Alles ein Abwasch XXIV - Mitte der Karwoche

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Die Karwoche ist zwar eine Leidenswoche fiel mir beim Küchendienst ein, aber der Ehegatte ließ die Zahnprobleme und -schmerzen dennoch höchst erleichtert hinter sich und fand sich - unverdrossen und erfreut über die Rückkehr zu Alltagsritualen – am Abwaschtrog ein. Es ist zwar noch nicht alles vorbei, aber seine „Karwoche“ bestimmt.

Die Karwoche – als Kind durchlebte ich sie mit einer Mischung aus Faszination und Abwehr. Schon der Palmsonntag war stets sehr feierlich, außergewöhnlich und liturgisch reichhaltiger als die üblichen Gottesdienste.

Gründonnerstag gab es am Abend die wunderliche Fußwaschung. Der Pfarrer wusch den Kaplänen, die – wie ich mir schon damals sicher war – vorher penibel geschruppten Füße. Solche spielerischen Unterwerfungsrituale hatten für mich schon damals was Befremdliches.

Eigentlich hätte er auch mal spirituell den Abwasch übernehmen können, dachte ich, während ich grade den Lappen in der Kasserolle hatte. Aber – am Ende hätte man man da genau so "vor"-abwaschen müssen, wie es bei den Füßen vorgesehen ist.

Der Karfreitag mit seiner stundenlangen Liturgie berührte mich ähnlich widersprüchlich. Großes Theater war das und ich fand das als Kind aufgeladen mit Gefühlen, die mir fremd, peinlich, aber auch merkwürdig faszinierend waren und die ich nicht so gern aufgescheucht sah, weil sie in anderen alltäglichen Zusammenhängen etwas Verbotenes hatten.

Der rabenschwarz ausgeschlagene Altarraum – es war noch vor dem II. Vatikanischen Konzil - die dort komplett lang ausgestreckten Kapläne. Es war mir peinlich da hinzusehen und ich tat es doch.

Die endlos lange Passionsgeschichte, gesungen von den stimmlich sehr unterschiedlich ausgestatteten Kaplänen. Man hatte sich auf eine Tonlage wohl einigen müssen, aber einer von ihnen fiel offensichtlich aus dem mühsam erreichen Konsens und sang ein unmelodisches Falsett. Der Kirchenchor war nur an zwei Stellen gefragt, glaube ich: Dieses „Hinweg, hinweg, ans Kreuz mit ihm“ und die Stelle mit dem „Barrabas, den sie freigegeben haben wollen und nicht Jesus Christus“.

Danach kamen die ebenso langwierigen Karfreitagsfürbitten, von denen eine – für die Juden – kürzlich erneut erbitterte Kritik und eine längst fällige Debatte ausgelöst hat. Mindestens fünfzig mal ertönte das Gebot: Flectamus genua (Beuget die Knie) und nach einiger Zeit dann wieder Levate (Erhebet Euch).

Dann folgte die Kreuzesverehrung. Alle Gläubigen mussten nach vorn und die Füße am Kreuz küssen. Eklig, das Ganze, aber ich ging da auch mit.

Als Erwachsene jetzt verstehe ich meine Abwehr viel besser und sehe auch die weihrauchschwülen Obszönitäten und den Sadismus, wie er sich in einem Film wie „Die Passion“ von Mel Gibson völlig ungehemmt zeigt. Wie soll Heil kommen von solch einer „Heilsgeschichte“ – frage ich mich.

Ich weiß auch noch, dass es meine erste Protesthandlung in der Pubertät war, diese lange Liturgie nicht mehr zu besuchen. Ohnehin war zu DDR-Zeiten der Karfreitag schon eine Art von Osterfest, kein Respekt mehr vor dem Leiden des Herrn, denn den zweiten Feiertag hatten sie gestrichen.

So, Ende für heute, Schürze ab und Lappen über den Trockner.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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