Mir fiel dieser Tage ein, welches unglaubliche Theater im Jahre 1970 die gesamte DDR durchzog, als der 100. Geburtstag von W.I. Lenin anstand. Es gab keine Brigade, die nicht „zu Ehren Lenins“ irgendeine Verpflichtung abzugeben hätte. Und die Witze potenzierten sich mit der Häufigkeit der öffentlichen Lenin-Beschwörungen.
Einer ging so:
Eine Brigade der Thüringer Uhrenfabrik schenkt dem sowjetischen Volk zu Ehren des 100. Geburtstages von Lenin eine Kuckucksuhr.
Alle Stunden kommt ein Kuckuck raus und ruft:
„Lenin, Lenin.“
Was schenkt die Konkurrenzbrigade?
Auch eine Uhr. Bei der kommt Lenin selbst aus dem Türchen und ruft:
„Kuckuck, Kuckuck“.
Ja, schon gut, ist nicht der Knaller.
Und immer mal wieder zitierte einer dieses Brechtsche Werk,
Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin , indem sie sich nützen.
In der Preisklasse ging das. Ungeachtet dieses Überdrusses und obwohl Marx und Lenin innerhalb des Publikationsorgans, für das ich arbeitete, nicht zur empfohlenen Lektüre gehörten, habe ich mir noch zu DDR-Zeiten zwei kleine Reclam-Bändchen mit Aufsätzen von Lenin gekauft, Die Ost-CDU suchte verzweifelt nach Texten, welche die Gemeinsamkeiten zwischen Marxisten und Christen belegen könnten. Denn man beschwor gern das christliche Arbeitsethos, wie es sich in beiden Konfessionen dingfest machen lässt. „Bete und Arbeite“ oder „Arbeit als gottgewollter Lebenszweck“. Da überschnitten sich die Interessen, das war probat, wenn es galt, den sozialistischen Wettbewerb zu stärken. „Bürgerpflicht und Christenpflicht“ hieß eine Gesprächsreihe, welche die CDU-Ost zu diesem Thema initiierte.
Es verstärkte sich schon damals in mir der Verdacht, dass man viele von Lenins klugen Ideen verschwieg, weil der deformierte Sozialismus, der in der DDR als „real existierend“ galt, sich nicht an seine vernünftigen Wurzeln erinnern wollte. Und das mag mich bewogen haben, die erworbenen Lenin-Schriften so nach und nach zu lesen.
Die große Initiative – eine Sammlung mehrerer Aufsätze Lenins zumThema der Umgestaltung des Arbeitsethos im nachrevolutionären Russland.
"Klasse", dachte ich und nahm mir gleich den ersten Text dazu vor: „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“ Aha, dachte ich, das ist doch genau was ich brauche. Den Eingangssatz überschlug ich zunächst, der behandelte, sehr plakativ, wie ich damals meinte, die Natur des Kapitalismus und seine Wettbewerbsbedingungen.
Aber dann kam sie auch schon, die Frage: wie man „die große Sache der Ablösung der unfreien Arbeit durch die Arbeit für sich selbst....“ , dieses gigantische Werk in Gang bringt.
Es ist alles ganz einfach. „Säuberung“ heißt das probate Mittel. Es geht um die „Säuberung der russischen Erde von allem Ungeziefer, von den Flöhen – den Gaunern, von den Wanzen – den Reichen usw.“ Konkret schlug Lenin vor: „An einem Ort wird man zehn Reiche, ein Dutzend Gauner, ein halbes Dutzend Arbeiter, die sich vor der Arbeit drücken (ebenso flegelhaft ,wie viele Setzer in Petrograd, besonders in den Parteidruckereien), ins Gefängnis stecken, an einem anderen Ort wird man sie die Klosetts reinigen lassen. An einem dritten Ort, wird man ihnen nach Abbüßung ihrer Freiheitsstrafe gelbe Pässe aushändigen, damit das ganze Volks sie bis zu ihrer Besserung als schädliche Elemente überwache. An einem vierten Ort wird man einen von zehn, die sich des Parasitentums schuldig machen, auf der Stelle erschießen“.
Und so geht das noch eine Weile weiter.
Ich war reichlich entsetzt und stellte hellsichtig, wie ich nun mal bin, fest: Auf die Gegenwart, auf den sozialistischen Wettbewerb unserer dem Sozialismus verpflichteten christlichen Mitarbeiter – konnte man das kaum anwenden. Man konnte nicht einfach Leute erschießen, und wenn sie’ s noch so sehr verdienten, wie der bescheuerte Verlagsleiter, der immer die Kantine außer Betrieb stellte, damit die Leute nicht zu lange dort rumquatschten. Oder der Fotograf, der einen immer so lange warten ließ, bis er endlich ein Bild geschossen hatte. Und schon gar nicht konnte man sie die Klosetts reinigen lassen, denn das tat die Mitarbeiterschaft schon geraume Zeit in Eigenverantwortung und zwar klaglos. Das war keine wirkliche Strafe. Und zum Wettbewerb animierte das schon gar nicht.
Lenins Vorschläge taugten nichts und ich dachte darüber nach, ob sich die DDR-Führung vielleicht wegen dieser Undurchführbarkeiten nicht gern auf Lenin bezog. Überhaupt war es viel beliebter, Revolutionäre als gütige Menschheitsbeglücker darzustellen, als den steinigen brachialen Weg einer Revolution ungeschminkt ins Bewusstsein zu rücken. Für das Menschliche gab’s eine Anekdote zu Lenin und Beethovenscher Musik. Lenin soll zu Gorki gesagt haben: „Ich kenne nichts Schöneres als die "Appassionata" und könnte sie jeden Tag hören. Eine wunderbare, nicht mehr menschliche Musik! Ich denke immer mit vielleicht naivem, kindlichem Stolz: daß Menschen solche Wunder schaffen können!" Aber allzuoft kann ich diese Musik doch nicht hören. Sie wirkt auf die Nerven, man möchte liebe Dummheiten reden und Menschen den Kopf streicheln - die Hand wird einem sonst abgebissen. Schlagen muß man auf die Köpfe, unbarmherzig schlagen - obwohl wir im Ideal gegen jede Vergewaltigung der Menschen sind. Hm, hm, hm - unser Amt ist höllisch schwer“.
Na gut, das hat mein Mitgefühl, wenn einer lieber Musik hören will, statt zu hauen. Die Anna Seghers fand auch einmal, es sei doch sehr schwer, was Lenin alles zu bewältigen habe. Die Millionen Menschen zu ernähren und zu kleiden. Tja, dachte ich bei mir: Wenn er alle erschießen will, die das können, dann muss er halt allein ran.
Eigentlich ist diese Beethoven-Anekdote auch schon „zu Tode gehetzt“ durch alle einschlägigen Beiträge zum privaten Lenin.
Erst nach der Wende fand ich einen absolut guten und komplett verwendbaren Leninschen Satz. Es ist der von mir vernachlässigte Eingangssatz zu diesem Wettbewerbstext: Da schreibt Lenin über das Wesen der kapitalistischen Konkurrenz: „Die bürgerlichen Schriftsteller schreiben und schreiben ganze Berge von Papier voll, um die Konkurrenz, den privaten Unternehmungsgeist und sonstige prächtige Tugenden und Reize der Kapitalisten und der kapitalistischen Ordnung zu verherrlichen. Den Sozialisten wurde vorgeworfen, sie wollten die Bedeutung dieser Tugenden nicht erkennen und der „Natur des Menschen“ nicht Rechnung tragen. In Wirklichkeit aber hat der Kapitalismus längst die selbstständige kleine Warenproduktion, unter der die Konkurrenz in einigermaßen breitem Ausmaß Unternehmungsgeist, Energie kühne Initiative entwickeln konnte, durch die fabrikmäßige Produktion in Groß- und Riesenbetrieben , durch Aktiengesellschaften, Syndikate und andere Monopole ersetzt. Die Konkurrenz unter einem solchen Kapitalismus bedeutet eine unerhört brutale Unterdrückung des Unternehmungsgeistes, der Energie und der kühnen Initiative der Massen der Bevölkerung, der gigantischen Mehrheit der Bevölkerung, von neunundneunzig Prozent der Werktätigen bedeutet ferner, auf den obersten Sprossen der sozialen Leiter, die Ersetzung des Wettbewerbs durch Finanzschwindel, Vetternwirtschaft, Liebedienerei“.
Tja, das hielt ich damals für platt und überschlug es. Heute finde ich, dass das ein sehr aktueller, einleuchtender Satz ist.
Heute vor 85 Jahren ist Lenin gestorben.
Kommentare 36
Was würde der wohl heute zu all diesen Hedge, Warentermin und anderen Wirtschaftstricksereien sagen die sich als selbstregulierende Elemente des freien Marktes in Produktionssenkungen und Unternehmenszusammenbrüchen ausdrücken? "Hm, hm, hm - unser Amt ist höllisch schwer" ...
Nochmals Lenin lesen! Denn - Lenin ist am 21.01.1924 (!) gestorben; nach A. Ries also vor 87 Jahren!
Es gibt in Lenins Schriften mehrere Brüche. Es ist eben ein Unterschied, ob man sich in der Oppostion oder gar Illegalität befindet oder Staatsverantwortung trägt; s. Gegenwart. Zudem gab es Zeiten, in denen er sich mit Philosophie statt mit Wettbewerbsfragen befasste. Was sich aber durchzog, war der Ton, den er anschlagen konnte - Beispiel: seine Kritik des "Empiriokritizismus", in dem er den Physik-Nobelpreisträger Mach wie einen dummen Schuljungen runterputzte.
Du bist ja wieder mal hinterlistig, erst den Satz nur beiläufig erwähnen - und ihn am Schluss in voller Schönheit zu zitieren. :)
Der Satz mit dem Erschießen oder Stigmatisieren von 'Gaunern und Parasiten' und dergleichen integrationsunwilligen Leuten müsste doch heute reichlich Anklang finden...
Was die Teppichweber Brechts angeht, ich dachte immer, man sollte mit dem Geld für ein Heldenstadtdenkmal in Leipzig lieber z.B. das Naturkundemuseum retten. Aber kann Kommunisten-Freund Brecht ein Vorbild sein, der einen Lenin mit einer Öko-Sauerei zu feiern empfiehlt?!
auch Massenmörder sagen schon mal Sinnvolles, Lenin als Befürworter des "Roten Terrors" war schließlich der Wegbereiter Stalins.
Ich weiß zwar nicht, wie viele Tote von den 100.000.000 auf das Konto Lenins gehen, sicher aber ein großer Teil.
Wäre ja vielleicht ganz interessant, tolle Sätze von anderen Massenmördern mal raus zu suchen, die heute noch instrumentalisiert werden könnten, Hitler, Stalin, Mao und Pol Pot haben bestimmt da was zu bieten.
Merkt hier eigentlich noch jemand was?
Lenin O-Ton:
„Je mehr Vertreter des reaktionären Priesterstands und der reaktionären Bourgeoisie an die Wand gestellt werden, desto besser für uns. Wir müssen all diesen Leuten unverzüglich eine solche Lektion erteilen, daß sie auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr an irgendwelchen Widerstand denken werden“
„Die intellektuellen Kräfte der Arbeiter und Bauern wachsen im Kampf gegen die Bourgeoisie und ihre Helfershelfer, die so genannten Intellektuellen, die Lakaien des Kapitals, die sich als Gehirn der Nation wähnen. In Wirklichkeit sind sie doch nur der Unrat der Nation.“
http://www.abload.de/img/leninstalindmdj.jpg
Lenin, ein Massenmörder, dem hier gehuldigt wird?
Ich denke eher, dass hier unverbesserliche Altkommunisten ein Forum für ihre zumindest für mich durchschaubaren Absichten missbrauchen.
Hallo,
@ sachichma - Tja, was würde er sagen. Verschärfter Kampf gegen alle Ausbeuter und Parasiten.
@ Nietzsche 2011 - Danke - so ein Mist. Ich habe mich verrechnet. Macht nischt.
"Materialismus und Empiriokritizismus" habe ich auch gelesen. Und schon damals ist mir der "Ton" aufgefallen.
Und wenn ich z.B. "Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus" lese, wird mir auch eigen. Aber, das wäre jetzt eine andere Debatte über Gewalt und Revolution und so weiter. Ich wollte - satirisch - ja nur ausdrücken, wie es aussieht, wenn man diese Schriften dann so - einfach so - lieset. Wenn die Revolution dann "an der Macht" ist und mit Gegenkräften aller Art konfrontiert usw. usw. Und - wie wenig wirklich Lenin gelesen wurde, ist mir auch aufgefallen.
@ goedzak - Na, das lobe ich mir: Hinterlist mit Hinterlist beantworten. :-))
Es ist - nebenbei - hier im Freitag mal eine Lenin-Biographie besprochen worden. Die will ich auch nochmal verlinken, obwohl das jetzt überhaupt kein "Eckdatum" ist. Ich bin vielleicht eine Rechengenie.
www.freitag.de/kultur/1043-was-von-lenin-bleibt
Aber das hier ist sehr interessant. Und mir damals gar nicht aufgefallen.
@ Forenboy - Ich bedanke mich bei Ihnen, Sie sind das Salz in der Suppe aller Debatten. Allzuviel von Ihnen aber versaut dann wieder alles. Also - schön dosieren Ihre Demonstrationen der Schlichtheit.
Na mal sehen, @ForenBoy,
ob jemand Dein donnerstagsgemäßes, selektives, einäugiges Ranking der Scheußlichkeiten hier mitmacht.
Bist ja auf der sicheren Seite, weil bei den im Grunde "Guten", den aktuellen "Freunden" - und natürlich andauernd - war bzw. ist das reiner Sachzwang; alternativlos eben.
Also bitte dosieren, wie weiter unten empfohlen...
danke @Magda,
Salz ist eben ein lebensnotwendiges Mineral, Kommunismus jedoch nicht, eher das Gegenteil.
@Magda schrieb am 21.01.2011 um 11:52
Danke für den Link; und mir ebenfalls nicht aufgefallen.
stimmt, @ebertus, die "Guten" sind hier schwer auszumachen, segeln doch viele hier unter falscher Flagge.
Aber den Stellenwert von "Einäugigen" unter den "Blinden" muss ich Dir sicher nicht erklären, oder?
Spontan fällt mir bei dem Blogtitel nur ein:
Ich und der Esel.
Also verehrter ForenBoy: Um mich und Sie gehts aber nicht.
danke magda für deine anregungen, a bisserl weiterzustöbern -
Clara Zetkin
Erinnerungen an Lenin (Januar 1925)
www.marxists.org/deutsch/archiv/zetkin/1925/erinnerungen/lenin.html
--- ein köstlich ambivalent zu lesender text. ich stelle ihn mir dann von sophie rois gesprochen vor...
Danke, das ist tatsächlich sehr interessant. Kannte ich auch noch nicht.
Liebe Magda,
wissen Sie, weshalb ich Ihr Blog gern gelesen habe? Weil Sie Lenin so ambivalent »lesen«, wie er war. Danke dafür.
Viele Grüße
J. A.-P.
Auch für Lenin gilt: gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht, im Falle Lenins gilt das besonders.
Freut mich besonders, j-ap. Sie wissen aber schon, dass die Waldbesitzer zu den "Schädlingen" gehörten. :-))
Davon abgesehen - darüber, wie ich diese Ambivalenz hinkriege, ohne zu moralisieren, musste ich auch im Wald spazieren gehen.
Absolut, verehrter ForenBoy - immer gut, dass wir Sie haben, der uns an solche Weisheiten zu unserem Nutzen erinnert.
Schönen Dank für die Erinnerung an die Leninlektüren in der DDR. Ob L. nun 87 oder 100 Jahre tot ist, ist egal; Hauptsache, er bleibt Geschichte.
Nun ja,
aufschlussreich was Sie Schreiben, gute Magda, aber offengestanden habe ich mit ihm nur marginal beschäftigt. Die Diskussion mit den Genossen hört, hört die Signale, hat mir die angeschlagenen Töne immer irgendwie bekannt vorkommen lassen … 1968.
In jenen Tagen glühte eine Flamme in mir, von der ich annahm, dass eigentlich die ganze Welt in diesen Farben glühen müsse. Der Sieg des Sozialismus schien zum Greifen nah, nur noch eine Frage von Tagen … na ja manchmal Jahre, aber eben nahe.
Wir verträufelten oder verschütteten Buttersäure auf NPD Versammlungen, in denen noch richtige alte NAZI Schergen die Wiederauferstehung des Braunauer Rattenfängers beschworen und sich Kameradschaft über den Tod hinaus versprachen. Wenn dann die Gerüche der Buttersäure die Nasen umwaberte, verklärte sich erst der Blick, denn zu sehr erinnerte der Geruch an goldene Zeiten, als auf den Feldern der Ehre unbestiefelte Füße olfaktorische Genüsse garantierten, bis man dann gewahr wurde, dass dieser Gestank nicht von Heldenquanten herrührte, sondern aus einem Chemielabor bei BAYER.
Dann kam der 21. August 1968. Die Brüdervölker der sozialistischen Internationale marschierten in Prag ein, um die Errettung des tschechoslowakischen Volkes von der Konterrevolution der Bourgeoisie zu betreiben und dabei diejenigen, die sich in freier Entscheidung der Bevormundung, Knechtung und Drangsalierung durch die große KPdSU entledigt hatten, unter ihren Panzerketten platt zu walzen. Gut heißen sollte ich diese Befreiung, verlangte der Vorsitzende des Bezirks und fand ähnlich Worte wie sie der inzwischen konservierte Kadaver in seinem opulenten Grabmonument einst gefunden hatte.
Ich habe dann das Plakat von der Wand genommen, fast heimlich, schamvoll, denn was man täglich sehen konnte nährte nicht die Hoffnung, dass die sozialistischen Brüder das was sie taten, aus brüderlicher Liebe begonnen hatten. In meiner grenzenlosen Naivität schrieb ich dann: hiermit erkläre ich meinen Austritt aus der Deutschen kommunistischen Partei. Heute, 43 Jahre später, schwant mir: So naiv war ich wohl doch nicht.
Darum hoffe ich, dass der inzwischen verscharrte Leichnam nicht durch Konservierungschemikalien so ungenießbar geworden ist, dass selbst Bakterien ihn verschmähen. Aber das ist eben das Elend der frühen Geburt. Gunter Hagen würde ihn sicher kunstvoll plastiniert haben, damit man ihn in heldenhafter Siegerpose mit Lendenschurz, mit Frack, im Arbeiterkittel mit und ohne Stiefel je nach Anlass wie eine Monstranz durch die Straßen gefahren hätte Und mal ganz ehrlich: so ein Plastinat ist doch wesentlich haltbarer und auch strapazierfähiger als ein wachstrunkener und mit Watte ausgestopfter Revolverluzer.
Kuni
hi Kuni, so kann man das natürlich auch sagen, was ich immer weniger durchblicke, ist das nun ein demokratisches Forum oder ein kommunistisches?
Denn das eine schließt das andere ja aus, auch wenn das sicher vehement bestritten wird.
Grüße
So ist das nun mal in der Presse unserer befreundeten Blockparteien: da gibt es auch zu ungeraden Jahrestagen Gedenkartikel, egal ob es Lenin oder der Ritter Kahlbutz ist. Mir fehlt es in diesen Texten immer noch an der historischen Einordnung. Lenins Sekte wurde vom deutschen Militär-Geheimdienst "gecastet", wurde als die antinationalste und zerstörerischste Kraft im russischen politischen Spektrum mit Geld und Transportmöglichkeiten bedacht, um das dt. Kaiserreich in den Nöten des Zweifronten-Krieges zu entlasten usw.
Ich weiß nur einen Witz:
Was ist der Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus ?
Im Kapiatalismus beutet der Mensch den Menschen aus, im Kommunismus ist es umgekehrt.
Du bist Dir also nicht ganz sicher, ob es Reinkarnation oder Wiederauferstehung nicht doch geben könnte?
Das hört sich so an wie: Ein Schnupfen dauert mit Medikamenten 7 Tage, ohne eine Woche, oder habe ich was falsch verstanden?
Antwort: im Prinzip ja, also nein, richtig verstanden.
Eine gewisse Extraqualität liegt in der Floskel "ist es umgekehrt", die bei offiziellen Systemvergleichen oft herangezogen wurde.
Noch einen ?
Fraga an Radio Erewan: stimmt es, daß die Amerikaner mehr Autos haben als wir ?
Im Prinzip ja, aber dafür haben wir mehr Parkplätze.
Die Udssr hatte kurz vor Schluß noch einen riesigen Werbeauftrag bei den US an Land gezogen: imposante Bilder von russischen Interkontinentalraketen: darauf große Werbeaufschrift: Lets go West !
Lieber koslowski,
gestern war ja der Oskar Negt beim Freitag Salon. Und der hat nun ganz anders - in Bezug auf soziale und politische Bewegungen - argumentiert. Er plädierte für Erinnerungsfähigkeit und Neu denken auch in Bezug auf diese Vergangenheiten. Ihm gings also nicht um irgendwelche Aufarbeitungsrituale oder so. Und schon gar nicht ums pausenlose Verdammen und Abgrenzen.
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, sieht er es als unproduktiv an, wenn nicht die Erinnerung an diese Vergangenheiten genutzt würde, um neue Wege in die Zukunft zu finden. Von daher ist alles, was in der Geschichte ist, auch in unserer Gegenwart und Zukunft. Man kann es nicht einfach totreden oder totschweigen. Das würde der geltende Mainstream wohl gern, indem man die Ideen von Kommunismus und Sozialismus über die vereinfachte Totalitarismusdoktrin mit dem NS-Regime verknüpft und damit dieses "Nie wieder" postuliert. Eine reine "Entsorgungsstrategie" ist das.
Aber damit kriegt man die viel tiefer wurzelnden Bestrebungen, die Frage nach der Gerechtigkeit, nicht von der Agenda der Weltgeschichte. Denn sie ist noch immer nicht geklärt, diese Frage. Und damit war der sozialistische Entwurf trotz allem, wenn auch falsch und repressiv und ungeheure Opfer fordernd, verbunden und muss besprochen werden. Im Grund hat Negt damit - glaube ich - auch für Gesine Lötzsch plädiert, nicht inhaltlich, aber vom Impetus her. Und als Augstein ihm sagte, der Sozialismus sei ja nun auch nicht der Knaller gewesen, meinte er "die Gegenseite auch nicht". Da gabs dann noch Ärger drum, aber den will ich hier nicht ausbreiten.
Er hat wohl auch noch gesagt,dass es ein Fehler (von Engels) gewesen sei, den Sozialismus als politisches Projekt zu definieren. Der Sozialismus sei eine Perspektive. Und das gilt am Ende auch für den Kommunismus.
Er hat auch noch gesagt, dass eine SPD, deren kompletter linker Flügel weggebrochen ist, keine Antworten findet und wenn die LINKE, gleich ob Partei oder linke Kräfte keine wirklichen Antworten anbietet, dann finden sich eben RECHTE. Von daher ist der Kampf gegen einen Begriff völlig unproduktives Schattenboxen, fiel mir noch ein. Haben die Genossen von der SPD nichts anderes zu bieten im Moment? Ich sehe nichts, ich sehe nur Abgrenzung und eine SPD im "Mittelstrom", die mal da und mal dahin flattert, aber eigentlich für mich keine Partei ist, die irgendeinen Entwurf, eine Perspektive im Negtschen Sinne in der Tasche hat.
So, ich hoffe, ich liege nicht ganz falsch in meiner Oskar Negt Interpretation.
Aber nichts war so erhellend für mich wie dessen Einlassungen. Und der ist nun ganz gewiss kein Kommunistenfreund.
Von daher kann man auch von Lenin lernen. Und von der Geschichte ohnehin.
@ goedzak - Auferstehung glaube ich nicht, aber im obigen Sinne, glaube ich: Ist er ohnehin nicht tot. Das wäre auch ganz schrecklich.
Hallo Kunibert Hurtig,
schöne Beerdigungsrede.
Der August 1968 war für viele von uns hier auch so ein Schock. Es sind Leute von der Uni geflogen, Professoren mussten gehen, andere landeten im Knast.
Und die Enttäuschung war auch viel manifester, weil man sie meist durch keinen solchen demonstrativen Schritt untermauern konnte, wie Sie es so heldenhaft mit ihrem Austritt aus der DKP taten. Glückwunsch.
Ach so: Was wollten Sie eigentlich sagen. Achja, Sie haben sich mit Lenin nur marginal beschäftigt. Ich auch.
@Magda 10:02
Liebe Magda, herzlichen Dank für den ausführlichen Bericht über das Gespräch von Augstein und Negt. Ich hätte mich fast auf den Weg gemacht, um den beiden zuzuhören, denn Negt war und ist für mich einer der wenigen linken Intellektuellen, die für mich glaubwürdig sind, wenn sie bei ihren Analysen der Gegenwart auf Idee und Geschichte des Sozialismus zurückgreifen. Es war mir dann aber doch zu weit in die Hauptstadt.
Es überraschte mich allerdings, wenn Negt auch Lenin zu den toten linken Leitfiguren zählen sollte, deren politisch-ideologisches Erbe von den Linken heute auf seine Tauglichkeit für die Zukunft geprüft werden sollte. Ich habe Negt als einen Linken in Erinnerung, der am emanzipativen Potential sozialistischen Denkens interessiert war ( und ist ) und an Lenin nur insofern, als an dem studiert werden kann, unter welchen Bedingungen sozialistisches Denken zu einer Ideologie werden kann, die den Griff nach der Macht und eine menschenverachtende politische Praxis legitimiert.
Nach dem Massaker, das politische Utopien im letzten Jahrhundert angerichtet haben, ist meine Sehnsucht nach neuen Utopien eher gering. Deshalb sehe ich die gegenwärtige ( und, wie ich vermute, auch zukünftige ) Schwäche der SPD nicht darin, dass sie ihre Fähigkeit zu utopischem Denken verloren hat. Sie ist meiner Meinung eher deshalb schwach, weil sie in vielen Politikfeldern keine pragmatischen Konzepte hat, die es möglich machen könnten, die brisanten Probleme der Gegenwart ( z.B. Ökologie, Demographie, Einwanderung, demokratische Partizipation ) zu entschärfen. Da kann der Blick in die Geschichte vielleicht helfen, aber Lenin gewiss nicht. Wichtiger wäre ein klarer Blick auf die Gegenwart und die Fähigkeit, die Befunde richtig zu analysieren – sicher auch ( aber nicht nur ) mit den Mitteln marxistischer Gesellschaftsanalyse.
Herzlichen Gruß nach Berlin
Das stimmt. Du blickst nicht ganz richtig durch. Bisher in allen Foren zum Thema. Aus Deiner schlichten NEON-Sicht, die Deine politische Analysefähigkeit allzu stark zu grundieren scheint, ist alles so, wie Du es sagst. Nuancierungen sind bei Dir nicht möglich. Du hörst nicht zu, Du kannst die Texte und Kommentare zwar lesen, Deine Fähigkeiten zur Inhaltsanalyse sind aber leider auf einem sehr niedrigen Niveau. Deshalb ist es auch schwer möglich, sich argumentativ mit Dir auseinanderzusetzen.
Die französische Revolution war alles andere als unblutig und hätte nach Deinen heheren Maßstäben, die eben völlig ahistorisch sind, nie stattfinden dürfen. Ich kürze es mal ab: Aus Deiner Perspektive dürfte man die Ziele "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" nicht formulieren ohne all die Unschuldigen und vor allem (aus Sicht der Revolutionäre) Schuldigen ermordeten Menschen vorher in Erinnerung zu rufen. Revolutionen - also echte - hatten nun einmal die Eigenschaft blutig zu verlaufen und vor allem niemals nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, wie sie heute in den westlich geprägten Gesellschaften angelegt werden. Auch nicht immer perfekt, aber immerhin.
Das sind zivilisatorische Leistungen, die sich langsam, sehr langsam entwickelt haben. Wenn also ein brutales Feudalsystem revolutionär blutig in ein kommunistisches System übergeht, dann kann man das natürlich nach heutigen Maßstäben von Rechtsstaatlichkeit und Moral be- bzw. verurteilen, muss man aber nicht.
Das interessante an dem hier besprochenen Blog ist ja, dass die Ambivalenz von Personen der Zeitgeschichte, hier Lenin, herausgestellt wird und ich kann beim besten Willen nicht herauslesen, dass hier ein Loblied auf Lenin gesungen wird.
Wenn Du also als Diskutant ernst genommen werden willst (das Gefühl habe ich zwar bisher nicht), dann müsstest Du Dich ein wenig mehr anstrengen, Texte und damit Gemeintes, intensiver zu betrachten, argumentativ darauf einzugehen. Das kann doch nicht so schwer sein.
Und natürlich ist das hier ein demokratischen Forum! Schließlich "diskutierst" Du ja mit. Nach Deinem eigenen "Verständnis" müsstest Du ja in einem reinen Kommunisten-Blog längst den virtuellen Tot gestorben sein oder wenigstens in einen veritablem virtuellen Kommunisten-Blog-Gulag interniert worden sein. Biste aber nicht. Siehste.
nein, Du verstehst nicht meine Frage nach der Zusammensetzung des Forums, die Foristen waren gemeint, nicht die Moderation im Hintergrund, die selbstverständlich demokratisch ist.
....und noch was, die Verantwortlichen der Französischen Revolution haben ja nicht die Absicht, das System der BRD zu verändern, nein es sind in Teilen die Verantwortlichen des gescheiterten DDR-Systems und deren Sympathisanten, die das vorhaben, und da sollte eine gründliche Überprüfung, Durchleuchtung und Befragung schon erlaubt sein, man will ja schließlich nicht vom Regen in die Traufe kommen.
Mir ist schon klar, dass das unangenehm ist und ich mir hier schon einige nette Adjektive anhören musste, aber ehrlich gesagt sprechen die eher gegen die "Verteiler" als gegen mich.
Ich wollte mich lediglich hier mit Menschen "unterhalten", von denen ich annehmen musste, dass sie eine extremere linke Position besetze als ich, um heraus zu finden, ob ich mich da annähern könnte.
Dieser Versuch ist allerdings grandios gescheitert, denn mit Menschen, die so viel Feindseligkeit in sich tragen, möchte ich einfach nichts zu tun haben.
Das wird sich ganz sicher auf sinkende Anhängerschaften der LINKEN auswirken, da bin ich mir ganz sicher, erste Tendenzen sind ja zu sehen.
Im letzten Jahr haben 7500 Mitglieder die LINKE verlassen, das sind 10% des Bestandes, während nur 5000 neue Mitglieder eintraten, das sollte doch zu denken geben.
"Es überraschte mich allerdings, wenn Negt auch Lenin zu den toten linken Leitfiguren zählen sollte, deren politisch-ideologisches Erbe von den Linken heute auf seine Tauglichkeit für die Zukunft geprüft werden sollte."
Nein, so plakativ meine ich das nicht. Er ist nur wenig berührungsängstlich mit diesen Vergangenheiten. Und Lenin hat er nicht mal erwähnt. Aber sein Grundgedanke ist eben, nicht alles so zu entsorgen. Von Lenin kann man sicherlich lernen, und wenn es aus den Fehlern und politischen Brachialkuren ist, die er "verordnet" hat. Ich denke Negts Anmerkung galt vor allem den alten Gewerkschaftsbewegungen, den sozialen Bewegungen und richtete sich gegen jedes Denkverbot.
Tschuldigung und natürlich herzlichen Gruß zurück.
Und mit Ironie kannste auch nichts anfangen.
damit kann man sich zuletzt immer schön raus reden, klar.
"und noch was, die Verantwortlichen der Französischen Revolution haben ja nicht die Absicht, das System der BRD zu verändern, nein es sind in Teilen die Verantwortlichen des gescheiterten DDR-Systems und deren Sympathisanten, die das vorhaben, und da sollte eine gründliche Überprüfung, Durchleuchtung und Befragung schon erlaubt sein, man will ja schließlich nicht vom Regen in die Traufe kommen."
Du scheinst wirklich grundsätzlich Probleme zu haben, Text und damit Gemeintes in Einklang zu bringen. Das Beispiel mit der Französischen Revolution diente lediglich dazu, Deine ahistorische und letztlich unwissenschaftliche Herangehensweise zu illustrieren.
Du scheinst auch grundsätzlich nicht verstehen zu können, worum es bei einer Diskussion, wie der um den "Kommunismus" zu gehen scheint. Natürlich geht es darum, Veränderungen des kapitalistischen Systems u. a. der BRD zu denken. Worum denn sonst? Wenn Du alles supi findest, dann lies halt NEON oder schaue Dir Konsenskabarett an, dass keinem wirklich wehtut, gibt es ja jetzt mit Dieter Nuhr.
Übrigens gibt es weitere Kräfte, die sich anschick(t)en die BRD massiv zu verändern. Die Marktradikalen haben dieses Land bereits massiv vom Kopf auf die Füße gestellt und machen munter weiter. Du merkst das sicher nicht, aber Du spielst mit Deinem "man darf nichts denken außer Status Quo", der ja schon längst nicht mehr herrscht, denen in die Hände, während Du anderen vermeintlichen Gefährdern schlicht Mund und Denken verbieten möchtest. Du glaubst sicher auch, dass wir in einer Sozialen Marktwirtschaft leben und Helmut Schmidt über jeden Zweifel erhaben ist.
""Ich wollte mich lediglich hier mit Menschen "unterhalten", von denen ich annehmen musste, dass sie eine extremere linke Position besetze als ich, um heraus zu finden, ob ich mich da annähern könnte.""
Wenn Du das wirklich vor hattest, warum hast Du es dann nicht einfach gemacht?
"Dieser Versuch ist allerdings grandios gescheitert, denn mit Menschen, die so viel Feindseligkeit in sich tragen, möchte ich einfach nichts zu tun haben."
Dieser "Versuch" kann nicht gescheitert sein, weil es diesen Versuch deinerseits nie gab. Stattdessen begnügst Du Dich damit, Mitglieder einer bestimmten Partei pauschal als Vordemokraten resp. potenzielle Menschenrechtsverletzer und Unterdrücker zu bezeichnen. Du gibst vor genau zu wissen, was politisch anders Denkende angeblich vorhaben und maßt Dir an, politische Motivationen Andersdenkender genau beurteilen zu können. Obwohl Du selbst keine ergebnisoffene Diskussion zugelassen hast, jammerst Du über angebliche Feindseligkeiten, die Du selbst recht großzügig verteilt hast. Das ist entweder Heuchelei oder Absicht bzw. beides.
Ich weiß ja nicht wie alt Du bist. Aber wenn Du mal 20 Jahre zurückdenkst (falls Du das schaffst), dann müsstest Du Wissen, dass "Rote Socken Kampagnen" letztlich der PDS, der heutigen Linken immer eher genützt als geschadet haben. Die aktuelle Diskussion und das allseitige Bashing werden der Linken Wählerstimmen kosten, da bin ich ganz bei Dir. Was der Linken aber wirklich Stimmen kosten wird, sind die internen Querelen, völlig unabhängig von allen medial aufgebauschten Kommunismuskeulendiskussionen.
Aber ich brauche auch keine politische Partei, um mir Gedanken zu machen. Die Linke ist sicher im Mainstream der Meinungsbildung in unserem Land ein wichtiges Korrektiv. Mehr aber auch nicht. Und wenn die Linke so gefährlich ist, was ist dann erst die latent asozial agierende FDP? Mittextremismus ist zur Zeit die größte Gefahr für Demokratie, Mitbestimmung und sozialen Frieden. Recherchiere mal die Wurzeln dieser Partei. Du wirst staunen, welch vordemokratisches Gedankengut Teile der Gründergeneration dieser Partei in sich trug. Trotzdem muss sich diese Partei nicht ständig dafür rechtfertigen, was einmal war etc. pp.