2023 im Rock’n’Roll

Popmusik … ist wie ein langer Fluss: manchmal ruhig, manchmal turbulent. Anstelle des üblichen Jahresrückblicks hier in lockerer Anordnung ein paar Sachen, die 2023 gut waren oder einfach zu schade sind, um sie dem Vergessen zu überantworten.

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Was war Top, was eher Flop? Diese Frage stellt sich notorisch allen, die zum Jahresende einen Musikrückblick ausrichten. Ich werde, muß oder auch will an der Stelle vielleicht einige enttäuschen. Sicher ist es verführerisch, die Perlen des Jahres posthum nochmals zu polieren und, wo möglich, mit Sinn aufzuladen. Andererseits: Ist das der Sinn von Silvester? Will man und frau da nicht eher in angenehmer Atmosphäre ins neue Jahr switchen – ohne sich zu viel Gedanken über dies und das zu machen?

Aus dem Grund: der obligatorische Rock’n’Roll-Rückblick diesmal ohne viel Gebabbel. Den Anfang machen soll Herbert Grönemeyer, dessen letztes Album ich bereits im Sommer vorgestellt habe – allerdings nicht mit diesem Clip und seinem nicht nur choreografisch ganz auf den Mensch abgestellten Mutmacher-Song. Bevor wir richtig einsteigen: Für einige wird der Abschied vom alten Jahr möglicherweise mit der ein oder anderen Entschuldigung verbunden sein. Wie man nachhaltig um Verzeihung bittet, und wann es genug ist, zeigt die aus Halle kommende Band Sorry3000 in dem untenstehenden Clip – eine Indierock-Band, die man auf jeden Fall im Auge behalten sollte. Vor dem Musik-Hauptteil an der Stelle noch die obligatorischen Gute-Rutsch-Wünsche – an alle treuen (und auch nicht so treuen) Leserinnen und Leser dieses popmusiktechnischen Spagats aus gnadenlosem Mainstream, Nischenblüten sowie geschmacksfest aufgesatteltem Underground.

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Die belgische Band Balthazar liefert musikalisch so etwas wie Wellness für Leute, die Wellness (eigentlich) nicht mögen. Dasselbe gilt für das Balthazar-Sideprojekt Warhaus. Nach dem 2022er-Album Ha Ha Heartbeat nunmehr die aktuellste Produktion, die im November veröffentlichte Single Popcorn. Das Gute bei Balthazar & Co.: die musikalische Familienpackung – da aus diesem Patchwork-Musikant(inn)enclan eigentlich ständig jemand was Hörenswertes am Start hat.

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Das Kontrastprogramm zu den Disco-aufgeladenen Indie-Chansons Marke Warhaus bietet Brent Amaker. 2023 hat er sich wieder mit seiner alten Band The Rodeo zusammengetan. Der neue Clip der Trash-Psychobilly-Truppe aus Seattle bietet kurzangebundenen Rock’n’Roll. Die Moral der Geschicht’: Manchmal ist es nicht schlecht, das Leben beherzt an den Hörnern greifen.

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Bei Little Simz bin ich chronisch hinterher. Die letzte Albumvorstellung kam mit Clips vom vorletzten. Nunmehr Gorilla vom aktuellen, dessen Erscheinungsdatum nun auch ein Jahr zurückliegt. Außer Jazz-angehauchten Grooves hat das Stück auch textlich Interessantes in petto. In marktschreierischer Manier preist die britische HipHopperin unterschiedliche, grass weit voneinander entfernte Lebensstile an. Wie das eben so ist: Man hat zwar immer die Auswahl – aber ebenso die Qual der Wahl.

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HipHop zum Zweiten: Ich könnte deine Mutter oder Schwester sein ist zwar bereits so alt, dass ich beim Unterfangen, das Stück einer CD zuzuordnen, gescheitert bin. Die Storyline allerdings, welche K.I.Z. live in Szene setzt, sollte man keinesfalls auf **Ignore** setzen – gerade auch im Hinblick auf die Sozialstaats-Abbauer, Moralapostel und Apologeten entgrenzten Ellbogen-Einsatzes, die aktuell den politisch-gesellschaftlichen Basissound bestimmen.

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Kommen wir zur Singer-Songwriter-Schiene. Von Olli Schulz an der Stelle ein älterer Song aus den Hamburger Küchensessions. Stefan Stoppok wiederum covert ein Stück von Bernies Autobahn Band – womit der Bogen weit zurück bis hinein in die alternativen Achzigerjahre gespannt wäre. Olli Schulz hat eine neue CD in der Pipeline. Erscheinen soll sie im Februar. Als Link-Zugabe hier ein Clip mit Schulz und (ein bißchen) Stoppok together – eine kleine Musik-Kurzgeschichte, in der als weibliche Parts Jördis Triebel und Melika Faroutan die Pointe der in Szene gesetzten Moritat vorantreiben.

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Ein zu Ende gehendes Jahr erinnert leider auch an die, welche die weiteren Wege ins nächste nicht mehr mitgehen werden. Im Dezember verstorben, viele sahen es kommen: Shane MacGowan, der legendäre Frontman der irisch-britischen Folkpunk-Truppe The Pogues. Jack’s Heroes avancierte 1990 zum offiziellen Fußball-WM-Song der irischen Nationalmannschaft. Auf Aufnahme und im Clip wird MacGowan, außer vom Rest der Pogues, von den Dubliners gerahmt. MacGowan selbst trägt den Song vor, wie er eigentlich alle Stücke vortrug – mit der Grazie eines irischen Pub-Sängers. Eine Geste, die letztlich nur eines bedeuten kann: Exakt so sollten wir ihn in Erinnerung behalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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