Maria Dąbrowska (1889-1965)

Polnische Literatur Die polnische Schriftstellerin Maria Dąbrowska ist hierzulande wenig bekannt. Mich hat ihre große Romantrilogie "Nächte und Tage" durchs Leben begleitet.

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Es ist eine schöne Überraschung, dass die polnische Schriftstellerin Maria Dąbrowska heute – an ihrem 50. Todestag – bei Deutschlandradiokultur gewürdigt wird.

Ihre Romantrilogie „Nächte und Tage“ habe ich als Teenager in der Bibliothek entdeckt und es mir – durch alle Lebensalter – immer wieder vorgenommen. Vor einiger Zeit schon habe ich die Bände auf dem Trödel-Bücher-Markt gefunden. Immer wieder schaue ich hinein und lese es mit den Jahren immer wieder anders.

Maria Dąbrowska wurde 1889 in Russów bei Kalisch (Großpolen) geboren. Sie stammte aus einer verarmten Adelsfamilie, studierte neben Naturwissenschaften auch Soziologie und Philosophie in Lausanne und Brüssel. Ab 1925 widmete sie sich nur noch dem Schreiben. Nächte und Tage entstand 1932-1934, hat sehr viel autobiographische Züge und umfasst den inneren und äußeren Wandel der polnischen Gesellschaft am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Erzählungen, Essays und Romane folgten. Vor einigen Jahren erschienen Maria Dąbrowska Tagebücher, die viel Aufsehen erregten, weil sie auch lesbische Beziehungen eingegangen war. Aber, man „verzieh“ ihr in Polen ihre sexuelle Orientierung. Maria Dąbrowska starb 1965 depressiv und vereinsamt. .

Bogumil und Barbara

„Nächte und Tage“ also handelt von der Gutsverwalter-Familie Niechcic. Bogumil Niechcic, der aus einer verarmten Adelsfamilie stammt und an den Aufständen von 1863 gegen die russische Fremdherrschaft teilnahm, trifft auf die wesentlich jüngere Barbara Ostrzenska und verliebt sich heftig in sie. Barbara stammt aus einer bürgerlichen Familie und hat bereits eine enttäuschte Liebeshoffnung hinter sich. Und diese Enttäuschung sowie ihr pessimistisches Temperament trüben ihr Leben ein und auch ihr Verhältnis zu Bogumil. Dessen Liebe ist ihr am Beginn gar nicht genehm, aber es gelingt ihm, in ihr Gefühle der Zuneigung zu wecken. Ständige Zweifel, ein Hin und Her in den eigenen Empfindungen verunsichern Barbara. Den Part der Beständigkeit spielt Bogumil, der Barbara unwandelbar liebt, immer, obwohl auch er später - enttäuscht durch Barbaras Zurückweisungen - Versuchungen nachgibt.

Glückliche sinnliche Erfahrungen

Sie heiraten - und es geschieht, was keineswegs zu erwarten war: Sie kommen sich über geglückte sexuelle Erfahrungen überraschend sehr nahe. Ein erstes Kind wird geboren, das tragisch stirbt und die beiden Eheleute in eine tiefe Krise stürzt. Sie verändern ihr Leben - Bogumil übernimmt die Verwaltung eines Gutes namens Serbinow - nicht weit von Kaliniec . Sie finden einander wieder und in rascher Folge werden drei weitere Kinder geboren. Im Laufe des Erzählens wird deutlich, dass sich die Autorin selbst vor allem mit der ältesten Tochter Agnieszka gezeichnet hat, die später in der Schweiz studiert, einen jungen Revolutionär und Kämpfer für Polens Unabhängigkeit heiratet und mit ihm in den Wirren des ersten Weltkrieges ins Ungewisse geht.

Maria Dombrowska hat mit Bogumil ein Porträt ihres sehr geliebten Vaters gezeichnet. Immer wieder gibt es Szenen, in denen diese Liebe schlicht, aber anrührend deutlich wird. Wobei sie auch dem komplizierten Wesen von Barbara gerecht wird. In jungen Jahren hat mich vor allem diese - aus der Sicht von Bogumil - unwandelbare Liebe so fasziniert.

Bogumils Liebe: Barbara

und die Arbeit auf den Feldern

Überhaupt dieser Bogumil - ein geradliniger Mann, der mit Leib und Seele in seiner Arbeit als Gutsverwalter aufgeht, der die Felder, das Pflanzen und Ernten liebt, der das Leben nimmt wie es ist und von morgens bis abends rastlos arbeitet. Er hat es schwer mit dieser Barbara, die ständig zweifelt, sich ständig sorgt und immer das Schlimmste erwartet. Aber es sind diese Liebe und seine Arbeit, die ihn zutiefst erfüllen:

„...immer, wenn er Frau Barbara auf den Feldern umherführte, ihr von seinen landwirtschaftlichen Sorgen und seinen Projekten erzählte und sie nach ihrer Meinung fragte, tat er das nicht, um ihren Rat einzuholen oder um sich mit seinen Arbeitserfolgen zu brüsten: er tat es, weil ihm alles unvollkommen und unvollendet erschien, worauf nicht ihr Auge geruht, wovon sie nicht Kenntnis genommen hatte."

In dem Exemplar, das ich früher aus der Bibliothek immer mal auslieh, las ich eine Randbemerkung zu Barbaras manchmal abwehrendem und spröden Verhalten: „Eine unmögliche Frau.“Das fand ich zutreffend, aber ich konnte mich auch in sie hinein versetzen.

Es ist nun einmal so. Der Liebende in dieser Geschichte ist Bogumil und er ist der naturverbundene, scheinbar unkomplizierte Mann. Barbara aber – eine Grüblerin und sehr empfindsam - weiß, dass er einst dem Tode entronnen ist, sie weiß von seiner Tapferkeit und rechnet ihm das - obwohl es selten besprochen wird - hoch an. Die Leidenschaft Barbaras erkaltet später, sie weicht aus und begründet das mit der Sorge um die Kinder.

Es gibt eine Passage, in der Bogumil sie bittet, bei ihm zu bleiben aber sie muss immer zu den Kindern und entfernt sich mit dem Handarbeitskörbchen.

"Es sah aus, als ob sie in diesem Körbchen schamhaft sich selbst mit hinaustrüge. Bogumil saß noch lange da und hörte zu, wie hinter den Fensterläden der Wind rauschte."

Erst später rebelliert er innerlich gegen Barbaras ständige Schwarzseherei und - auch – gegen ihre Abwehr ihm gegenüber. Im Zuge einer Erbschaftsgeschichte, die den ständigen Pessimismus Barbaras noch einmal zu einem Höhepunkt bringt fragt er sich empört:

„Hat Barbara denn keine Haut, mit der man das wohlige Brennen der Sommerhitze spürt, sehen ihre Augen , hören ihre Ohren nicht, und atmet sie denn gar nicht die balsamischen Düfte der Welt. Der Garten biegt sich fast unter dem Obstsegen, er steht im reichen Sonnenlicht. Die Kinder sind so hübsch, so braungebrannt und gesund....Lieber Gott, ist das denn noch nicht genug ?"

Er verspürt den Impuls, alles hinter sich zu lassen, aber er tritt davon zurück. Seine Liebe bekommt Brüche und seine Sehnsucht, die sich immer auf Barbara gerichtet hatte, wird offen für neue Nahrung. Er verliebt sich in eine junge Frau und lebt – Barbara ist in die Stadt gezogen – mit einem Dienstmädchen. Am Ende aber kommen beide wieder zusammen und als Bogumil stirbt, leidet Barbara entsetzlich.

Als ich das Buch später wieder las, interessierte ich mich mehr für die Entwicklung von Agnieszka, der ältesten Tochter. Ihre Entwicklung, ihre Liebe und der Befreiungskampf in Polen – das alles ist vielschichtig erzählt.

Viele Debatten, die in der DDR nicht geführt wurden – um demokratische Verhältnisse bei den linken Kräften, um die Nation und vieles andere – kommen in dem breit verzweigten Buch zur Sprache.

Aktuelle wirtschaftliche

und politische Fragen

Bei der jüngsten Lektüre erweiterte sich meine Aufmerksamkeit erneut als die bisher immer ein bisschen überflogene Familien-Erbschaftsgeschichte eine Rolle spielt. Da wird auch die Debatte um die wirtschaftlichen Konzepte und die gesellschaftliche Entwicklung, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts auch schon einmal auf der Tagesordnung stand, aufgegriffen. .

Ein wirtschaftlicher Liberalismus, beeinflusst von einem simplen Darwinismus, wie er sich in dem Motto vom "Kampf ums Dasein" artikuliert, hat Parteigänger in der Familie: ...."dem gesunden persönlichen Interesse folgen, das allein verbürgt Fortschritt und Kultur des Gemeinwesens...." so argumentieren die Unternehmer beeinflusst von den englischen Philosophen."

Andere sehen es konträr: "Solidarität, Liebe und Würde - erst wenn wir im Namen dieser Dinge handeln, handeln wir als Menschen".So las ich die Wurzeln und Grundzüge der Debatten der Gegenwart in einer ganz anderen Zeit noch einmal nach.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich das Buch immer wieder gern und unter anderen Schwerpunkten lese. Dazu kommt, dass sich um die Geschichte von Bogumil und Barbara weitere hochspannende Schicksale ranken. Es ist Dramatik, es ist Liebe, es ist die Geschichte eines Landes und einer Epoche – es ist das ganze volle Leben.

Die drei Bände sind 1955 in Ostdeutschland bei Rütten&Loening

und in Westdeutschland 1974 bei Ullstein erschienen.

Es gibt auch eine Rezension dazu:

http://www.zeit.de/1975/12/schoene-alte-welt-in-polen

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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