Mit Schirm, Charme, Melone und wenig Tiefgang

"Münchhausen"-Kritik Milan Peschels "münchhausen"-Solo ist eine Co-Produktion der Ruhrfestspiele Recklinghausen und des Deutschen Theaters Berlin.

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Ein vertrautes Gesicht kommt zurück auf die Bühne: Milan Peschel, eine der Größen vergangener Volksbühnen-Zeiten (1997-2008) und ein Eckpfeiler des Gorki der Petras-Ära, der zuletzt eher auf der Kinoleinwand zu sehen war, linst hinter dem mit kitschig-blauen Wolken bedruckten Vorhang hervor. Mit Schirm, Charme, Melone und einer kleinen Verspätung kommt er auf die Bühne. Da sein Bühnenpartner, ein Franzose, der mittlerweile bei „Zalando“ arbeitet, um die Familie zu ernähren, nicht auftaucht, plaudert Peschel erst mal los.

Einige Anekdoten dieses münchhausen-Solos, zu dem erst kurz vor Schluss Martin Otting hinzustößt, sind ganz hübsch anzuhören: an Champions League-Abenden spielen einige Kollegen extra schnell, um noch rechtzeitig zu Bier und Chips auf die Couch zu kommen. Die Frauen sind davon genervt und spielen provozierend langsam. Milan Peschel erzählt mit seinem charakteristischen schelmischen Grinsen, dass er an solchen Abenden dann gerne mit Tempo-Variationen noch zusätzliche Verwirrung stiftet. Auch seine Frank Castorf-Parodie sorgt für einige Lacher: Peschel malt sich aus, wie sein alter Kumpel ihn demnächst wieder anrufen wird, dass er doch dringend einspringen müsse, da einige Kollegen die Exzesse der Berlin-Premiere der siebenstündigen „Brüder Karamasow“ nicht überstehen.

Für eine gute Stunde könnte so ein Abend wunderbar funktionieren. Aber die fast zwei Stunden nehmen leider Kurs auf seichte Gewässer: Zwischen Zigarettenqualm und Bierkonsum tigert Peschel durch das Gerümpel auf der Hinterbühne und bittet einen älteren Herrn auf die Bühne, dem er Uralt-Kalauer erzählt. Sehr verständlich, dass ein älteres Ehepaar zum Ausgang flüchten will, dabei aber in die falsche Richtung irrt. Peschel ist so charmant, eine kurze Pause in seinen Monolog einzulegen und den beiden anzubieten: „Gehen Sie doch einfach hier vorne vorbei“. Er vergisst auch nicht, den beiden noch ein „Schönes Wochenende“ zu wünschen.

In den Monolog streut er Ausschnitte aus alten Tschechow-Aufführungen und vor allem aus der „Anna Karenina“-Inszenierung, die er mit Fritzi Haberlandt in der Regie von Jan Bosse am Haus von Armin Petras spielte. Petras und Bosse waren auch an diesem „münchhausen“-Abend beteiligt: der eine schrieb die Vorlage, der andere führte wieder Regie.

Als dritten Themenstrang hat Peschel einige Reflexionen über den Theaterbetrieb eingeflochten. Zwischen Slapstick, einem „Aufhören!“-Zwischenruf, den Peschel mit einem knappen „Neee, geht noch weiter!“ an sich abprallen lässt, und dem nächsten Schluck Bier finden sich zwar immer wieder auch ein paar nachdenkliche und nachdenkenswerte Sätze, „Was zum Mitnehmen“, denn das Publikum soll ja „nicht nur Faxen konsumieren“. Aber die Durststrecken dieses Abends sind zu lang, so dass es keine Überraschung ist, dass einige Peschels Parole „Da müssen wir gemeinsam durch!“ nicht länger folgen wollen.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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