Die schöne Frau Seidenmann

Friedensfragen Wenn es um Krieg oder Frieden geht scheint immer alles ganz einfach. Alle wollen Frieden oder wollen, wie eine deutsche Schlagersängerin schon vor vielen Jahren wünschte und sang: "Ein bisschen Frieden".

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Als Nicole 1982 European Song Contest gewann, ließ sich die Moderatorin des Abends - eine Britin - zu einem leicht ironischen Ton verleiten, als sie ansagte: "A little peace from Germany".
Hierzulande gibt es Menschen, die Frieden wollen. Eigentlich wollen den die meisten Menschen, fast alle, aber viele wollen keinen Frieden, sondern nur in Ruhe gelassen werden.

Es ist so einfach, Frieden zu fordern, wie ein nervöser Nachbar, der zur Krawallgesellschaft über ihm brüllt" Ruhe bitte".

Ich war dieser Tage in einer Probevorstellung in der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch". Einer der Studenten im 1. Studienjahr hatte sich den Reinhard Mey vorgenommen "Nein, meine Söhne geb ich nicht". Er hat das Lied so innig empfunden, dass er gegen Ende mit den Tränen kämpfte. Ach, wer versteht das nicht.
Was aber tun Menschen, die gegen etwas kämpfen müssen oder auch solche, die für etwas kämpfen? Die umgeben von feindlichen Aggressoren sind, Opfer eines Angriffes wurden, die wissen, dass sie, wenn sie in die Hände des brutalen Gegners fallen, wahrscheinlich sterben müssen.
Und während ich darüber nachdenke, fällt mir der Roman des Polen Andrzej Szczypiorski

"Die schöne Frau Seidenmann"

ein.
Er spielt in Warschau während der deutschen Besatzung. Es geht um die Rettung einer jüdischen Frau vor der Deportation. Viele einzelne Episoden und viele menschlichen Lebenswege und Schicksale werden entlang dieser Rettungsaktion erzählt.

Der Beginn aber warf mich mitten hinein in die gegenwärtigen Debatten. Als Kujwawski meint, er habe genug vom Krieg und wolle sofort Frieden, wird Romnicki heftig und fragt:

"Wo sind die Sowjets? Nehmen wir an, ungefähr am Don. Und die Angelsachsen? In Nordafrika. Vortrefflich. Unser werter Adolf Hitler beherrscht Europa. Und wir beenden heute den Krieg, Herr Kujawski. Denn Sie waren so freundlich zu bemerken, der Friede sei das Wichtigste. Ist es nicht so?« »Herr Richter«, rief Kujawski aus. »Wie denn? Mit den Deutschen am Hals?« »Entscheiden Sie sich, verehrter Freund. Außerdem werden sie sich von morgen an ändern. Es gibt Frieden, Frieden gibt es! Erst die Präliminarien, versteht sich, dann die Friedenskonferenz, ein paar Zugeständnisse von beiden Seiten. Die Sowjets dies, Hitler das, die Angelsachsen noch etwas anderes, aber Sie stehen ja auf dem Standpunkt, der Friede sei das Wichtigste, deshalb müssen sie irgendwie übereinkommen,dafür hat die Welt ihre Diplomaten, Staatsmänner, all die öffentlichen und geheimen Kanzleien, den Austausch von Dokumenten, Zylinder, Limousinen, Champagner, Friede den Menschen guten Willens, Herr Kujawski.«

Und dann entwirft er noch ein Bild davon, wie es sein wird, versklavt unter der Herrschaft Hitlers zu leben.

Ist Romnicki ein Kriegstreiber?

Tja, was jetzt? Ist Richter Romnicki oder jene, die seine Haltung verstehen, ein Kriegstreiber oder ist das eine Deutung aus der Orwellschen Giftküche, die neuerdings so heftige Blasen schlägt. Einer, der zu jener Zeit sofortigen Frieden nicht für erstrebenswert hält. Wie schrecklich.
Jaja, wir wissen, dass solche historischen Vergleiche hinken können. Wie ist es aber heute? Heute würde uns ein Volk, das eventuell wieder unter Fremdherrschaft käme, wenig interessieren und wenn der Aggressor stark und rücksichtslos ist würden wir dafür plädieren, ihm seinen Willen zu lassen. Denn wir sind auf der Seite des Schneiders Kujawski, der Frieden sofort wünscht.
"Die Waffen nieder " so der bekannte Buchtitel von Berta von Suttner. Aber dieser Aufruf wendet sich an alle Kriegsparteien, nicht nur an eine, die beschuldigt wird, durch Widerstand die Kampfhandlungen weiter zu betreiben, statt aufzugeben.
Es ist verständlich, über ein Lied zu weinen, das eine Absage ist, aber auch eine Absage - wie eine kluge Freundin von mir meinte - die in Friedenszeiten wenig kostet. Erst in Kriegszeiten stellt sich heraus, wer sich wie entscheidet. Und ich denke noch an ein Bühnenstück von Bertolt Brecht "Die Gewehre der Frau Carrar". Dort entscheidet sich die Heldin, die Waffen hervorzuholen und sie ihren kämpfenden Söhnen zu geben..
Der Frieden muss bewaffnet sein. Und "Hass auf die Feinde des Sozialismus" gehörten zu den Schlagworten der Vergangenheit in der DDR. Es scheint so, als hätten die so unterschiedlichen geschichtlichen Situationen immer auch passende Slogans bereit.
Ich bin für Frieden, aber ich denke, dass - trotz aller Verschiedenheiten der Situationen - der Richter Romnicki Recht hat. Ihm ging es damals um Polen um seine nationale Unabhängigkeit.
Wir haben in der Gegenwart kein Recht, ein Land, dessen Unabhängigkeit bedroht ist, zum Frieden zu mahnen oder zu verdammen, weil es weiter kämpft. Wir können über diese Aggression nur trauern, auch weinen und hoffen, dass der Frieden siegt, aber wir können ihn nicht verlangen.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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