"Trump"-Performance aus Dortmund

Theater-Kritik Kurz nach der Amtseinführung von Donald Trump erarbeiteten Marcus Lobbe und seine Schauspieler Andreas Beck und Bettina Lieder eine 90minütge Performance.

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Das linksliberale Theaterpublikum steht ratlos vor einem Phänomen: Diese Figur ist auf den ersten Blick als lächerlich zu erkennen und als Lügner zu entlarven. Warum übt Donald Trump mit seiner aggressiven, populistischen Rhetorik dennoch so große Faszination auf breite Wählerschichten aus, die ihm auf den Kundgebungen zujubelten, in die Tiraden gegen Hillary Clinton einstimmten, ihn ins Weiße Haus wählen und ihm trotz aller peinlichen Fehlleistungen und Skandale die Treue halten

Diese Frage trieb Marcus Lobbes und seine beiden Schauspieler Andreas Beck und Bettina Lieder um. Knapp sechs Wochen nach der Amtseinführung hatte ihre kleine, 90minütige „Trump“-Performance im Dortmunder Megastore Premiere. Grundlage des Abends ist die Show „The Trump Card“, mit der Mike Daisey im US-Wahlkampf durchs Land zog. Anhand von Anekdoten, biographischen Berichten über den unaufhaltsamen Aufstieg des Trump-Clans und genauer Analysen seiner Rhetorik versuchte Daisey vor dem republikanischen Kandidaten zu warnen – bekanntlich vergeblich.

Die Dortmunder machten aus dieser von der Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz und Matthias Seier übersetzten Fassung einen Abend, der sehr bunt und launig beginnt. In einer Kulisse voller US-Fähnchen wird das Publikum an kleine Stehtische gebeten, die allerdings so dicht stehen, dass die Atemluft ziemlich stickig wird. Bevor die beiden Performer loslegen, darf man sich an der Imbissbude ganz stilecht mit Popcorn und Hot Dogs eindecken.

Wie kann es sein, dass sich die liberalen Gesellschaften immer noch wie der sprichwörtliche Frosch im Kochtopf verhalten, der auf die langsam bis zum Siedepunkt hochgedrehte Temperatur viel zu spät reagiert? Vor der Wahl haben sich viele eingeredet, so schlimm werde es nicht kommen. Nach den ersten Entgleisungen hofften sie, dass er im Amt bald zur nötigen Seriosität finden werde. Das Gegenteil ist der Fall: Seit der Premiere am 3. März 2017 wird die „Trump“-Performance laufend aktualisiert, beim Gastspiel in der Berliner Böll Stiftung hat sich eine lange Liste mit den Twitter-Verbalattacken gegen den nordkoreanischen „Rocket Man“ als aktuellstem Tiefpunkt angesammelt.

Die „Scheiß drauf“-Mentalität sei Schuld, dass Leute wie Trump an die Macht kommen, legt Beck los. In seinen Tiraden gegen den SV Werder, gegen den neuen Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon und gegen noch manch Anderes mag – im Gegensatz zur Dortmunder Premiere, wie berichtet wurde – niemand einstimmen.

Da sind die beiden Performer mit ihren fleißigen Helfern aber auch schon mitten im Abbau: sie reißen die Plakate und Girlanden runter, schieben die Tische weg und schminken sich ab. Mit erhobenem Zeigefinger kommen sie noch einmal auf die Bühne zurück: Trump sei erst der Anfang. Nach ihm werden noch raffiniertere Demagogen kommen, die von seinem Modell lernen und es weiter perfektionieren, ist ihre düstere Prophezeiung. Ein Rezept, wie sich die Demokratie verteidigen kann, bieten sie nicht an. Der Vormarsch der Populisten sei geradezu unausweichlich, ist ihre provozierende Ansage. Die gute Laune ist Ratlosigkeit gewichen.

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