Streit Obama- Merkel bei G20- Gipfel 2010

Leistungsbilanzüberschuss Seoul G20- Gipfel 2010 Forderung von Barack Obama: Überschüsse begrenzen; Antwort von Angela Merkel : Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels

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Ich hatte mich ja gerade letzten Samstag in meinem letzten Community- Beitrag (https://www.freitag.de/autoren/kslp/gatt-vertraege-1947) darüber gewundert, was aus dem einem der beiden ursprünglichen GATT- Zielen „Ausgleich der Zahlungsbilanzen“ geworden ist.

Zumindest 2010 hatte der damalige US- Präsident Barack Obama dieses Ziel, das damals als Garant einer stabilen Weltwirtschaft gegolten hatte, nochmals ausdrücklich genannt.

Damals forderte er auf dem G20- Gipfel in Seoul die globale Begrenzung von Leistungsbilanzüberschüssen auf einen festen Prozentwert des BIPs, damit sich die Wirtschaftskraft gleichmäßiger über die Staaten der Welt verteilen sollte.

Diese Forderung entsprach also weitgehend den Regeln der aus den Lehren der beiden Weltkriegen ersonnen, den Zielen der Kooperation und Stabilität dienenden, neuen Weltwirtschaftsordnung:

Die Erschaffung eines möglichst zollfreien gemeinsamen Weltmarktes eingebettet in eine kooperative, der Stabilität verpflichtete Ausgleichsunion der beteiligten Staaten.

Die Antwort der damaligen, wie gegenwärtigen, deutschen Kanzlerin Angela Merkel war:
„Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels.“ (Quelle:https://www.zeit.de/news-112010/11/HAUPTGESCHICHTE-G20-GIPFEL-DONNERSTAG27222114xml)

Nun würde ich Frau Merkel einmal nicht unterstellen wollen, dass Sie damals eine Anhängerin eines Laissez-faire Weltmarktes gewesen wäre oder es heute ist, sie hatte damals ja auch gesagt, dass sie gegen Handelsungleichgewichte sei, nur halte sie „eine politische Festlegung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite (…) weder“ für „ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen“ und „Wir können über Ungleichgewichte auf der Welt sprechen. Aber wir können dafür nicht die Differenz aus Export und Import nehmen.“

Da stellt sich einem natürlich direkt die Frage: Ja welche „Zahlen“ sollen denn besser darüber Auskunft geben, ob ein Staat vom gemeinsamen freien Markt, welcher keine Selbstverständlichkeit ist, profitiert? Staaten mit einem hohen Importbedarf an Rohstoffen, wie Deutschland, sind nun einmal auf einen Weltmarkt angewiesen der offen genug ist, damit diese Staaten zu annehmbaren Bedingungen genug exportieren können um ihren Importbedarf auszugleichen.

Also gerade solche Staaten sollten darauf achten, dass zumindest qualitativ genügend andere Staaten, und bei Demokratien zumindest die Mehrheit ihrer Bevölkerungen, ein Interesse daran haben, dass der Welthandel frei und fair genug bleibt. Und die Arbeitsbedingungen zumindest annehmbar. Und eine gemeinsame Priorisierung der Deckung des Mindestbedarfs wäre natürlich auch nicht schlecht. Vor allem im Hinblick auf das gern genannte Ziel „Frieden und Freiheit“. Der unnötige Hunger der anderen ist diesem Ziel meist abträglich, vor allem auch seiner ethischen Legitimation.

Aber zurück zu Frau Merkel, wenn man sich dann als Regierungschefin eines solchen Staates allen erstes hinstellt, und von sich gibt, dass das Verhältnis von Export und Import keine Kennzahl für Handelsungleichgewichte sei, sollte man sich doch mal überlegen, ob man sich nicht besser andere ökonomische Berater zulegt oder selbst mal nachdenkt bzw. über seine Gedanken und Intentionen reflektieren sollte. Es wäre Interessant zu erfahren, wie Frau Merkel nun, fast 10 Jahre später, darüber denkt.

Nachdem Herr Obama mit seiner Forderung damals ziemlich alleine da stand und sie deshalb zurückgezogen hatte, haben wir nun seit fast 4 Jahren einen US- Präsidenten Trump.

Und die Staaten mit einem aktuellen Leistungsbilanz- Defizit in der Eurogruppe hätten es nun nachdem sie bereits ein Jahr später mit dem „Europäischen Semester“ und dem „Gesamtwirtschaftliches Ungleichgewichtsverfahren“ ebenfalls Gremien und Verfahren zum Ausgleich von Ungleichgewichten inklusive einer Kennzahl für ein Höchstmaß an vertretbaren Leistungsbilanzdifferenzen kreiert hatten, wohl sehr viel leichter, wenn Sie den damaligen US- Präsidenten Obama damals nicht so alleine hätten stehen lassen. Denn viel getan hat Deutschland immer noch nicht um seinen Leistungsbilanzüberschuss abzubauen.
Zumal dieser bei einer gemeinsamen Währung oder gekoppelten Währungen, wie bei Bretton Woods und GATT damals, noch um einiges schwerer wiegt als bei getrennten Währungen mit der Option für automatische Wechselkursanpassungen. Aber auch dort kommt es bei Handelsbilanzdifferenzen durch die Option den anderen Staat erst mal „leerzukaufen“ selten früh genug zu den für einen ausgeglichen Handel nötigen Wechselkursanpassungen.

Also für Deutschland wäre es sehr viel ratsamer sich mit einem Export zu begnügen, welcher seinen Bedarf deckt, als einen Überschuss an Arbeit zu verteidigen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Weltmarkt demnächst, durch übertriebene Schutzmaßnahmen der anderen nicht mehr frei genug ist, da die übrigen Staaten nicht mehr einen Freihandel mit einem unkooperativen Staat mit Standorten mit besseren Produktionsbedingungen akzeptieren wollen, oder dass man später mal, wenn man selbst mal wieder zu wenig exportieren kann, wie Anfang der 1930er Jahren, da die eigenen Standorte doch nicht dauerhaft soviel vorteilhafter waren, und auf einen Ausgleich der Weltwirtschaftsgewichte angewiesen ist, es dann aber keine genügend kooperative Weltgemeinschaft gibt, bzw. man dann nicht unterstützt wird, da man selbst auch nicht unterstützt hat.

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Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

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