verschuldet ist, oder im Ausland. Und ob in eigener Währung oder ausländischer. Ob er und sein Staatsvolk verschwenderischer gelebt hat, aktuell lebt und eventuell leben wird als andere. Usw.

Es ist also zunächst mal zu klären, welcher Anteil der Staatsschulden von der eigenen Bevölkerung fairerweise auf jeden Fall weiterhin alleine, und nicht gemeinschaftlich zu tragen, bzw. abzutragen ist.

Außerdem ist zumindest aus reiner Interessen- Sicht zu prüfen, ob man sich bei einer Erweiterung einer Schuldenunion, die auch erstmal nur aus einem selbst bestehen kann, nicht allzu sehr verschlechtert. Eventuell sogar soweit, dass es für einen selbst kritisch wird. Auch das ist wieder eine Frage der Fairness. Und in wieweit man eher Werte- oder Interessen- gebunden vorgehen möchte.

Nun aber zum Pro.

Bei uns in der EU gibt es ja, bekanntlich einen Zwang für die einzelnen Nationalstaaten sich gegenseitig die 4 wirtschaftlichen und individuellen Freiheiten für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen zu gewähren.
Also genau zwei von drei der klassischen Produktionsfaktoren. Und die Endprodukte. Nur der Boden, also die Standorte nicht. Die können eben nicht wandern. Nur ist es eben wie schon so häufig angemerkt eben die „Aufgabe“ des Marktes, die Produktionsfaktoren, bezogen auf den Preis, bestmöglich zu kombinieren.

Und nun ratet mal zu welchen Standorten, die Leute und das Kapital dann wandern (müssen).

Richtig. Zu denjenigen mit den optimalsten Wirtschaftsbedingungen, die können entweder historisch gewachsen so sein oder von Natur aus. Und diese Standorte sind nun mal eben unterschiedlich verteilt. Und durch Synergieeffekte wird der Sog erstmal immer stärker.

Also Kapital und Personen werden in der Mehrzahl der Fälle ungleich verteilt, wenn man einen gemeinsamen „freien“ Markt erstmals etabliert.

Aber Kapital und Personen zahlen Steuern. Und mit denen werden u.a. Schulden abbezahlt.

Nun werden die Schulden aber im Zielland abbezahlt und nicht im Herkunftsland.

Also zusätzlich zur steigenden sozialen Last für die zuhause gebliebenen kommt dann auch noch eine höhere Prokopfverschuldung daher. Und wenn die Arbeitsplätze wandern haben auch die Arbeitnehmer kaum eine andere Wahl als mitzuwandern.

Also dass es dann fair ist, auch einen Teil der Schulden mit zu übernehmen, sollte wohl allen klar sein.

Es gilt eben, wenn man gemeinsam wirtschaftet muss man hinterher auch fair teilen, sonst kann man nicht gemeinsam wirtschaften. Und das gilt auch für Schulden.

Außerdem wird die Neuverschuldung in Staaten mit abwanderndem Kapital und Personen meist von den Zinsen her teurer, zumindest relativ, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Zahlungsfähigkeit dieser Staaten wegen der nun relativ höheren Schulden schlechter werden.

Wenn man das Land verlässt muss man ja Steuern und Sozialabgaben dort zahlen. Zusätzlich zum Konsum der dort stattfindet.

Also man muss schon sehr unfair veranlagt sein oder zu einem Übermaß an Selbsttäuschung neigen, wenn man da nicht zumindest für eine fair anteilige Übernahme von Bestands- und Neuschulden ist. Und sehr optimistisch bezüglich zukünftiger Unruhen. Und nochmal. Diejenigen die kommen werden irgendwann wohl mal die Mehrheit der Wähler in Deutschland stellen. Sollten wir, die alteingesessenen, den nachfolgenden Generationen der Alteingesessenen dann wirklich eine so hohe unmoralische Hypothek mit auf den Weg geben, solange wir noch die Mehrheit haben, alles, auch noch unfair, blockiert zu haben, was das Leben der Zurückgeblieben aus den Herkunftsländern verbessert bis weniger verelendet hätte?

Und der Unterschied zwischen den östlichen und den südlichen EU- Staaten ist, dass die östlichen ihre alte Industrie mehr oder weniger sofort verloren hatten, da die gar nicht konkurrenzfähig war. Da gab es also sehr schnell gar nichts mehr, weit weniger als nötig. Deshalb passte sich dort recht zügig eine neue nationale Wirtschaft auf niedrigem Niveau an den EU- Binnenmarkt und die „freie“ Weltwirtschaft an. Das durchaus spürbar dort vorhandene Elend, vor allem im Südosten, wurde erstmal als „normal“ und unvermeindlich hingenommen. Als ob es Friedrich List und Chris Freeman, und die Lehre der Erziehungszölle, nie gegeben hätte.

Deshalb wirken die aktuell auch auf manche eher wie die Gewinner der EU. Die haben eben einen gewaltigen historischen Rückstand. Deshalb wirken da auch schon geringe Investitionszahlungen sehr viel stärker. Außerdem sind diese Staaten eben unmittelbar abhängig von Hilfszahlungen der EU und auch da braucht es weniger für das gleiche Resultat als wie in Griechenland zum Beispiel.

Das macht den Osten der EU eben zu billigen Verbündeten der Nord- EU Staaten mit ihren Standortvorteilen.

Anstatt das sich zügig eine Süd- Ost EU- Koalition bilden könnte. Im alten Süden findet die Anpassung nach unter eben schleichender statt. Mag sein, dass sich in der EU mal ein neues Zwischen- Gleichgewicht einstellt, dann ist der Süden aber schlechter gestellt als vorher. Und zumindest auf dem Weg dorthin kann es, und kommt es ja schon mehr oder weniger stark zu schlechterer Versorgung und Elend.

Außerdem bewirkt „Schumpeter’s kreative Zerstörung“ ja mit Sicherheit immer mal wieder neue Wanderbewegungen. Eventuell auch mal in eine andere Richtung. Mit neuem Elend wenn zuviel Kapital und Personal abfließt und es keinen hinreichenden fairen Ausgleich gibt.

Aber zurück zur Schuldenunion.

Interessant ist ja auch die Frage was man, über den Staat umverteilen/umsteuern will, Investitionen oder Konsum bzw. Kaufkraft oder Schuldentilgung.

Konsum und Schulden, außer Umschuldung, sollten meiner Ansicht nach über Steuern umverteilt werden. Also die Zuschüsse für die Daheimgebliebenen, bzw. die Ausgleichszahlungen für einen gleichmäßigeren Konsum in der EU sollten unbedingt durch Prozentanteile an Steuern finanziert werden und nicht über Schulden. Denn länger andauernder Schulden- basierter Konsum und Zinstilgung ist nun wirklich der sichere Weg in die Überschuldung. Zur Not kann man, wenn man als gemeinsame Institution nur über die EZB verfügt, und da jemand „Verbündetes“ am Hebel ist, da mit Hilfe von MMT Maßnahmen noch was „monetär“ umverteilen. Aber das ist dann eher ein suboptimaler Workaround. Aber besser als nichts. Eventuell ein berechtigter Grund für den Süden lieber im Euro zu bleiben als sein Glück ohne hinreichend viele Verbündete alleine mit einer eigenen Währung zu versuchen. Aber das sind Abwägungsfragen.

Anders sieht es bei staatlichen Investitionen aus, die sollen ja im Idealfall zukünftig deckende Einnahmen über den Konsum generieren. Dann kann man den Investoren durchaus fairerweise, unter Berücksichtigung der Risikoübernahme, mit Zinsen ihre dem Staat überlassenen Mittel wieder später zurückzahlen. Es soll ja kein Investor bei staatlichen Investitonsprojekten, zumindest relativ, spürbar schlechter gestellt werden als bei privaten. Investitionen sollen ja zukünftigen Konsum ermöglich und Konsum „nur“ kurzfristig „satt machen“.

Also bleibt zum Abschluss festzuhalten, wer gemeinsam wirtschaftet muss fairerweise und meist auch schon im längerfristigem eigenen Interesse auch seine Schulden fair gemeinsam bewirtschaften. Sonst kann man nicht zusammenwirtschaften. Und das können wir uns als Import- abhängiges Land nun wirklich nicht leisten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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