Gut gemeint, schlecht geraten

TV-Mehrteiler Der ZDF-Vierteiler »Furia« wird als politisch wertvoll hochgelobt. Dabei lässt er keinen Fehler öffentlich-rechtlicher Anspruchsproduktionen aus.

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Ein Cluster aus norwegischen und deutschen Rechtsterroristen möchte ein spektakuläres Fanal setzen. Nicht Wald-und-Wiesen-Nazi-mäßig, sondern in großem Stil – der Größenordnung 11. September. Diejenigen, die sie aufhalten wollen, sind ermittlungstechnisch gesehen eher randständig: eine norwegische Untercover-Agentin, die sich in die Gruppe hineinmanövriert hat und ein ehemaliger Spezialeinheits-Cop, der sich Mafia-bedingt gerade im Zeugenschutzprogramm befindet. Hinzu kommen die norwegische Chefin besagter Untercover-Agentin und eine alte Freundin von ihr im deutschen Sicherheitsapparat. Ach ja – Schauplatz von Finale sowie zweiter Serienhälfte, obwohl der Trailer (siehe oben) lieber auf norwegische Landschaften akzentuiert: Deutschlands Regierungs- und Fiktivfilmstoff-Hauptstadt Berlin.

Die lange Version des derzeit Sonntags ausgestrahlten und als Serie in der Mediathek abrufbaren ZDF-Vierteilers: Der vor einer russischen Mafiagruppe im Zeugenschutzprogramm geparkte Asgeir will im norwegischen Ort Vestvik – zusammen mit seiner minderjährigen Tochter – ein neues Leben anfangen. Dort stößt er schnell auf eine identitäre Gruppe – in dieser auch die Bloggerin Ragna, bekannt auch unter ihrem Pseudonym »Furia«. Nach einem Mord an einem Flüchtling und einigen, nunja, investigativen Nachforschungen Asgeirs wird klar: hier scheint sich was Größeres zusammenzubrauen. Praktisch, dass sich die Bloggerin dem Polizisten gleich nach dem ersten Handgemenge als Undercover-Agentin offenbart. So kann Asgeir der Gruppe – geführt von dem charismatischen Genie Brehme aka »Cato« – nach Berlin folgen. Nachdem sich dort diverse Treuetests sowie Anschläge zwecks Spurenverwischung abgespielt haben, können die Agentin, der Bulle sowie das norwegisch-deutsche, von einer konservativ-männerbündischen Camarilla ausgebremste Vorgesetztinnengespann einen deutsch-europäischen 11. September verhindern und die bösen Buben dingfest machen.

Ein Komplott also nach bewährter Thriller-Manier – hier mit dem Ziel, einer deutschen rechtspopulistischen Partei den Wahlsieg zu sichern. Hinzu kommen Verbindungen der Rechtsterroristen zu russischen Oligarchen, die wiederum mit Putin in Verbindung stehen – was in der Praxis heißt: zumindest konspirationstechnisch erheischt die Serie Ambitionen auf die James-Bond-Liga. Da deren Macher offensichtlich nichts auf der Schiene auslassen wollten, kommt zusätzlich ein False Flag hinzu. Der rechtsterroristische Anschlag soll nämlich – inferior, das Ganze – Islamisten in die Schuhe geschoben werden. Um dieses Szenario mit Glaubwürdigkeit zu unterlegen, wartet die Handlung mit einem entsprechenden Nebenstrang auf: Islamisten, auf die sich die Ermittler konzentrieren – während die wirkliche Gefahr doch gleich rechts nebenan im Fabrikloft sitzt. Gemeinsamkeit hier wie da: reichlich vorhandenes IT-Equipment – was praktisch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: a) den Hinweis, dass man visuell mühelos zu entsprechenden Amiproduktionen aufschließen kann, b) dass auch deutsche Filmschaffende am Thema Digitalisierung hart dran sind. Auch inhaltlich haspeln die Furia-Macher nachgerade atemlos dem politischen Zeitgeist hinterher. Kurz auf den Punkt gebracht: Der ZDF-Mehrteiler möchte plottechnisch so ziemlich alles mitnehmen, was im Themenfeld »rechte Gefahr« so in der Diskussionssphäre zirkuliert.

Problematisch wäre dieses Ansinnen bereits dann, wenn die Serie sich nicht so gut wie alle handwerklichen Fehler und Fahrlässigkeiten geleistet hätte, die man im Genre so machen kann. Im Ergebnis enthält Furia so ziemlich alles, womit sich öffentlich-rechtliche Serienevents gemeinhin ihre Negativpunkte abholen (und ihre Klientschaft in Richtung Netflix & Co. vertreiben): holzschnitthafte, klischeehafte Figurenzeichnung (hier mit der Besonderheit, dass man sich – auch mal eine Innovation – auf die Vor- und Decknamen der involvierten Figuren beschränkt), uninspiriert agierende Schauspieler(innen), eine am Reißbrett zusammengenagelte Handlung fern jeder Realität, am Kitsch hart vorbeischrammendes Pathos Marke Politik-Nachhilfeunterricht und schließlich: jede Menge loser Fäden und Logikbrüche. Insbesondere letztere finden sich in Furia derart geballt, dass selbst mit diesen Mängeln geschlagene Durchschnitts-Tatorte gegenüber dieser Serie mühelos brilliieren. So wird weder erklärt noch sonstwie nachvollziehbar gemacht, wieso Ragnar sich nolens volens mit dem ihr nachgeschickten Asgeir in einer Kirche trifft – wo doch nicht nur der Kontakt zu ihrer norwegischen Einheit abgerissen ist, sondern Ragnar gar nicht wissen kann, dass Asgeir mittlerweile in die Ermittlungen involviert ist. Öffentlich-rechtliche Hellseherei? Vermutlich.

Ebenso ein als False Flag angelegter Angriff auf den führenden Politiker der deutschen Nationalkonservativen. Nicht nur, dass dieser gleichzeitig auch als Treuetest in Bezug auf die – von Brehme als mögliche Verräterin beargwöhnte – Bloggerin dienen soll. Unmittelbar nachdem diese – vom Tatort flüchtend – am Ende einer Folge von der Polizei verhaftet wird, kabbelt sie sich zum Beginn der nächsten frischgemut mit einem ihrer rechtsterroristischen Compagneros. Vage – respektive erklärungsbedürftig – bleibt bis zum Ende, was die im Stil von Stirb langsam gezeichnete Terroristengruppe mit einer Bloggerin anfangen will. Lose Fäden dieser Art summieren sich nicht nur im quasi großen Stil an – bis hin zu einer zweiten Hälfte, in der eh nur noch Action und entsprechend dramatische Musik auf das vorhersehbare Ende hinführen. Was insgesamt nicht nur mäßig spannend ist, sondern darüber hinaus den Verdacht nährt, dass in der Hauptsache ein mittelkarätiges Thrillerformat zu Mehrteiler- respektive Serienlänge hochgeschäumt werden sollte. Last but not least: Extrem unlogisch ist der Umstand, dass die Ermittler spätestens ab Folge sechs wissen, dass ein Anschlag im großen Stil bevorsteht, aber – von informellen Telefonaten einmal abgesehen – nichts tun? Ist das noch deutscher Bürokratie-Schlendrian? Oder bereits filmschaffende Pragmatik der Sorte, dass der Mehrteiler vier anstatt drei und die ins Serienformat aufgesplittete Variante acht anstatt sechs Folgen hat?

Fazit: Wäre Furia eine 08/15-Produktion, ließe sie sich mit Schweigen übergehen. Leider ist es auch hier wieder so, dass eine öffentlich-rechtliche Anstalt – hier: das ZDF – das Ganze als politisch wertige Produktion verkaufen möchte. Ergo: typische Ö/R-Selbstüberschätzung. Sicherlich – wer (außer natürlich: Rechtsextreme) ist nicht gegen rechte Gewalt, gegen Rechtsterrorismus? Entsprechend lesen sich auch die Kritiken – auch wenn selbst Spiegel und F.A.Z. nicht umhinkommen, den waghalsig zusammengezimmerten Plot kritisch zu vermerken. Im Wesentlichen jedoch wird dieses Manko den deutschen Beteiligten zugeschrieben – speziell Regisseur Lars Kraume, einem Tatort-Routinier, der zugegeben auch schon für bessere Produktionen verantwortlich zeichnete, und der beim deutschen Part der Geschichte Regie führte. Allerdings geht diese Kritik – Schema ist da wohl die Parole: retten, was zu retten ist – am wesentlichen vorbei. Lose Fäden sowie eine arg simplifizierende Figurenzeichnung charakterisieren bereits die ersten, in Norwegen spielenden Folgen. Grob unstimmig und typisch am Grünen Tisch konzipiert ist Grundidee: dass identitäre Rechtsterroristen ein High-Tec-Elfter-September planen und zur Ausführung bringen. Natürlich ist Rechtsterrorismus brandgefährlich – die neuere Geschichte vom NSU bis hin zu den Anschlägen von Halle, Hanau sowie der Lübcke-Mord haben ebendies hinlänglich unter Beweis gestellt. Die gute Frage ist allerdings, ob das Plots mit abseitigen Fantasiehandlungen legitimiert – nach dem Motto: Hauptsache, die Bösen stimmen. Denn: Wieso eigentlich sollten Rechtsterroristen die Methode Osama Bin Laden wählen? Wo doch die klassische Nazi-Vorgehensweise – siehe Kapitolsturm in Washington, siehe Reichstagssturm in Berlin – viel mehr an populistischem Mehrwert bringt?

Sicher ist ein Politthriller, der sich – wieder mal – als redaktionelle Kopfgeburt entpuppt, kein Skandal. Zumal die in die Produktion Involvierten doch stetig rüberzubringen versuchen, wie engagiert und »rechts-kritisch« ihre Produktion ist. Da auch die Action sicher als Durchschnitt durchgeht, wäre aus kreativer Sicht eine übergreifende Frage interessant: Wieso wirken öffentlich-rechtliche Fictionalstoff-Events stets so, als wäre die Handlung in einem Redaktionsmeeting konzipiert worden – wo alle, Senderredakteure und Ethik-Beauftragte inklusive, jeweils ihren Senf beigesteuert haben? Wo die Realität internationaler Ausnahmeproduktionen längst unter Beweis gestellt hat, dass das Showrunner-Prinzip bessere Ergebnisse bringt? Der zweite, damit zusammenhängende Aspekt ist leider politischer Natur – der nämlich, dass derartige Produktionen keine wirkliche Kritik formulieren (oder: aufrütteln, auf ein Problem hinweisen, und so weiter). Im Endeffekt werden kritische Impulse auf diese Weise lediglich angetäuscht – respektive: für allenfalls mittelprächtige Konventionell-Unterhaltung vernutznießt.

Was sicher ausreicht, wenn man wieder mal seinen Sendeauftrag in trockene Tücher bringen will. Im Endeffekt jedoch Fernsehinhalte generiert, die qualitätstechnisch nicht nur biederer Durchschnitt sind, sondern gegenüber den kommerziellen Streaming-Anbietern von Jahr zu Jahr mehr abfallen.

Furia. TV-Mehrteiler respektive Serie in vier Teilen beziehungsweise acht Folgen. Mit: Ine Marie Wilmann, Nina Kunzendorf, Pål Sverre Hagen, Ulrich Noethen und andern. Regie: Magnus Martens, Lars Kraume. Produktion: Monster Scripted AS (Norwegen), X-Filme Creative Pool (Deutschland). Ausstrahlung: ZDF (seit 7. November). Online als Serie in der ZDF-Mediathek.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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