Gedanken sind schwerelos

Andrea Heinisch Wer zwischen Weihnachten und Neujahr Sorgen mit dem Gewicht hat, findet in diesem Roman voller Witz und Charme eine tröstliche und amüsante Lektüre

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Andrea Heinisch – zwischen Wien und Berlin verortet - veröffentlicht seit vielen Jahren in Literaturzeitschriften und Anthologien. Vor einiger Zeit hat sie ihre Erinnerungen an Kindheit und Jugend „Als die Zukunft noch uns gehörte“ im Selbstverlag herausgebracht. Das ist eine wunderbare Zeitreise in die 1950er bis 1980er Jahre in Österreich und Westdeutschland.

Nun ist ihr erster Roman im Picus Verlag erschienen. Henriette lächelt

Die Heldin wiegt 190 Kilo und ist „über und über ausgebeult“. Ihre Mutter hat von ihr Gewichtiges – z. B. auf dem Klavier – erwartet, aber Henriette ist nur immer schwergewichtiger geworden.

Die Mutter wohnt über ihr – jedenfalls im ersten Teil des Romans - und hat für sie immer ein paar Ratschläge parat, garniert mit der Enttäuschung über die Tochter. Dass die eine kompetente Buchhalterin ist, fand sie immer zu wenig für ihre eigenen Hoffnungen. Auch als sie gestorben ist, wohnt die Mutter „über ihr“ und erhebt ihre mahnende Stimme.

Trotz aller Fressattacken und Hungeranfälle sucht Henriette nach Auswegen aus ihrem beschwerlichen Alltag. Natürlich will sie immer und immer wieder abnehmen. Wenn das nicht gelingt, dann denkt sie nach. „Henriette hat viele Gedanken und noch mehr Ideen im Kopf. Die sind schwerelos“. Trotz aller Isolation kommt das Leben zu ihr. Die Arbeit im Homeoffice – Corona macht es nötig - bringt sie mit einem Kollegen in „Zoom-Kontakt“, in den sie sich verliebt. Unter ihr wohnt eine junge Familie mit drei Kindern und einem vierten im Anmarsch. Da wird sie hineingezogen in kompliziertes schwieriges Leben und je mehr das geschieht, umso mehr hat sie zu bedenken.

Voll Wortwitz und unbeschönigt

Das alles ist niedergelegt in sehr kurzen Kapiteln, in denen wunderbarer Wortwitz und unbeschönigter Realismus zusammengehen.

Es ist eine Geschichte, in der Lasten abgeworfen werden, auch wenn das soooo langsam geht. Auch die Befreiung von der „Übermutter“ erleichtert das Leben.

Am Ende macht sich die Heldin auf und wagt etwas, zaghaft aber mit Nachdruck und lächelt. Eine alltägliche Geschichte, aber in diesem Stil ganz unalltäglich und hinreißend geschrieben.

Andrea Heinisch „Henriette lächelt“, Picus Verlag Wien, 208 Seiten, 22 Euro

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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