Ein todsicherer Deal

Rüstungsindustrie Waffen aus Deutschland gelangen immer wieder auch in Krisengebiete – allen Auflagen zum Trotz. Eine Arte-Dokumentation beleuchtet die Hintergründe

„Nach einem Mord kann man sich die Hände nicht mehr reinwaschen“, erzählt ein Junge vor der Kamera, der vielleicht 17 Jahre alt ist. Schon mit 13 wurde er von Paramilitärs rekrutiert, um im kolumbianischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Für Verbrechen wie diese sei Deutschland mitverantwortlich, kommentiert Ralf Willinger, Mitarbeiter von der Hilfsorganisation Terres des hommes. Er ist er einer von vielen Krisen-Experten, die der Filmemacher Daniel Harrich für seine neue Dokumentation befragt hat. In Kolumbien kämpfen alle Seiten mit deutschen Waffen – genau wie in anderen Krisenregionen, die Harrich für seinen Film bereist hat. Auflagen gegen den Waffenexport in Krisenzonen kann oder will der Staat offenbar nicht durchsetzen.

„Fünf Kühe gegen eine Waffe“

Ob in Kolumbien, Mexiko oder dem Südsudan, überall wird mit deutschen Waffen geschossen. In Mexiko zum Beispiel stattete der deutsche Waffenhersteller Heckler&Koch die Polizei mit dem Sturmgewehr G36 aus. Mit der hat die Polizei vielleicht auch Studenten erschossen – unbewaffnete Demonstranten, die im Dezember 2011 für bessere Studienbedingungen eine Straßenblockade errichteten. Auch im Sudan und Südsudan regieren deutsche Waffen: Hier ist die G3, ein Vorgänger der G36, nach der Kalaschnikow das am meisten benutzte Gewehr. Wer sie verwendet, ist schwer zu sagen. Ein ehemaliger Soldat berichtet, wie im Bürgerkrieg „fünf Kühe gegen eine Waffe“ getauscht wurden: Sicherheit gegen Nahrung. Schon im Kalten Krieg gelangten zahlreiche Waffen in das Gebiet. Nach Ende des Bürgerkriegs versuchen nun beide Staaten, die Bevölkerung zu entwaffnen. Das erweist sich als schweres Unterfangen. Oft sind die Waffendepots schlecht gesichert. Kriminellen fällt es leicht, Waffen zu stehlen.

Dass der illegale Handel blüht, zeigt auch die Lage in Bosnien Herzegowina, Harrichs letztem Stop auf der Reise. Deutsche Waffen seien zwar auch hier „sehr gefragt“, dürften aber „leider“ nicht eingeliefert werden, berichtet ein Waffenhändler. Kurz zuvor streift die Kamera über zerschossene Häuserfassaden. Auch nach dem Krieg haben Waffen hier Hochkonjunktur. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums schätzt, dass im Land mittlerweile rund 750.000 illegale Waffen kursieren – bei nur 3,8 Millionen Einwohnern. Selbst wenn darunter keine einzige deutsche Waffe wäre, sind Rüstungskonzerne aus Deutschland auch hier involviert. Harrichs Doku zeigt, dass deutsche Firmen in allen gezeigten Regionen an der Waffenherstellung beteiligt sind. Über Lizenzen oder Produktionsmaschinen sollen Firmen wie Heckler&Koch oder Fritz Werner entsprechende Firmen vor Ort unterstützt haben.

Präzision „made in Germany“

Auch dank seiner Geschäfte in Krisengebieten ist Deutschland nach den USA drittgrößter Waffenexporteur der Welt. Deutsche Waffen wie die von Heckler&Koch gelten als besonders präzise, ein echter Exportschlager. Ihr Verkauf ist genau geregelt, muss von Bundesbehörden genehmigt werden. Wie kann es sein, dass trotz strengster Richtlinien tödliche Geschütze in Krisengebiete gelangen?

Eine klare Antwort darauf gibt Harrich nicht. Wie auch, wenn die Beteiligten in Deutschland dazu lieber schweigen. Zum „Technologietransfer“ wollen sich weder Bundesregierung noch Heckler&Koch äußern. Stattdessen spricht Harrich mit Journalisten, Menschenrechtlern, Wissenschaftlern und Beamten. Wenn Bundeswehrsoldaten Gegnern mit denselben Gewehren gegenüberstehen, sei das „der Moment, in dem man sich fragt, ob nicht irgendwas schief gegangen sein muss“, sagt Wolf-Christian Paes, Experte für Waffen-Kontrollen. Dass dem so ist, hat man natürlich spätestens beim Lesen des Filmtitels geahnt. Harrich zeigt das Böse, aber nicht die Bösen: Neue Erkenntnisse zu den Hintermännern, zu Profiteuren und Preisen im großen Geschäft bringt er nicht. Vielmehr zeigt sein Film, dass eine Waffe nicht an der „Endverbleibserklärung“ halt macht, sondern immer ihren Weg findet – egal wohin. Das ist auch eine Erkenntnis. Bleibt zu hoffen, dass der Film den Druck auf die Politik verstärkt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen: den Waffenexport ganz zu verbieten oder wenigstens endlich ernsthaft zu kontrollieren.

Die Doku "Waffen für die Welt – Export außer Kontrolle" ist noch bis zum 10. Februar 2014 in der Arte-Mediathek zu finden.

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Geschrieben von

Lina Verschwele

Praktikantin des Freitag

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