Geteilte Stadt in der Literatur

Max Frisch Die Berliner Tagebücher mit einem Versuch über eine Mauer

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Eigentlich wäre das ein schönes Rätsel. Von welcher Stadt ist in diesem Text die Rede?

"Die Mauer, die er so unermüdlich knipste, ist schliesslich überall dieselbe, Beton und Stacheldraht, stellenweise ist oben ein Beton-Rohr befestigt, dessen Rundung dem Flüchtling keinen Griff bietet. Es muss sehr schwierig sein, dieses graue Hindernis zu überklettern, selbst wenn nicht geschossen wurde; Spitzensportler haben die Anlage geprüft. Dahinter zehn bis fünfzehn Meter mit dem Rechen gekämmter Sand, damit Fusstritte zu erkennen sind, dazu die Bogenlampen, die diese verbotene Zone auch in der Nacht erhellen, dazu die Wachttürme; mindestens einen sieht man von überall her.

Hunde waren an diesem Tag nicht zu sehen, also auch nicht zu knipsen. Eine gewisse Enttäuschung meines ausländischen Gastes war nicht zu verkennen; offenbar hatte er sich diese Anlagen doch sensationeller vorgestellt."

Nein, die Rede ist nicht von Berlin. Aber als Max Frisch in den 70er Jahren einige Zeit in Westberlin lebte, fragte er in einer Textfantasie wie sich seine Heimatstadt Zürich geteilt ausnehmen würde und wie sich die Menschen in Zürich - West und Zürich-Ost zueinander verhalten würden. Natürlich fließen seine Beobachtungen in der real geteilten Stadt Berlin in seinen Text ein. Er kommt zu Assoziationen, die durchaus real sein können bis gar in die Gegenwart.

"Was noch interessiert einen ausländischen Gast? Unser Leben ist alltäglich, wie gesagt, hüben und drüben. Unterschiede des Komforts.

Viele auf unsrer Seite begnügen sich mit Erbarmen, das in Herablassung übergeht, doch gibt es auch einige, die sich ernsthaft um Entspannung bemühen; die haben es schwer, da es hüben und drüben, trotz aller Unterschiede, Privilegierte und andere gibt, und natürlich sind es hüben und drüben die Privilegierten, die den Zustand unerbittlich bejahen.

Eingebetteter Medieninhalt

Max Frisch wohnte in der Berliner Sarrazinstraße 8 in Berlin-Friedenau.

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Enge Verbindungen hatte er zu Günter Grass, der - um die Ecke - in der Niedstraße 13 wohnte

Der erste Eintrag im Berliner Journal lautet: Übernahme der Wohnung Sarrazinstraße 8 und Abend bei Grass. Nieren

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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