Der Geist von Rapallo

Merkel-Putin Im April 1922 schlossen das Deutsche Reich und Sowjetrußland im italienischen Rapallo einen Vertrag, in dem sie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbarten.

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Fiel mir wieder ein dieser Tage - Der Geist von Rapallo.

In den sechziger und siebziger Jahren wurde der Name des Ortes in Italien in der Bundesrepublik häufig- mal zustimmend und mal warnend - genannt. In einem Beitrag von 1966 hat Rudolf Augstein, der Spiegel-Gründer für ein neues Rapallo plädiert. Ein sehr langer Essay - der viel eher mit dem Verhältnis zur DDR zu tun hat und damit - indirekt- natürlich auch das Verhältnis zur damaligen Sowjetunion thematisiert. Im Grunde aber geht es immer um die Frage: Will die damalige Bundesrepublik sich nur und rein westlich verankern oder hat sie noch andere Optionen, mit denen sie diplomatisch operieren kann.

Hier ein Satz aus dem Augstein-Essay: Deutsche Realpolitik 1966 darf keine Gebietsansprüche stellen und keinen militärischen Druck ausüben. Nur durch Versöhnung mit West und Ost kann sie ihre begründeten Ziele angehen.

Das wäre auch heute noch wünschenswert.

Es ging damals natürlich um andere Vertragsgegenstände als heute. Der Erste Weltkrieg war noch nicht lange beendet, es ging um Reparationen, aber dies nicht nur. Das Echo im Inland selbst war sehr positiv, man fand es gerecht, dass Deutschland als Akteur wieder auf der internationalen Bühne präsent war.

http://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0017_rap_de.pdf

Der Geist von Rapallo wurde auch dann beschworen, wenn man den Nutzen einer politischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion hervorheben wollte. Tendenziell implizierte dieser "Geist von Rapallo" aber immer auch den Versuch, Deutschland aus einer – der sowjetischen Führung verdächtigen – Westorientierung herauszulösen. Was diese Interpretation des Rapallo-Vertrages angeht, hat Rußland die Sowjetunion beerbt, heißt es in dem verlinkten Dokument.

Die ganze Geschichte ist komplexer, aber es kann durchaus sein, dass Rapallo auch heute noch im Hintergrund dräut: Nicht zu dicht zu den Russen. Die anderen - dies- und jenseits des Atlantiks - sehen das nicht gern.

Ich denke, dass es auch dieses "Rapallo"-Syndrom ist, das die anderen NATO-Mitglieder auf der Stelle auf den Plan ruft, wenn Deutschland zu dicht mit den Russen "verkehrt". So ist vielleicht auch zu verstehen, warum Merkel nach dem langen Putin-Gespräch, das auch nicht sehr ergiebig gewesen zu sein scheint, plötzlich so harsche Töne anschlug. Denn das ist in der Tat nicht ihre Art. Sie will nicht, dass das "Gespenst von Rapallo" heraufbeschworen wird. Schon klingt sie in Kommentaren an, die Besorgnis, Putin könnte eine Bresche in die westliche Phalanx schlagen. Wobei heute die "Fronten" schon wieder anders verlaufen.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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