Mediales Stiefelknallen - Griechenland unter EU-Kuratel

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Nachdem ich vor einigen Tagen schon einmal einen Blogbeitrag geschrieben habe

www.freitag.de/community/blogs/magda/deutschland-hat-ebenfalls-verantwortung

hier jetzt noch eine Fortsetzung und Ergänzung zum Thema.

Als ich gestern die Berichterstattung zu Griechenland und die EU-Beschlüsse über das Land las, dachte ich, dass dies klingt, als marschierten irgendwelche Besatzer dort ein. Der „Focus“ titelt stiefelknallend: „So will Europa den Griechen Beine machen“. Die Rede ist davon, dass die „Zügel kräftig angezogen“ werden. Oder die „EU will die Griechen zum Rapport bestellen“. Eine Landsersprache, die klarmacht, dass es ökonomische Herrscher und ökonomische Loser gibt und denen muss man zeigen wo es langgeht.

Die „Süddeutsche Zeitung“ erklärt ausladend, wie folgenreich auch der Bankrott eines ökonomisch weniger potenten Staates wie Griechenland für die gesamte EU sein kann und schreibt: „Also muss geholfen werden, mit aller rechtlich möglichen Brutalität. Die EU-Kommission hat den ersten Schritt getan, das Land unter Aufsicht zu stellen, ihm praktisch seine Souveränität zu nehmen.Das ist die schlimmste vorstellbare Strafe für eine Nation, aber sie liegt in der Konsequenz der Gemeinschaft.“

www.sueddeutsche.de/finanzen/908/502146/text/

Dass die griechischen Probleme nicht nur hausgemacht sind, unterstrich FTD-Kolumnist Lucas Zeise kürzlich erneut in einem Beitrag:

www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/50068593.html

Darin heißt es: Ähnlich (anderen EU-Ländern – M.) ist allerdings, dass ein Land für Fehler einstehen soll, die ganz wesentlich in der Konstruktion der Maastricht-Verträge und der gemeinsamen Währung angelegt sind. Das soll nicht heißen, dass die griechischen Regierungen jederzeit und immer klug und richtig gehandelt haben. Doch statistische Daten der Volkswirtschaft werden auch anderswo manipuliert. Man denke nur an die Daten aus den USA und an die Minimierung der Arbeitslosenzahl in Deutschland.“

Dann verweist auch Zeise auf den kürzlichen kritischen Beitrag von Heiner Flassbeck und Friederike Spieker für die FTD :„Schädlich für den Zusammenhalt des Währungsgebiets war weniger die laxe Haltung Griechenlands als die rigorose Politik in Deutschland. Hier wurde über ein Jahrzehnt lang Lohndumping betrieben, was die Konkurrenz der anderen Euro-Länder an die Wand drückte und für hohe Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz der Euro-Zone sorgte.

Der Vorschlag Heiner Flassbecks, kürzlich bei einem Interview mit Deutschlandradio kultur geäußert, ging deshalb in Richtung Angleichung der Lohnkosten europaweit nach oben, nicht nach unten. Er plädierte für Lohnsteigerungen in Deutschland, Lohnharmonisierung und damit Anregung des Binnenkonsums. www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1085135/

Aber sein Vorschlag stößt, wie es aussieht, auf taube Ohren. Im Gegenteil, es wird deutlich, was die „Nachdenkseiten“ www.nachdenkseiten.de kürzlich dokumentierten: Schon lange gibt es Pläne, einen Niedriglohnsektor in ganz Europa zu etablieren. Dies verbunden mit der ökonomischen Vorstellung, so den „Globalisierungszwängen“ – der Niedriglohnkonkurrenz aus den aufstrebenden Staaten Osteuropas und Asiens -„gewachsen“ zu sein, will heißen, weiter Profite zu machen. Die Exportstärke Europas – unter Deutscher Vorherrschaft – zu heben, darauf scheinen die Pläne angelegt.

www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/Hartz_I-IV_Einfuehrung_groesster_EU-Niedriglohnsektor.pdf

Was also bisher aus Brüssel und Deutschland zu vernehmen ist, macht deutlich: Die Griechen sind der Prototyp für ein ohnehin schon für ganz Europa in den Blick genommenes Szenarium. Es soll an der Ägäis, aber auch in Portugal, in Irland und Italien eine der deutschen Agenda 2010 folgende Lohn-, Deregulierungs- und Flexibilisierungspolitik eingeschlagen werden.

Und am Ton spürt man, dass dies mit brachialen Mitteln durchgesetzt werden soll.

Ob die neoliberalen Architekten dieser Pläne wirklich Erfolg haben, hängt auch von den Menschen in den Mitgliedsstaaten ab. Es wird heiß hergehen auf diesem Kontinent, ist teils zu hoffen, teils auch zu befürchten.

(Anmerkung: Es gibt auch Angebote des IWF, Griechenland zu helfen. Welche Konditionen da gelten und ob diese weniger entmündigend sind, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht ergänzt das ein Sachkundiger oder eine Sachkundige.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden