Totalsanktionen für das Bürgergeld

Von 0 auf 100? Was hat der Bundesarbeits- und - sozialminister Hubertus Heil nun wirklich vor?

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Was hat der Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil nun wirklich vor mit dem Sanktionsrecht beim Bürgergeld?

Kommen jetzt Totalsanktionen? [Liebe "WirRedenLieberÜberMethodikAlsInhalte"-MitBürger: Ja bei 100% kann man von Total sprechen. Also statt 100%- Sanktionen von Totalsanktionen - Aber nun wieder zurück zum Inhalt :)]

Wenn man nach Totalsanktionen im Internet sucht, kommt man zu einem inhaltlich wirklich gutem und informativem Beitrag im Verfassungsblog: https://verfassungsblog.de/totalverweigerung-des-existenzminimums/

Dort heißt es, dass es, wie man hier nachlesen kann http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2003/2003-09-05-Hartz-IV-03-12-23-BA-Uebersicht.pdf solche Totalsanktionen schon seit 2003, also seit Hartz4 eingeführt wurde, gab.

Einen unmittelbaren Lebensmittelentzug stellte das aber nicht automatisch da, da die Arbeitsagenturen Lebensmittelgutscheine, auf Antrag, verteilen konnten. [https://www.buzer.de/gesetz/2602/al170699-0.htm]. Wohl ab nicht mussten. Also ein Missbrauchsrisiko durch BA-Mitarbeiter bestand auch hier schon.

2019 wurden dann Sanktionen von über 30% als verfassungswidrig angesehen[ und 2022 durch das neue Bürgergeld-Gesetz entsprechend gesetzlich verankert] da so die menschenwürdige Existenzsicherung nicht mehr gesichert wäre. Allerdings gab es zum Abschluss dieses Urteils eine Passage, wie hier, https://verfassungsblog.de/totalverweigerung-des-existenzminimums/, schön dargestellt, die unter bestimmten Gründen schon die Bedürftigkeit ausschloss, indem schon die Fähigkeit zu Annahme einer Arbeit, mit Vermögen und Einkommen gleichgesetzt wurde. Also wer ein konkretes Arbeitsangebot hat, wäre nicht mehr bedürftig. Dies verlagert, dass Problem, dass eine Arbeitsleistung erst erbracht werden muss, also das Motivationsproblem auf den Arbeitsablehnenden, bzw. auf denjenigen der morgens nicht aus dem Bett kommt. Also wer seinen inneren Schweinhund diesbezüglich nicht hinreichend überwinden kann, kann laut dieser Zusatzpassage im Verfassungsgerichtsurteil von 2019 wohl auch seine staatliche Lebensmittelversorgung verlieren.

Soweit scheint die Bundesregierung laut dem Verfassungsblog-Beitrag aber nicht gehen zu wollen, in einem solchen Fall soll vorher die Härtefall-Regelung greifen und Sanktionen gar nicht erst angewandt werden können. Hoffen wir mal das dies so bleibt und dann auch verbindlich für alle Bundesagenturen für Arbeit so gilt.

Denn auch für jemand der sich nicht hinreichend zum Arbeiten selbst motivieren kann gilt: Wem man seine Ansprüche nicht erfüllt, den muss man zur Not abhalten können. Und wenn der Hunger kommt ist wohl auch der innere Schweinehund Nahrungs-beschaffungsbereit. Halt zu direkter Existenzsicherungsarbeit und nicht als Tauschleistung. Also den wird man wohl wegsperren müssen. Das kostet wohl mehr als Lebensmittel... Außer der oder die ist depressiv und wird auch bei Hunger nicht aktiv, hier ist halt die Frage, ob das Verfassungsgericht hier dann auch eine Bedürftigkeitsstreichung für legal hält, wohl, hoffentlich, nicht.

Also bevor Sanktionen jenseits von 30% verhängt werden dürfen muss auf jeden Fall noch das SGB II geändert werden. Da hatte der Bundeshaushalt 2024 keine neue Rechtslage geschaffen. Nur Budget schon mal gestrichen.

Der Grundsatz: "In Deutschland stellt schon der Staat sicher, dass keinem finanzielle Mittel fehlen um nicht zu hungern oder verhungern, solange genug da ist.", sollte also zumindest wenn man nichts verschüttet weiter gelten, wenn man der Darstellung im Verfassungsblog-Beitrag folgt.

Allerdings hat Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, dies bisher noch nicht bestätigt, ganz im Gegenteil nur von Heiz- und Wohnkosten Weiterzahlung gesprochen. Und das als jemand, der soweit ich mich erinnere gerne die Sozialsicherung durch ein Recht auf Arbeit ersetzen würde. Und der gerade mit der FDP koaliert, bei der man schon froh sein kann, wenn sie nicht einfach die Sozialhilfe durch ein Recht auf Steuerbefreiung ersetzen möchte. Gerne auch durch "kulturelle Hegemonieprojekte" mehrheitsfähig gemacht.

Also nachdem ich 15 Jahre lang die Wirkung und das unfaire zustande kommen unseres Außenbeitrag übersehen hatte und dachte wir wären gute und stabile Europäer, bin ich skeptisch geworden was die Einhaltung sozialer Mindeststandards auch schon durch die SPD angeht, egal ob jetzt aus versehen nicht oder mit Absicht.

Arbeitsverweigerung rechtfertigt keine Lebensmittelentzugsstrafen und auch keine juristischen Spitzfindigkeiten, dass jemand der arbeiten könnte, ja mit Vermögenden und sonstige Einkommensbeziehern gleich gesetzt werden könnte. Auch ein Arbeitsfähiger muss es erst schaffen sich zu überwinden zu arbeiten. Vermögen und Einkommen ist direkt da. Also fehlende Überwindungsfähigkeit rechtfertigt keine Lebensmittelentzugsstrafen. Ich hoffe mal das sieht die Bundesregierung auch so, das Bundesverfassungsgericht ja leider nicht unbedingt.

Und auch das Bundesgesetz für den Haushalt 24 stellt nicht klar, dass Hunger als Härtefall gilt, auch wenn von fehlender Bedürftigkeit ausgegangen wird. Daher appelliere ich weiter an die Bundesregierung, dass der Grundsatz: "In Deutschland stellt schon der Staat sicher, dass keinem finanzielle Mittel fehlen um nicht zu hungern oder zu verhungern, solange genug da ist." ,zumindest wenn man nicht zu viel verschüttet, weiter gilt. Solche Grundsätze sind nicht nur für die Betroffenen und denjenigen denen unmittelbar oder mittelbar an jenen was liegt wichtig, sondern auch für die "Genug Für Alle - Fraktion".

Wobei "Genug für alle" aber natürlich auch die Erbringen von Arbeit erfordert. Also wenn zu Viele nötige Arbeit ablehnen muss man sich tatsächlich was überlegen. Dafür braucht man aber eine allgemeine Arbeitspflicht für solche Tätigkeit, unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes. Das ist dann wie bei der Wehrpflicht als eine besondere Art von Arbeit. Aber die Regierung spricht aktuell ja von einer bestimmten kleinen Gruppe, die sie gerne Totalsanktionieren würde, wenn diese zumutbare, also nicht mal explizit nötige Arbeit ablehnen. Also eine gesellschaftliche Nötigkeit für diese Sanktionen, z.B. um genug Arbeit zu sichern wird hier explizit verneint.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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