Senilitätsprobleme
Noch immer komme ich sehr langsam voran. Offensichtlich kriege ich die „manischen Ränder meines Wesens“ nicht erweitert. Mich ärgert die Anmerkung über alte Damen, die von großen Schläuchen träumen – ich finde die innere Größe nicht, das literarisch einzuordnen: „...alten Damen, in deren nächtlichen Träumen die Feuerwehr einen ganz speziellen Platz einnimmt, nein bitte! Sie werden doch nicht mit diesem riesigen Schlauch...nein nicht!..! ...wollen Sie nicht wenigstens diese schrecklichen Gummistiefel ausziehen...Ja, so, ja jaaaa...“
Es hat keine Funktion, es ist auch nicht die Vorstellung eines der Protagonisten, sondern des Erzählers.
Einschub: Seltsam: Ich hatte dabei sofort eine unangenehme Passage in einem anderen Buch in Erinnerung. Die Biographie des Bürgermeisters von Dessau, eigentlich ein ehrenwerter Mann, der in der NS-Zeit tapfer widerstanden hat und dafür auch abgesetzt wurde von seinem Amte. Deshalb wurde er 1945 als kurzfristig als Bürgermeister eingesetzt. Zu den Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten hat er folgende Episode zu bieten: Ein altes Mütterchen sei zu ihm gekommen und hätte gejubelt, dass sie das noch einmal erleben dürfte“. Da spricht TUM =„The Universal Macho-arsch“ (Na, jetzt sein Sie doch nicht so uncool, Frau G., denken Sie mal nicht so eng oder sind Sie so ...eng? hihi)
Als nächstes tritt Mr. Edwards W.A. Pointsman „in den weißen lauernden Schlund einer Kloschüssel“ und das ist bizzarr-amüsant, wie der versucht, das Ding wieder loszuwerden.
Mein Problem ist aber dass ich entgegen dem Effekt mit der Kloschüssel, alles sofort wieder verliere, was ich gelesen habe.
Drängende Frage: Habe ich Buch-Alzheimer oder fehlt mir einfach die Konzentration?
Auch ich lande im „Spital zur Hl.Veronika vom Wahren Bildnis Jesu für Erkrankungen der Atemwege und des Dickdarms“. Manchmal frage ich mich dann, ob die Monty Pythons auch alle Pynchon gelesen haben, denn dessen Humor ist ähnlich gelagert. Oder hießen die nicht sowieso Monty Pynchon? Ist das alles ein Stamm?
Und ich eile zu Pointsmans Klage gegenüber Kevin Spectro, der in der Kriegsneurosenstation mit der Spritze unterwegs ist. Pointsman klagt über den alten Bastard, von dem er meint, „Andauernd hat er solche....senilen kleinen Überraschungen in petto...“. Er meint Pudding, dessen Existenz mir bisher noch gar nicht untergekommen ist. Aber das wird noch. (Verehrte Frau G.: wer Figuren nicht genügend beachtet hat, muss zur Strafe 10 Seiten zurück, kapiert?)
Na, noch ein Seniler. Und der ist auf der Suche nach Slothrop, den er gern erforschen will wegen dessen einzigartigen Fähigkeiten.
Liebe Leser, ein Jahrhundertbuch. Vielleicht bin ich damit fertig, wenn ich Hundert bin. Ob an Jahren oder an Seufzern, ich weiß es nicht.
Der Text ist Teil eines Projekts:
Wir lesen gemeinsam Thomas Pynchons "Die Enden der Parabel".
Kommentare 13
Ich habe auch ganz große Schwierigkeiten mich zu konzentrieren, ertappe mich, dass ich plötzlich während des Lesens über ganz alltägliche Dinge nachdenke und schwupps ist ne Seite gelesen ohne in meinem Gehirn bewusst angekommen zu sein. Bei Passagen die sich mir nicht erschließen lese ich einfach weiter, denn sonst komm ich nie weiter.
Klasse geschrieben, eigentlich bald schöner als das Buch! ;)
Buch-Alzheimer kenne ich auch! :)
Abstossend die Äusserung des Bürgermeisters von Dessau! Da wollte jemand witzig sein,aber Mann kann sich nur ekeln vor solch einer abstossenden männlichen Selbsteinschätzung.
Interessant finde ich die Paralellen zu Monty Phyton, die meiner Meinug nach nicht von der Hans zu weisen sind.
Ich komme zur Zeit auch eher nur sehr schwerfällig voran und mittlerweile hast Du mit mir gleichgezogen obwohl Du viel später angefangen hast!
Bist ja nun schon viel weiter als ich - und ich stelle bei mir auch fest, dass ich etliches zweimal lesen muss, weil sich der Inhalt mir nicht erschloss und ich mich plötzlich ganz woanders finde...
Danke für Eure Kommentare,
ich bin jetzt wild entschlossen, das Buch in seiner "Schwere" und "Bedeutsamkeit" nicht ernst zu nehmen. Vielleicht komme ich dann besser voran. Und spinne mir eine Sekundärposse zusammen, wenn ich in Stimmung bin.
@ kalle - genau, man darf nicht dauernd denken, man hat was verpasst, wenn man was wie im Tran liest.
@ ruhrrot - "Klasse geschrieben, eigentlich bald schöner als das Buch! ;)"
Das ist nur der Wunsch nach Ablenkung, der aus Dir spricht. Sofort liest Du jetzt 10 Seiten weiter, aus Disziplingründen. :-))
liebe Magda, das sind doch schöne beobachtungen, und sicher ist es nicht ganz einfach, denn was da eigentlich abläuft, ist eine art "bewußtseinsstrom" und assoziatives gewitter, zu dem die agierenden in unterschiedlicher weise zugang finden, sich ins verhältnis setzen - alles scheint verfügbar, wie heute im netz, als hätte das pynchon irgendwie vorweggenommen und das zur grundstruktur seiner geschichte gemacht ... Versteht Ihr mich? Ich verstehe es selbst nicht ...
@Kagda
Eye, Eye Lady Magda (Haken knallen zusammen) ;)
@magda
sorry, es muss natürlich magda heissen.
@jayne
Ist verständlich. Ein ziemlich cleverer Gedanke, den ich leider nicht ergänzen kann.
Was ich wirklich sehr beruhigend finde: die Lesegeschwindigkeit scheint sich bei allen ungefähr im gleichen Rahmen zu bewegen. Und schon diesen Blogbeitrag zu lesen, lässt mich Dinge rekapitulieren, die ich fast schon wieder vergessen hatte.
(Bis auf die Details in der Kloschüssel und der dahinter liegenden Welt. Die halten sich hartnäckig, da morgens auf nüchternen Magen gelesen.)
Pass bloß auf ruhrmoos - ach pardon...:-))
Was mir auch schon in den Sinn kam, ist vielleicht ähnlich. Es ist andauernd, wie immer auf dem gleichen Ton. Alles gleich, durchaus wort- und metaphernreich, aber so als hebt keiner die Stimme wirklich.
Es summt dramatisch oder ....so.
Gruß
Spannend wie die Tour de France...
auch für einen Zuschauer wie mich
(beifallklatsch!)
Tatsache? Freut mich.
Schönes Wochenende. Ich verreise jetzt ein paar Tage zu meiner Freundin in die Lausitz, nach Bohsdorf, wo der Schriftsteller Erwin Strittmatter seine Kindheit verbracht hat.
Entschuldigung: Ist auch ein bisschen Literatur, aber kein Thomas Pynchon. :-))))))))´. Eher sehr konkret.