Glücklich wie Lazzaro

Film-Kritik Der italienischen Regisseurin Alice Rohrwacher gelang ein raffiniertes Spiel mit verschiedenen Stilen.

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n der ersten Hälfte der knapp zwei Stunden wähnt man sich in einem neorealistischen Sozialdrama, das von der Not der Dorfbewohner von Inviolata erzählt. Die Marchesa de Luna (Nicoletta Braschi, bekannt aus „Das Leben ist schön“ ihres Ehemanns Roberto Benigni) beutet sie skrupellos wie Leibeigene aus und behält ihren Lohn ein, so dass sich die Menschen, die auf ihren Tabakplantagen schuften, immer tiefer in die Abhängigkeit und Verschuldung verstricken.

Der Einzige, der das Elend mit einem Lächeln und gelassener Fröhlichkeit erträgt, ist „Lazzaro“. Er steht ganz unten in der Hierarchie, wird von den Ausgebeuteten für Hilfs- und Handlangerdienste schamlos ausgenutzt. Rohrwacher erzählt diese Geschichte von Armut und Ungerechtigkeit sehr präzise: in bleichen, ausgewaschenen Farben schildert sie das Elend der Dorfbewohner. Die leicht gelbstichigen Bilder scheinen aus einer längst überwundenen Zeit zu stammen. Betont langsam, oft geradezu langatmig scheint „Glücklich wie Lazzaro“ als Historienpanorama die Zustände im 18. oder 19. Jahrhundert schildern zu wollen. Das Kinopublikum ist eingeladen, es sich im Sessel bequem zu machen und sich in das Elend einzufühlen.

Als die ersten Besucher wohlig wegdämmern, erweist sich das Historiendrama als falsche Fährte. Kleine Irritationsmomente gab es schon vorher, z.B. den Lancia der als „Giftschlange“ gefürchteten Plantagen-Besitzerin oder den Walkman ihres ebenso viel wie sie qualmenden, vom Raucherhusten geplagten, schnöseligen Sohnes. Der Film „Glücklich wie Lazzaro“ verschreibt sich nun dem magischen Realismus. „Lazzaro“ stürzte an einer Steilwand in die Tiefe – und feiert völlig unverletzt seine Wiederauferstehung. Motive aus der biblischen Legende des Lazarus werden in die Handlung eingeflochten, die nun immer sprunghaftere Wendungen nimmt. Wie das Vorbild aus der Mythologie kann auch der „Lazzaro“ im Film nach seiner Wiederauferstehung Tierarten, die längst als ausgestorben galten, entdecken.

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