Hartz-IV-Sauerei

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Die meisten Menschen würden sich beleidigt fühlen, wenn ihnen eine Beschäftigung vorgeschlagen würde, Steine über
eine Mauer zu werfen und sie dann wieder zurückzuwerfen, bloß um ihren Lohn damit zu verdienen. Aber viele
werden in keiner würdigeren Weise beschäftigt.

(Henri David Thoreau)

Da gehe ich heute als Hartz-IV-Drückeberger zur Bäckerei, um mein üppiges Hartz-IV-Frühstück einzukaufen und was muss ich da auf der Titelseite der "Bild" sehen:

Hartz-IV-Sauerei! Noch nie wurde so viel geschummelt und getrickst!

Was hat das Arbeitslosenpack jetzt schon wieder gemacht. Ich nicht faul direkt vor den Compi, mal schauen, was die "Bild"-Zeitung rausgefunden hat.

Es sind erschütternde Fälle.

Z.B. der hier:

Konstantin S. (36) aus Stuttgart arbeitete viele Jahre als Industriefußbodenleger. Er wurde 2005 arbeitslos.

Als er eine Fortbildungsmaßnahme schwänzte, wurde ihm der Hartz-IV-Satz (364 Euro) gestrichen.

Konstantin S. fühlt sich im Recht: „Das bringt doch alles nichts. Da sitzen Leute zehn Stunden vor dem Computer und machen nur Unsinn. Die einen spielen Schach, manche gucken Pornos. Das kann es doch nicht sein.“

Schreiben vom Jobcenter liest er gar nicht mehr – und bekommt seitdem kein Geld mehr.

Shocking! Da weigert sich also ein intelligenter junger Mann, den Weiterbildungsblödsinn mitzumachen (und ich weiß, wovon ich schreibe, ich habe einige Kurse hinter mir) und verzichtet sogar deswegen auf die Kohle und das bezeichnet die Bild als Drückebergerei.

Als Beigabe gibt es noch ein Kommentar von einem Geisteskranken namens Dirk Hoeren mit dem Titel "Stoppt die Drückeberger", der erstens beweist, wieso man es Tierquälerei betrachten muss, wenn man tote Fische in die "Bild"-Zeitung einwickelt, und zweitens deutlich zeigt, dass es aus Gründen der Triebabfuhr keine gute Idee war, die Nackte von Seite 1 zu verbannen.

Besonders diese Passage mag ich:

Einen Einsatz fürs Gemeinwohl. Das Suchen nach einem neuen Job. Das Bemühen, sich weiterzubilden.

Nichts dient bekanntlich mehr dem Allgemeinwohl mehr, als bspw. von einem Callcenter aus, andere Leute zu belästigen oder bei BurgerKing Hamburger zu verhökern, um den Cholesterinspiegel der Kunden in den grünen Bereich zu bringen.

Aber man könnte ja tatsächlich mal offiziell feststellen, welche Tätigkeiten dem Gemeinwohl dienen. Darauf kann man mich dann von mir aus verpflichten. Alle anderen Tätigkeiten, die nur dazu dienen, der Friede Springer und dem restlichen Geldgesindel die Kapitalrendite zu erwirtschaften, dürfen nicht darunter fallen.

Dann würde der Kapitalismus aber morgen zusammenbrechen und Dirk Hoeren müsste sich in die Schlange der Hartz-IV-Drückeberger einreihen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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