Eine Pionierin in der Gleichstellungsarbeit

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im Gespräch mit Heli Ihlefeld

Während in derFreitag aktuell und anregend über Alphabloggerinnen meditiert, in der Community über den verderblichen Einfluss desFeminismus auf die Emanzipation der Menschheit gestritten wurde. Während dieQuotenfrage schöpferisch auf so viele gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt wurde, dass sie auf nichts mehr passt und während in der taz der Personalvorstand der Telekom, Thomas Sattelberger, für seine Pionierrolle bei der Durchsetzung von Frauenquoten in Vorstandsetagen gefeiert wurde, weil der Erfolg immer viele Väter, aber keine Mütter hat, war ich bei Heli Ihlefeld zum Gespräch.

Sie ist schon eine Weile im Ruhestand, wohnt in einem der Wohnhäuser des Beginenwerkes in Berlin. Sie verfolgt die Debatte um Quoten, Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit mit großem Interesse.

https://lh5.googleusercontent.com/_Sc4ZfO5dTTA/TWYeFexZufI/AAAAAAAAB2A/NWrJQMe6qV8/s400/Ihlefeld-Bolesch.jpg

Einige Wochen zuvor hatte ich sie getroffen, auf einem Empfang der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin Stadt der Frauen (ÜPFI). Wir sprachen über ihr – vor einiger Zeit erschienenes Buch "Auf Augenhöhe" und darüber, dass sich so viele Entwicklungen in diesem Lande im Schneckentempo vollziehen.

Im Vorwort von „Auf Augenhöhe“ hat Heli Ihlefeld einen Begriff verwendet, der die aktuelle Polemik der Journalistin Bascha Mika so publikumswirksam und gefällig aufgemotzt hat: „Feigheit“: „Früh schon beschäftigte mich das Thema Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Dabei dachte ich nicht vordergründig über die Bösartigkeit oder Unfairness der Männer Frauen gegenüber nach. Auch nicht über die Feigheit der Frauen, die sich so wenig dagegen zu wehren schienen, überall nur die zweite Geige zu spielen. Ich glaube natürlich nicht, dass Frauen die besseren Menschen sind. Vielmehr sehe ich, dass Männer und Frauen gleichwertige Menschen sind. Nein, es ist das System, das mächtig und konsequent die Welt in zwei Hälften teilt: die männliche und die weibliche . Männlich sein heißt durch Geburt zum Herrn und Erben bestimmt sein, weiblich sein zu Dienerin und Nebensache,“ schreibt sie.

Stabsstelle Gleichstellung

beim Telekom–Konzern

Sie war viele Jahre Leiterin der Stabsstelle Gleichstellung im Telekom-Konzern und hat sich dort nachhaltig und zäh um bessere Chancen für Frauen bemüht. Denn das Ziel „Mehr Frauen in Führungspositionen“ braucht gute, nachhaltige Vorbereitung.

Ihr Weg dorthin war keineswegs geradlinig. Eigentlich ist sie Journalistin, hat lange Jahre für verschiedene Medien – u.a. für die Münchner Abendzeitung und für den Stern - aus Bonn berichtet. Sie hat Interviews mit fast allen führenden Politikerinnen und Politikern geführt und - gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Hermann Otto Bolesch – einen jour fixe initiiert, der die politische und gesellschaftliche Kommunikation in Bonn belebte. Sie war lange Jahre mit Willy Brandt verbunden, über den sie immer nur kurz Auskunft gibt. Sie sagte: „Ich habe ihn sehr ...bewundert.“ Und diese kurze Pause in ihrer Aussage machte vieles deutlich. Es ging um ein starkes Gefühl, das sie lapidar und „norddeutsch“ wie sie ist, auch einmal in die Worte fasste: „Wir mochten uns“. Sie denkt auch jetzt oft an ihn. Aber wir vertiefen das nicht weiter.

Schon damals – Mitte der 60er Jahre - erlebte sie bei der täglichen Beobachtung und Arbeit die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen, um ihre Chancen im Beruf ging.

So schrieb sie in einem Kommentar zum Artikel 3, Abs. 2 des Grundgesetzes, der dringend der Umsetzung durch gesetzliche Initiativen harrte: „Eigentlich müssten die Frauen streiken. Denn das Schlimme am Thema Gleichberechtigung ist, dass man es nicht mehr hören kann. Die meisten Männer nicken zwar verständnisvoll oder sagen ihre Unterstützung zu. Aber, wenn es dann zum Schwur kommt, wenn ihnen eine Frau Konkurrenz macht, dann ist nicht mehr die Frage, wer der oder die Tüchtigere ist, sondern nur: „Wer ist der Stärkere?“Ihre Diagnose kennen Frauen in allen Zeiten, übrigens auch unabhängig von Ost und West.

Sie kam – nach ihrer Zeit als Beraterin bei Bundestagspräsidentin Annemarie Renger und verschiedenen Aufgaben bei der damaligen Bundespost - nach der Privatisierung zur Telekom und erlebte in ihrer neuen Aufgabe, im Auf und Ab, welch dicke Bretter da zu bohren waren. Auch hier machte sie die Erfahrungen mit dem „System“, das alle Frauen, die sich engagieren, kennen: „Ich sah, wie schwer ein System – in der ganzen Welt übrigens - das auf männliche Spielregeln und Rollenverteilungen gegründet ist, verändert werden kann. Hierarchisches Denken ist männliches Denken, das verbunden ist mit Machtsucht und Machspielchen. Frauen suchen den Konsens, Verständigung und Verstehen. Aber durch ihre Machtlosigkeit durch Jahrtausende hindurch erkennen Frauen andere erfolgreiche Frauen nicht an, machen sie oft nieder, häufiger sogar als es Männer tun. Und sie machen weiter den Männern, den Mächtigen, den Hof.“

So begann sie, die eher Zurückhaltende, gemeinsam mit einer Mitarbeiterin ihre Arbeit. Sie war zuständig für die Frauen in einem Unternehmen mit 130 000 Mitarbeitern. Sie musste sich verwahren gegen sachfremde Aufgaben, sie musste erst Vereinbarungen erarbeiten, die ihr Handlungsmöglichkeiten eröffneten, sie musste erleben, dass errungene Abmachungen am Ende kommentar- und folgenlos in irgendwelchen Aktenordnern verschwanden. So z.B. jene, die ihr garantieren sollte, dass sie an allen Entscheidungen zu beteiligen sei, in dem Gleichstellungsfragen berührt werden. Etwas, das heute Gender Mainstreaming genannt wird.

Es ging dennoch Schritt für Schritt voran. Frauenförderkonzepte wurden entwickelt, denn das Ziel, mehr Frauen an verantwortliche Stellen zu bringen, braucht das, was bei Männern meist schon vorhanden ist: Karrierevorbereitung, -vorlauf, -planung. Und so begann sie den Personalvorstand der Telekom mit Initiativen – z. B. einem Symposium „Frauenförderung zur Gewinnung qualifizierten Führungsnachwuchses“ zur Handlung zu treiben – etwas, das heute Thomas Sattelberger ganz selbstverständlich über die Lippen geht.

Patriarchat-Ost: „Aber wir

sind gut zu unseren Frauen“

Sie lernte bei der Vorbereitung ihres Frauenförderkonzepts auch die Verhältnisse in den neuen Bundesländern kennen. Frauen mit technischer Ausbildung gab es zwar viel mehr, aber sie landeten nicht in Spitzenfunktionen. Sie blieben meist im Verwaltungsbereich. Als sie den dortigen Direktionsleiter fragte, warum unter seinen Abteilungsleitern keine einzige Frau ist, antwortete er empört: „Aber, wir sind gut zu unseren Frauen.“ Patriarchat-Ost.

Als der Personalvorstand die Entwicklung eines „Goldfischteiches“ beschloss, in dem Kräfte gefördert werden sollten, die sich als besonders begabt für Führungsaufgaben zeigen, stellte sich - mal wieder - heraus, dass guten Worten keine Taten folgten: Keine einzige Frau war unter den Auserwählten, obwohl es eine Menge gut ausgebildeter Frauen gab.

Sie initiierte oder beteiligte sich an neuen Initiativen: „Frauen geben der Technik neue Impulse“ wurde gemeinsam mit anderen Frauenbeauftragten auf den Weg gebracht.

Als die Telekom im Jahr 1994 das Total Equality Management einführte, nutzte sie die Chancen, die diese Methode für die Gleichstellung hat. So erlebte ich sie vor vielen Jahren auch auf sehr engagierten Veranstaltungen und Symposien zum Thema.

Die „gläserne Decke“ - auch

heute noch ein Hindernis

Auch wenn viel erreicht ist, sie wundert sich im Gespräch mit mir, dass die jungen Frauen die Benachteiligungen gar nicht sehen wollen, alles für übertrieben halten und von der Notwendigkeit von Gleichstellungsarbeit und Geschlechtergerechtigkeit wenig überzeugt sind. Erst nach einiger Zeit, wenn sie die „gläserne Decke“ nicht überwinden, stellen sie fest, was auch heute noch Realität ist: Grenzen, Einschränkungen. Dann erleben auch sie, wie es ist, wenn sie einen Vorschlag machen, zu dem keiner etwas sagt, der abgetan wird und am Ende kommt ein Mann und macht den gleichen noch einmal und wird belobigt. Und wenn Männer, die sagen, sie richteten sich nicht nach dem Geschlecht, sondern es ginge ihnen um die Qualifikation und da fänden sie halt keine Frauen, sich für äußert objektiv halten. Oder wenn Frauen belächelt, stammtischartig begockelt und am Ende gemobbt werden.

Seltsam, als wir darüber sprechen habe ich auch viele Beispiele parat, wie Frauen ausgebremst werden, wie sie beginnen zu zweifeln und das am Ende als ihr persönliches Problem sehen, wie sie an Mut verlieren und manchmal auch bitter und zornig werden darüber.

Harte Worte über

weibliche Konkurrenz

Nicht nur die Männerwelt ist langsam in der Einsicht, auch die Frauen sind es und manchmal entlädt sich Heli Ihlefelds Enttäuschung darüber in bitteren Diagnosen: „Frauen halten weiterhin Männer für ihre Herren und Meister. Im Beruf rivalisieren sie daher nicht mit männlichen Konkurrenten, sondern nach Möglichkeit mit anderen Frauen. Sie kämpfen damit um die Gunst der Herrscher. Frauen benutzen subversive Techniken in diesem Konkurrenzkampf und gehen damit bis zur Selbstzerstörung, wenn nur die Konkurrentin nicht siegt. Sie schreiben sich die Solidarität unter Frauen auf ihre Fahnen, um unter deren Schutz alte Rollenspiele in neuer Umgebung weiterspielen zu können. Dazu inszenieren sie Chaos, weil sie darin ihre Spielchen besser verbergen können“. Harte Worte. Aber, wer manche Frauenmeetings erlebt hat, weiß, dass es dieses chaotischen Zerreden gibt, das am Ende jedes Ergebnis verhindert. Sie selbst hat sich gegen diese frauenspezifische Kommunikationsart gewehrt und postuliert nach einer entsprechenden Debatte mit Frauen, die eine andere Vorstellung von Teamarbeit haben als sie. „Sie verstehen Teamarbeit als Mitbestimmung. Ich aber sehe sie als Delegation von Verantwortung und als einen Meinungsbildungsprozess für mich durch eine offene Diskussion, bei dem aber zum Schluss ich entscheiden muss Ich habe die Verantwortung und daher werde auch ich entscheiden über die Politik meines Fachbereichs und die damit zusammenhängenden Fragen“. Das habe ihr Ruhe verschafft und Vertrauen, meint sie.

Mit feministischen Grundfragen hat sie sich beschäftigt, aber sie war nie eine Radikalfeministin. Ihr ging es immer um die alltägliche Praxis in der Gleichstellung. Anklägerisch auf vorhandene Defizite hinzuweisen, war nicht ihre Sache, sondern nachzuweisen, dass es ein Vorteil für ein Unternehmen ist, paritätische Teams zu haben, dass es für gute Unternehmenskultur spricht, wenn motivierten Frauen die Karriere ermöglicht wird, nicht mehr und nicht weniger.

Während ich über Heli Ihlefeld schreibe, kommt mir durchaus Hoffnungsvolles in den Sinn: Es gibt – bei allen Abwehrreflexen - Fortschritte. Wenn in diesen Tagen DGB-Chef Michael Sommer erneut eine Frauenquote fordert, weil das Prinzip der Freiwilligkeit nichts gebracht hat, dann ist das ein Schritt voran.

Und vielleicht hängt es auch mit unserem Gespräch zusammen, dass ich kürzlich von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt träumte. Das ist der, der die Quote so vehement ablehnt. Ich sah im Traum, wie er sich plötzlich feiern lässt, weil er verstärkt die Karriere von Frauen in den Blick genommen, sich dafür engagiert hatte. Man heftete ihm einen Gleichstellungsorden an. Als ich aufwachte und über die Unmöglichkeit einer solchen Vorstellung nachdachte, fiel mir ein: Vielleicht tat er das in meinem Traum nur,um die gesetzliche Quote zu verhindern.

Wäre das nicht auch ein Erfolg, an dem Frauen wie Heli Ihlefeld über viele Jahre mitgewirkt haben?

______

Foto Startseite: Holger Hollemann / dpa

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden