Bewunderung für Ursula von der Leyen

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Ich kann mich noch recht gut an Ursula von der Leyens ersten Auftritt bei "Anne Will" in ihrer Funktion als Bundesarbeitsministerin erinnern.

vdL stimmte in ihren ersten Wortbeitrag ein Loblied auf die Arbeit an. Nur sie sei in der Lage, die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Ihre Hauptaufgabe sah und sieht sie vor allen darin, Arbeitslose irgendwie zu beschäftigen, egal mit welchem Quatsch.

Kein Wort davon, dass man hauptsächlich arbeitet, um Geld zu verdienen. Der glückliche Arbeitslose Guillaume Paoli hat diesen Blödsinn schon vor dreizehn Jahren ausreichend kommentiert.

Mit der Lohnfrage erschöpft sich aber nicht die Kritik. Immer wieder berührt die Diskussion zur Zukunft der Arbeit die alte Weisheit, das menschliche Leben teile sich in ein "Reich der Notwendigkeit" (der Arbeit) und ein "Reich der Freiheit" (der sog. Freizeit), welches sich ideell ausdehnen sollte. Dabei wird ein immerwachsendes, drittes Reich ignoriert: das Reich der Simulation. Es wird in der Arbeitswelt heftig simuliert! Um an Geld ran zu kommen (der eigentliche Zweck) wird der Einzelne immer öfter dazu genötigt, irgendeine fiktive Notwendigkeit vorzutäuschen. Oder gibt es eine reale Notwendigkeit, etwa holländische Tomaten nach Italien zu transportieren und dort zu vermarkten? Besonders prägnant ist aber das Simulationsgeschäft für die heutigen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger. Immer wieder werden wir gezwungen, in einer aussichtslosen Umschulung oder einer "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme", die keine Arbeit beschafft, eine temporäre Nische zu finden. Mittlerweile sind manche unter uns schlau genug geworden, irgendein "Projekt" beschreiben zu können und ihm jeden Anschein der Dringlichkeit zu verleihen. Wie einst im Sozialismus lautet da der Kompromiß: Ihr tut als ob Ihr Arbeitsplätze schafft, wir tun als ob wir arbeiten. Da diese institutionalisierte Fiktion nicht radikal in Frage gestellt wird, erscheint es zweifelhaft, ob die Einführung eines dritten, Nicht-Profit-Sektors oder was auch immer, etwas ändern würde. Diejenigen, die mit Projektschreiberei, Buchhaltungstricks und Behörden umgehen können, werden sich nach wie vor als inoffizielle Simulanten zu "integrieren" wissen (übrigens eine Situation, die nicht gerade befriedigend ist). Nur Pech für die, die es nicht können.
In früheren Zeiten ließ sich die Arbeit einerseits dadurch legitimieren, daß die Herstellung einer bestimmten Anzahl von Produkten lebensnotwendig war (man muß wohl essen, wohnen, fahren usw.) und andererseits, daß sein Lohn dem Arbeiter ermöglichte, immer mehr Wohlstand (sprich: Waren) zu genießen. Durch die oben erwähnten Faktoren - Simulation und Lohnsenkung - sind beide Argumente weitgehend überholt worden. Wo weder die Notwendigkeit der Produktion noch der wachsende Genuß des Konsums hervorgerufen werden können, entsteht ein tendenzieller Fall der Sinnrate, der mittels einer Ersatzlegitimation kompensiert wird: Arbeit bilde, so wird uns nun erzählt, den einzigen Zugang zu sozialer Integration. Egal, ob ich eine sinnlose "Trainings-maßnahme" für einen Appel und ein Ei ausübe, wichtig ist dabei, daß ich mich in die Gesellschaft wieder eingliedere. Man bewundere das Bestreben, so eine verschrobene Idee glaubhaft zu machen.

Deswegen: Bewunderung für Frau von der Leyen.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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