1. Juli vor zwanzig Jahren: Währungsunion

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Ich erinnere mich nicht so gern an den 1. Juli 1990. Aber nicht wegen der Währungsunion.

Ich lag im Krankenhaus und mein damaliger Freund und jetziger Mann hatte, ausgestattet mit einer Vollmacht, den Umtauschkram am Hals. Allzuviel Stress gab es nicht, denn wir waren - ein sorgenmindernder Aspekt - wie immer knapp bei Kasse. Weil ich öfter über eine drohende Pleite lamentiert hatte, wurde ich Zielpunkt verschiedener Avancen von besser Betuchten. Die wollten mich dazu bewegen, ein bisschen Geld zu übernehmen, weil der Sockelbetrag, der 1:1 umgetauscht werden konnte, bei mir noch lange nicht erreicht war. Irgendwie aber kam meine Krankheit dazwischen und so hatte ich nur mit den geringen Beträgen zu tun, die legal 1:1 umzutauschen waren. Ich erinnere mich, dass es die letzten Tage fast nichts mehr in den Kaufhallen und Geschäften gab, nur noch Grundnahrungsmittel. Uns war das egal. Wir aßen Stullen oder Bockwurst in der Kantine.

Als ich aus dem Krankenhaus kam, gabs also auf einmal und auf einen Hieb alles. Oder das, was ich für "alles" hielt. Eine damalige Westbekannte guckte völlig konsterniert zu, als ich ein Alkohol-Getränk, das sich (f)aber Sekt nannte in den Korb steckte und fragte: "Wollt Ihr Euch vergiften?" Die Obststände wurden glänzend und bunt und die Bekannte meinte, ihr seien die staubigen Ost-Angebote glaubwürdiger erschienen. Kurzerhand: Sie erkannte nicht, dass sich auch in solchen gigantischen Umbrüchen jeder "seinen Schnupfen alleine holen muss". Ich bekam Kopfschmerzen von diesem Billigsekt und guckte bald wieder nach anderen Sorten als den völlig blankgeputzten Äpfeln. Das neue Bewusstsein hieß Bewusst konsumieren.

Es ist immer gut, wenn man nicht viel zu verlieren hat, das war meine wesentliche Erfahrung. Völlig unbesorgt kaufte ich trotzdem den albernsten Kram. Tinnef nannte das damals der Schriftsteller Stefan Heym. Wir erwarben auch ein Honda-Schrottauto, das aber schön silbern glänzte. Ich verzieh das meinem Mann, der sich hatte reinlegen lassen. Der ist nun mal so, ob mit Ost- oder mit Westgeld. Wenn kein Geld mehr da ist, hört er auf damit. Schulden macht er keine. Das ist schon in Ordnung wie die ganze Währungsunion politisch in Ordnung, ökonomisch aber eine Katastrophe war, wie wir alle wissen.

Damaliger Umtauschmodus

Laufende Einkommen und Rentenzahlungen wurden im Verhältnis 1:1 umgestellt; Sparguthaben und Verbindlichkeiten (so auch die Unternehmensschulden) generell 2 : 1.

Davon ausgenommen und wiederum 1:1 umgestellt wurden private Sparguthaben in bestimmter, nach Alter differenzierter Höhe: 2.000 Mark pro Kind im Alter bis zu 14 Jahren; 4.000 Mark für Personen bis 59 Jahren und 6.000 Mark für die noch Älteren.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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