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Honecker ist doch nicht Hitler

Das war die Meldung des Tages, aber viel Wirbel wird sie nicht machen. Während die Berechtigung der Vergabe des Friedensnobelpreises an Barak Obama diskutiert wird, infomierte mich mein Google Alerts darüber, dass Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow persönlich nichts gegen Erich Honecker hatte. Er hat ihn - gegenüber Bild am Sonntag - als einen Politiker mit Charakter und Ambitionen bezeichnet, der seinem Land dienen wollte. Kritikwürdig war aus seiner Sicht der Mangel an Reformfähigkeit. Aber das ist ja bekannt.

Wir unterhielten uns am Trog darüber, welcher von diesen ehemaligen Politclowns denn nun eigetnlich der wirklich üble war. Es gab innerhalb der DDR-Führung tatsächlich wesentlich unangenehmere und auch größere Machtmissbräuchler als Honecker, auch wenn der sich die Schrippen von Berlin an die Ostsee bringen ließ. Mielke zum Beispiel. Ein richtig fieser Mensch, primitiv und brutal. Aber auch dessen "Ich liebe doch alle" war auf abstruse Weise genauso gemeint. Das Weltbild dieser Leute war ähnlich dem der Kirche des Mittelalters. Ich blödelte an der Kaffeetasse rum: "So hat vielleicht auch der Inquisitor früher gesagt hat: 'Ich tue alles nur zu Deinem wirklichen Wohl. Du verstehst es jetzt noch nicht und es tut auch weh, aber am Ende ist es gut für Dich'.

Der Abtrockendienst meinte, dass er ganz besonders und persönlich mies den Willi Stoph fand. Er kannte ihn zwar nicht persönlich, aber Gerüchte über ihn und sein gutsherrliches Auftreten gab es schon zu DDR-Zeiten. Obermies war Konrad Naumann, der Vorgänger von Schabowski, den allerdings zu Wendezeiten schon der Sensenmann geholt hatte.

Als die Dinge in der DDR sich zuspitzten, als 1987 das Reformpapier zwischen SPD und SED verabschiedet wurde: "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit", da fassten ja auch viele SED-Genossen der mittleren Ebene Mut und äußerten so allerlei. Auf einem Seminar für die Journalisten sagte damals ein Mitarbeitet aus dem ZK: Für mich und für viele Genossen ist Rumänien kein sozialistisches Land mehr, sondern eine faschistoide Diktatur. Auch Honecker und Ceaucescu waren keineswegs Freunde.

Das fiel mir beim Wegräumen ein, als ich auf die neue Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller kam. Die ist Mitte der 90er aus dem PEN ausgetreten , weil sie nicht mit den Vertretern aus dem Osten einverstanden war. Eine Nobelpreisträgerin die recht absolut ist in ihrer Weltsicht und deren bittere Erfahrungen in Rumänien nun, ganz bewusst wieder, für das Ganze genommen werden.

Ob die nachträgliche Wertschätzung durch einen Nobelpreisträger bewirken wird, dass Honecker nun weniger dämonisiert und die ganze DDR nicht andauernd in die Nähe des Dritten Reiches gerückt wird , ist allerdings kaum zu erwarten. Hitler war ist auch interessanter. Ein verhinderter Maler gegen einen schalmeienspielenden Dachdecker. Da fasziniert doch mehr dieses Monster von der Schöngeisterbahn.

Schürze ab, Handtuch über den Trockner, Ende für heute.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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