Kleines Wörterbuch des Grauens zur Wahl des neuen Bundespräsidenten

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Traditionell wird nirgendwo so viel geheuchelt und gelogen in Politik und angeschlossenen Medien, wie wenn es um die Wahl eines neuen Bundespräsidenten geht. Da es nun blöderweise zu diesem Vorgang nicht wahnsinnig viel zu sagen gibt, bleibt es nicht aus, dass die Printmedien sich ständig wiederholen und permanent voneinander abschreiben. Und so kommt es, dass Wörter und Redewendungen in den Sprachgebrauch einsickern, die von einer grandiosen Dämlichkeit sind.

Hier sind wichtigsten im Zusammenhang mit Joachim Gauck:

unbequem: Einer der ersten Ausdrücke, die im Zusammenhang mit Gauck fallen. Als Unbequeme gelten im deutschen Sprachgebrauch solche, die sich mit Diktaturen arrangieren aber nicht gleich jedes Verbrechen mitmachen. Der traditionelle Beruf von Unbequemen in der DDR war der des protestantischen Pfarrers. Wenn es zum Regimegegner nicht reicht, kann man es immer noch zum Unbequemen bringen. Als Unbequemer in der DDR hatte Gauck Rentenanspruch und Reisefreiheit. Leute, die es sich dort bequem gemacht hatten, hatten keine Reisefreiheit.

In der BRD bringt man es zum Unbequemen, wenn man sogennante "unbequeme Wahrheiten" auspricht. Experte für "unbequeme Wahrheiten" in diesem Land ist Thilo Sarrazin. Einer der großen Unterschiede in diesem Land zwischen Rechten und Linken: Linke haben eine Meinung, Rechte sprechen "unbequeme Wahrheiten" aus. Da es sich blöderweiser um Wahrheiten handelt, ist jeder, der den Meinungsmüll von Sarrazin, Henkel, Gauck und Konsorten nicht schlucken will, ein Realitätsverweigerer.

Ich finde es sehr lustig, jemanden, der es sich im Mief von protestantischer Kirche und deutschen Behörden gutgehen ließ, als unbequem zu bezeichnen.

streitbar: Das nächste Attribut, das im Zusammenhang mit Joachim Gauck so zwangsläufig wie ein räudiger Köter auftaucht. Dieselben Medien, die Gauck in den Rang eines Streitbaren erheben, jaulen aber laut auf, wenn tatsächlich mal ein paar Ossis, Blogger und Linke ankommen und sich streiten wollen, um nicht in der allgemeinen Konsenssoße mitzurühren. Dann werde die ->Würde des Amtes beschädigt und man betreibt Gauck-Bashing.

Interessant ist, dass im Zusammenhang mit Gauck immer wieder Begriffe wie unbequem und streitbar auftauchen, die Konflikte signalisieren, während der Mann so einträchtig und einstimmig ins Amt gehievt wird, wie es früher bei Volkskammerabstimmungen üblich war.

Würde des Amtes: Ich empfinde immer eine tiefe Würde, wenn ich mich in Deutschland irgendwelchen Ämtern nähere. Das letzte Würdeerlebnis hatte ich beim Einwohnermeldeamt.

Es wäre spannend, diesen Ausdruck einmal einem Engländer oder Ami zu erklären:

Engländer: What is this fuckin' "die Würde des Amtes".

Deutscher: You don't know shit. It is the "dignity of the department".

Engländer: You fuckin' Germans are nuts!

Deutscher: Yeah!

Bürgerrechtler: Bürgerrechtler ist Gaucks Berufsbezeichnung, neben evangelischer Theologe und ehemaliger Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Ich Naivling stelle mir immer vor, dass es sich bei Bürgerrechtlern um Leute wie Martin Luther King oder Jesse Jackson handelt; Menschen, die sich für die Rechte von Bevölkerungsgruppen einsetzten, denen in einem Rechtsstaat(!) bürgerliche Rechte vorenthalten wurden.

Da nun aber die DDR nach Aussagen von Gauck ein Unrechtsstaat war, macht die Bezeichnung Bürgerrechtler dort nicht den geringsten Sinn. In einem Unrechtsstaat werden einem qua definitionem Rechte vorenthalten.

Aber "Bürgerrechtler" klingt einfach schön nach Aufrichtigkeit, Selbstlosigkeit und Gemeinsinn.

Freiheit: In Gauck'schem Sinne als die Erlaubnis verstanden, seine Haut zu Markte zu tragen. Eine schöne Sache für Leute, die üppige Pensionen von Staat und Kirche kriegen und Marktwirtschaft nicht nötig haben. Und genauso, wie man als Kirchenmann die Moral predigt, sie aber nicht praktiziert, genauso predigen Liberale ihre Art der Freiheit, ohne sie jemals zu praktizieren. Man muss eben auch mal auf Privilegien verzichten können.

unabhängig: "Wir wollen doch die Unabhängigen, an denen man sich reiben kann, und nicht irgendwelche Partei-Pappfiguren vorne dran." (Partei-Pappfigur Claudia Roth gestern beim politischen Aschermittwoch)

Ja, wieso nicht Dieter Bohlen oder Carsten Maschmeyer als Bundespräser. Keine Parteibindung und an denen kann man sich auch reiben. Bei denen dürfte die Reibungswärme sogar noch größer sein als bei Gauck.

Konsens: Unabdingbar in einer Demokratie. Streit ist schlecht, Konsens gut.Wenn man dies ganze Konsensgeschwurbel lesen muss, versteht man überhaupt nicht, wieso der Gauck etwas gegen die DDR hatte.

Die DDR war keine Diktatur sondern eine Konsensveranstaltung. Und wer sich nicht dem Konsens anschloss, musste büßen.

Es bleibt Wulffs großes Verdienst, Gauck zwei Jahre verhindert zu haben.

Danke Christian Wulff!

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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