Erbschaft ist Einkommen

Steuern Warum sollte eine Erbschaft anders als das Gehalt oder ein Lotto-Gewinn besteuert werden? Erbschaften wie Schenkungen sollten der Einkommenssteuer unterliegen.

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Erbschaft ist Einkommen

Foto: Reinhard Kirchner (CC)

Um die Pläne von Wolfgang Schäuble zur Reform der Erbschaftssteuer tobt derzeit ein heftiger politischer Streit. Höchste Zeit, dem Bundesfinanzminister zur Seite zu springen.

Dazu ein knapper Vorschlag: Betrachten wir doch jede Erbschaft als Einkommen!

Demzufolge könnte man jedes durch Erbschaft übertragene Vermögen als ein Einkommen des Erbenden betrachten und so mit der Einkommenssteuer besteuern, wodurch nebenbei die Erbschaftssteuer und der ganze Streit obsolet wäre. (Ähnliches würde ich mit der Schenkungssteuer machen)

Es besteht doch kein Unterschied – gerade aus der Sicht des Empfängers! – ob er sagen wir mal 500.000 EUR als Gehaltszahlungen eines Jahres, durch den einmaligen Verkauf eines Patents, durch den Gewinn beim Lotto oder als Erbschaft seiner Tante erhält. Je nach Höhe der Erbschaft oder Schenkung wäre es dann mit dem entsprechend niedrigeren oder höheren Steuersatz der ESt zu besteuern. Besteuert wäre dann natürlich nicht die Erbschaft selbst, sondern wie bisher das Gesamteinkommen des Jahres. Zur Erwerbseinkommen und Kapitaleinkommen kämen nun solche Einkommen hinzu. Somit müsste ein Fußball-Millionär eine Erbschaft von 10.000 EUR viel höher besteuern als ein mittelloser Kreisklasse-Fußballer. Würde unser armer Fußballer dann doch mal 20 Millionen erben – und zwar auf einmal, innerhalb eines Kalender-Jahres – würde ihn dieselbe Steuerstufe „erwischen“, wie den Fußballstar mit seinem Millionengehalt (ob mit oder ohne Erbschaft). Der einzige „Freibetrag“ wäre die unterste steuerfreie Einkommensgrenze.

Klar, der eine wie der andere Fußballer oder auch andere Erbe würde einwenden, die Tante gehöre doch zu Familie, und habe ihn sehr sehr lieb gehabt. Schön, aber abgesehen davon daß Liebe nicht materiell sein sollte – so könnte auch ich als Selbständiger oder Angestellter argumentieren, daß man meine Arbeit niedriger besteuern sollte, da ich meine Auftraggeber/Arbeitgeber auch sehr, sehr lieb habe. (Wer weiß, vielleicht bin ich auch mit manchen über 20 Ecken verwandt?). Die Tatsache bleibt aber, daß der Erbende im Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens im wahrsten Sinne des Wortes ein Einkommen erhält – das Geld oder die Werte kommen bei ihm an.

Die Tante des Fußballers würde weiter einwenden, die Besteuerung sei ein „Eingriff ins bereits versteuertes Privatvermögen“ - und somit verfassungswidrig. Verfassungsrechtlich käme sie damit vielleicht durch, wobei ich einwenden würde, daß doch fast jedes bereits versteuerte Vermögen vom Staat wiederholt versteuert wird. Wenn ich nach Abzug der ESt von meinem Konto 100 EUR abhebe, und damit einkaufen gehe – wird dieses bereits versteuerte Vermögen durch Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer oder Alkoholsteuer erneut versteuert. Wenn ich es dem Konto lasse - von der Kapitalertragssteuer.

Denn genau das ist schon sprachlich (zumindest im Deutschen) die Ur-Funktion der Steuer: die Steuerung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhaltens der Individuen wie Organisationen. Sobald das Geld erst mal einen Vorgang durchläuft (Arbeitseinkommen) – wird es versteuert. Sollte es einen weiteren steuerrechtlich relevanten Vorgang durchlaufen (Vodka-Kauf, Hotelübernachtung, etc.) - wird es erneut mit dem entsprechenden Steuersatz versteuert. Man mag durchaus gegen die eine oder andere Steuerart an sich und deren Höhe argumentieren – das Argument der „Doppelbesteuerung“ wird dadurch nicht richtiger.

Ich würde sogar ähnlich wie bei der Kritik der Kapitalertragssteuer argumentieren: Warum soll das Geld aus Arbeit und/oder Kreativität viel höher besteuert werden als eine glückliche aber nicht aktiv verdiente Bereicherung des Einzelnen (außer der Fußballer hat seine Tante jahrelang „bearbeitet“...)?

Daher geht es mir bei dem Vorschlag, die Erbschaften und Schenkungen als Einkommen zu betrachten und zu versteuern, explizit nicht darum, auf einfache Weise die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Ich würde erst mal von dem Gebot eines gleichbleibenden Steuereinkommens ausgehen. D.h. wenn man die Erbschaften und Schenkungen dem Einkommen zurechnet, und somit höher besteuert, sollten konsequenterweise die jeweiligen Einkommenssteuer-Sätze entsprechend sinken, so daß Schäuble am Jahresende plus-minus dasselbe an Einkommenssteuer einstreicht.

Wenn der Fußballer immer noch Steuern sparen will, sollte er seine Tante überreden, statt des Gesamtbetrages auf einmal, ihm jedes Jahr nur ein kleines Häppchen zu vererben. Man kann es dann auch „schenken“ oder „zahlen“ nennen – denn es würde als Einkommen des Fußballers gelten. Je kleiner das Häppchen, desto niedriger wird es besteuert – außer beim reichen Fußballer, da ist „die Streckung“ der Erbschaft dann auch egal. Der (arme) Fußballer mag eine solche Vorgehensweise als „jahrelange Subventionierung“ nicht mögen, und es bleibt psychologisch offen, ob es gesünder ist, viel Geld auf einmal zu bekommen oder eben häppchenweise. Im ersteren Fall wartet der Fußballer auf das Ableben der Tante, im zweiten will er sie länger am Leben lassen (nur so am Rande für Krimi-Fans...).

Es bleiben natürlich auch praktische Probleme, die es aber auch schon heutzutage bei Erbschaften gibt. Was, das Erbe kein Sparguthaben ist, sondern eine Immobilie? Woher soll der arme Fußballer die Steuer bezahlen? Müsste da die Tante nicht jedes Jahr zum Notar laufen, um jeweils 1 oder 5 Prozent der Immobilie auf den netten Neffen zu übertragen? Wäre das wiederum nicht zu teuer? Was, wenn das Erbe 25 englische Regenschirme oder drei Apple-I-Computer sind – und weder der Fußballer noch sein Finanzamt Ahnung haben, ob es sich um Sperrmüll oder um wertvolle (wie wertvolle?) Sammlerstücke handelt? Und wenn das Erbe nun der Tante-Emma-Laden ist, der seinen Wert zum großen Teil aus der persönlichen, engagierten Fortführung des Unternehmens schöpft? Soll dann die fällige Steuer in eine Unternehmens-Beteiligung des Staates oder der Kommune oder in einen zinslosen staatlichen Kredit umgewandelt werden, welche der Erbe abbezahlen kann – falls er will? Droht nicht damit eine schrittweise Verstaatlichung der Unternehmen und – wie bei Kapitalgesellschaften – ein Abschied von Familien- oder Einzelunternehmen? Droht nicht andererseits eine Liquiditätskrise des Staates, wenn dieser vermehrt statt laufender Steuerüberweisungen nur Vermögensinhaber oder Gläubiger wird? Was, wenn der (klemme) Staat dann auch noch seine Anteile oder Kredite an Finanzinvestoren abgibt?

Ich bin dennoch optimistisch. Wo Geld und Vermögen – da auch genügend Lösungsvorschläge. Es laufen auch genug Experten und Lobbyisten jetzt schon im Finanzministerium herum. An Steuerberatern mangelt es ebenfalls nicht.

Eine vom Steueraufkommen her neutrale Eingliederung der Erbschafen in die Einkommenssteuer würde jedenfalls mehr zu steuerlicher Entlastung der Erwerbsarbeit beitragen, die Konzentration der Vermögen würde abnehmen, und gleichzeitig wäre die Rolle des Staates als Steuereintreiber passiver. Der Staat wäre vielleicht (eine Zeit lang) zu 30% am Tante-Emma-Laden des Fußballers beteiligt, dafür müsste der Fußballer weniger seiner laufenden Einnahmen an diesen Staat abliefern.

Der Tante sollte er so oder so dankbar bleiben – falls diese ihm tatsächlich den Laden und die Regenschirm-Kollektion vermachen sollte. Ob häppchenweise zu ihren Lebzeiten oder später nach ihrem Tode – die Entscheidung wäre immer noch die ihre. Und eigentlich könnte es ihr ja egal sein, welche Steuern und wann ihr Neffe begleichen müßte – es wäre dann ja sein Einkommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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