"Fear": Fulminante Abrechnung mit AfD, Pegida

Premieren-Kritik Am Sonntag hatte Falk Richters neues Stück "Fear" an der Berliner Schaubühne Premiere.

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„Hässliche hassende Frauen“ könnte das Stück heißen, ätzt Tilman Strauß. Oder „Kelle, Kuby, von Storch“ in Anlehnung an „Ritter, Dene, Voss“, legt er nach. „Aber das wollten wir Dir nicht antun, Ilse“, ruft er Ilse Ritter zu, seiner Bühnenpartnerin aus Falk Richters vorheriger Arbeit „Never Forever“, die in einer der ersten Reihen sitzt.

Es ist auch nicht notwendig, sich noch weiter den Kopf über einen alternativen Titel für die neueste Stückentwicklung von Falk Richter zu machen: „Fear“ ist die passende Überschrift für diesen zweistündigen Streifzug durch wabernde Ängste vor Islamisierung und durch Hasspredigten. Diese bunte, temporeiche Collage ist – wie wir es von Falk Richter gewohnt sind – mit tänzerischen Elementen verknüpft, für die an diesem Abend vor allem Denis Kuhnert, Frank Willens und Jakob Yaw zuständig sind.

„Fear“ ist eine fulminante Abrechnung mit AfD, Pegida und Co., ganz auf der Höhe der Zeit. Von Akif Pirinçcis „KZ“-Rede, die mittlerweile ein Fall für den Staatsanwalt ist, bis zu Björn Höckes Deutschland-Fahnen-Auftritt bei Jauch wurde bei den Endproben aktuellstes Zitate- und Video-Material aufgenommen.

Schlag auf Schlag geht es von einem Pamphlet zum nächsten Einspieler. Gut recherchiert werden nicht nur die bekannten Köpfe der rechtspopulistischen Bewegung zitiert, sondern Bezüge hergestellt, Netzwerke aufgezeigt und auch einige Namen genannt, die der breiten Öffentlichkeit noch nicht so bekannt sind. Zu Wort kommen natürlich die Demo-Teilnehmer, die treuherzig darauf pochen, dass sie ganz bestimmt keine Nazis seien, aber man müsse doch mal sagen dürfen…

Als diese Auseinandersetzung mit Pegida, AfD und Co. im Sommer von der Schaubühne angekündigt worden war, wähnten sich viele noch in dem Glauben, dass das Randphänomene seien, die sie nichts angingen und bald vergessen seien. Die AfD schien sich in parteiinternen Machtkämpfen vor allem mit sich selbst zu beschäftigen. „Im Sommer noch hätte Veranlassung bestanden, das Ende von Pegida zu prognostizieren. Von einer Bewegung, die Zehntausende zu mobilisieren vermochte, war eine kleine Gruppe dauerprotestierender wütender Bürger übrig geblieben“, leitete Hans Vorländer seine Pegida-Analyse in der FAZ ein.

Falk Richter und seinem Ensemble geht es darum, dass wir genau hinsehen, uns mit dem Denken und der Sprache derer auseinandersetzen, die Ängste schüren, Minderheiten beschimpfen und Hass säen. Wenn Bernardo Arrias Porras zu Beginn die Haltung eines Hipsters karikiert, der lieber auf Dachterrassen feiere und Serie wie „True Detective“ gucke, weil ihn diese Proteste irgendwo in Dresden oder Heidenau doch nichts angingen, dann wird sehr deutlich: So einfach dürfen wir es uns nicht machen.

Gegen Ende drohte diesem hochtourig rasenden Abend etwas die Luft auszugehen. Aber da musste er offensichtlich noch mal Atem holen, bevor er in einer Travestie-Nummer kulminiert, die ihr Publikum auch weiter polarisieren wird: Tilman Strauß schlüpft in ein Glitzer-Abendkleid und gibt sich als AfD-Europaparlamentarierin Beatrix von Storch aus, die ihre Ahnen ihres Adelsgeschlechts beschwört und auf ihrem Schloss von nächtlichen Angstattacken vor Überfremdung geplagt wird.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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