Sommerloch sucht Beitrag

der Freitag Der Kommentatöhr hat’s schwör. Zumindest manchmal. Kein Beitrag, der – wirklich – einen Kommentar lohnen würde. Was tun mit der Zeit? Einen Beitrag zum Thema verfassen.

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Urlaub vorbei, Herbst noch nicht angefangen; nur die Wespen halten in Deutschland notdürftig die Stellung. Dürrer Sommer, Hitze – klar. Totschlagen darf man die Viecher, die sich auf Gegrilltem, Frischobst und Getränken genüsslich niederlassen, nicht. Um die aktuelle Wespen-Plage ordentlich auszuschlachten, machen selbst seriöse Medien einen auf Horror-Medien. SPIEGEL ONLINE: »›Sie holen Verstärkung und greifen an‹«. Was tun, wenn einem die Sicherung durchknallt und man führt die aktuell gelesene Wochenzeitung – vielleicht den Freitag? – einer angemessenen Zweitverwertung zu? Kann teuer werden. Behauptet jedenfalls die Lügenpresse – im Fall Wespenplage ihrer von den Rechten andichteten Rolle mal vollauf gerecht werdend. »AUTSCH! ÜBER 50.000 EURO STRAFE, WENN DU DAS TUST!« warnt Tag24. Der Westen: »Wespen töten kann in NRW teuer werden: bis zu 50.000 Euro Strafe«. Wiebadener Kurier, Focus, BILD: dito.

Natürlich sind es vor allem politisch weiter rechts, sozusagen im AfD-Vorfeld angesiedelte Medien sowie die unverzichtbaren Yellow-Press-Gazetten, die derartigen Unfug verbreiten. Die Seite Bußgeldkatalog 2018 – hinter der sich ein Verband mit dem Namen »Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e. V.« verbirgt, listet die Horrorgelder fürs Wespenkillen sogar in einer penibel ausgearbeiteten Tabelle auf. Den löblichen Faktencheck hat diesmal die Seite correktiv.org übernommen. Fazit der – unabhängigen, nicht gewinnorientierten – Recherche: »Nein – Wer eine einzige Wespe tötet muss nicht 50.000 Euro Bußgeld zahlen«.

Auf die Masche, Probleme da zusammenzuschreiben, wo keine sind, ist der Freitag noch nicht verfallen. Die Homepage der Online-Ausgabe offeriert Ole Schulz (»Die Rente ist sicher«), noch was mit der SPD und einer historischen Kommission, welche die Partei einmal gehabt haben soll, ein halbes Dutzend Öko-Artikel (ohne Wespen!) und ansonsten gepflegten Livestyle der seriösen, höherwertigen Art. Das #MeToo-Thema ist zwar seit einem halben Jahr durch. In Form des Beitrags »›Sex wird verhandelbar‹« wird der Freitag jedoch trotzdem seinem Anspruch gerecht, die Geschlechterdebatte unabhängig von den Ups & Downs des News-Marktes am Laufen zu halten.

Irgendwie konnte ich mich nicht entschließen, hier in den Kommentar-Ring mit einzusteigen. Lag vielleicht an der Hitze, vielleicht aber auch daran, dass der Debattenteil darunter nicht wirklich motiviert. Zugegeben: Heute hätte ich es mir fast anders überlegt. Auslöser: mal wieder SPON (wer sonst?) sowie Frau Argento. Die hat zwar die Mißbrauchs-Vorwürfe gegen Harvey Weinstein mit ins Rollen gebracht, hat sich aber – so jedenfalls unser Nachrichtendealer des Vertrauens – an einem 17jährigen Kollegen vergangen. Seinerzeit. Für nähere Details verlinkt SPON auf einen weiteren SPON-Artikel, der im Wesentlichen die Infos des ersten nochmals aufwärmt. Mit anderen Worten: wir haben – Null, niente, Nullada; nicht viel.

Will an der Stelle heißen: Wegen einer derartigen 0,5-Promille-Information schreibe ich sicherlich keinen Kommentar. Kein Bedarf. Vor allem, da ich bezüglich der Mutmaßlichkeiten, auf die alle – Wikipedia inklusive – nun anspringen, durchaus eine Meinung habe. Ich weiß, für derlei Mitteilungen wird man heutzutage fast geköpft: Der junge Mann war fast erwachsen – kein Teen von 11 oder gar ein Kind von 7. Wäre ich allerdings als undersexeter 17jähriger von einer Frau wie Asia Argento angemacht worden, hätte ich sicher nicht gesagt: »Hey – die Männer machen an, so ist das aus Tradition« oder so einen Quatsch. Die Überlegenszeit meinerseits hätte vermutlich 0,0000001 Sekunden gedauert, und dann wären Ostern, Pfingsten und Weihnachten (des Jahrzehnts, wohlgemerkt) auf einen Tag gefallen. (Jargon an der Stelle = aus einer Zeit, als Lust sowie freudig vollzogene Intimitäten noch nicht per se negativ konnoniert waren)

Okay – keine(r) weiß, was konkret gelaufen ist. Vielleicht war das Tête à tête zwischen Argento und Bennett doch nicht so erquicklich. Vielleicht hat Bennett die Situation – subjektiv oder jedenfalls im Nachhinein – als »Mißbrauch« empfunden. Allerdings mag ich – Sorry für meine potenzielle Unsensibilität und meinen geradezu chronischen Unglauben – die Story, dass er karrieretechnisch im Anschluss nicht mehr viel gebacken gekriegt hat, nicht für bare Münze nehmen. Will heißen: Es gibt Mißbrauch, schlimmen Mißbrauch – widerwärtige Geschichten, die ich hier nicht einmal verlinken möchte. Diese (sicher mißratenen) #Bettgeschichten aus dem Showbiz jedoch erscheinen mir umso unglaubwürdiger oder überzogener, je mehr Stories auf der Schiene publik gemacht werden.

Kann es sein, dass da zwei schlichtweg nicht genug News generieren, um ihre Position auf der Promi- und Gagenwert-Liste zu halten? Oder ist die »Sexismus«-Debatte mittlerweile so weit gediehen, dass schlichtweg jede intimere Situation unter dem Rautenzeichen-Verdikt steht? Keine Ahnung. Jedenfalls regt mich der angebliche »Skandal« (so er denn einer ist) Null auf. Er interessiert mich nicht mal sonderlich. Mag sein, dass die Motivation zum Kommentieren wieder steigt, wenn das Sommerloch vorbei ist. Bis dahin jedoch: Genießen wir einfach das Wetter – und halten einfach mal die Fresse.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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