"Unterwerfung" (Schauspielhaus Hamburg)

Houellebecq im Theater Fast drei Stunden lang steht Edgar Selge allein auf der Bühne vor einem überdimensionalen christlichen Kreuz, das Olaf Altmann entworfen hat.

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Wie Houllebecq leidet auch François an einer starken Nikotinsucht und hat nun Angst davor, einsam an Rachenkrebs zu krepieren. Er wurde gerade von Myriam verlassen und ist mit 44 Jahren ein verbitterter Zyniker, der sich vor allem mit seinen Wehwehchen und seinem körperlichen Verfall beschäftigt. In seiner Selbstbezogenheit trifft ihn überraschend der französische Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2022, in dem es genauso Spitz auf Knopf steht wie beim aktuellen Stichentscheid um die Hofburg Österreich.

Die etablierten Parteien, die sich jahrzehntelang während der V. Republik im Élysée abgewechselt haben, haben genauso abgewirtschaftet wie François. Die Mitte-Links-Sozialisten, die Mitte-Rechts-UMP und ihre jeweiligen Anhänger müssen sich entscheiden, wem sie im entscheidenden 2. Wahlgang zur Macht verhelfen: der wohlbekannten, nationalistischen Rechts-Außen-Front-Frau Marine Le Pen oder dem fiktiven Ben Abbès, dem Kandidaten einer muslimischen, von saudischen Petro-Dollars finanzierten Partei.

Selge hat das schwere Los, den nur leicht gekürzten Roman als langes Solo vorzutragen. Vor allem in der ersten Hälfte drückt er sehr aufs Tempo. Nur wenn wieder eine der anzüglichen Stellen ansteht, in denen François nostalgisch über Sexabenteuer berichtet, wird Selge etwas langsamer. Diese Passagen werden vom Publikum besonders dankbar aufgenommen, bevor die Parforce-Tour weitergeht.

Ausführlichere Kritik ist hier zu lesen

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