Mein Mauerfall

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Auch beim kürzlichen Quiz der Deutschen gabs wieder den Schabowski mit dem Mauerfall. Dabei weiß jeder, dass ein gewisser Herr Uhltzsch die Mauer mit seinem edlen Teil zu Fall gebracht hat. Jedenfalls steht das so in dem Roman ""Helden wie wir" von Thomas Brussig.

Wie auch immer der Irrtum zustande kam. Ich war, als ich die Schabowski-Pressekonferenz sah, überzeugt davon, dass es eine neue verbesserte Reiseregelung gibt, dass Anträge jetzt schneller und bürgerfreundlicher bearbeitet werden und nicht dass man einfach so gehen kann.

Was zusammenkam – Unerfahrenheit, mangelnde Professionalität und ein tief verankertes Gefühl der Vergeblichkeit aller Bemühungen um eine DDR ohne Grenze oder die Illusion, ein „Notausgang“ würde für eine Weile erst einmal Ruhe schaffen – niemand weiß es.

Am nächsten Tag hatte ich Spätdienst in der Redaktion. Vorher war ich kurz an der Bornholmer Straße, von der wir wenige Minuten entfernt wohnten. Ich sah auf die Schlangen der Leute, aber ich ging nicht über die Grenze, sondern – man ist ein pflichtbewusster Mensch – erst einmal arbeiten.

Der nächste Tag war ein Freitag. Nach dem Dienst fuhr ich mit einem unserer Kraftfahrer noch in Richtung Eberswalder Straße. Dort entfernten sie schon die ersten Mauerteile, um einen halbwegs vernünftigen Durchgang zu schaffen. Wir waren alle völlig perplex von der Wucht der Ereignisse,

Am Sonntag nach dem Mauerfall bin ich zum Potsdamer Platz gefahren, wo sie eine Art provisorischen Übergang eingerichtet hatten , und habe mich dort eingereiht.

Am Rande standen ausländische Film- und Fernsehteams. Der Chef von einem solchen Team – ich glaube es war CBS – fragte so in die Menge, ob jemand Englisch kann. Ich sah das, ging auf ihn zu und sprach ihn an, denn ich habe Anglistik studiert. Er fragte mich nach meinen Gefühlen nach dem Mauerfall und ich formulierte ein paar Sätze über diese überwältigenden Ereignisse, die etwas vollkommen Unwirkliches hatten. Und danach fragte mich der Aufnahmeleiter, ob ich in den nächsten Tagen Zeit hätte, er brauchte in Ostberlin ein bisschen Assistenz. Ich sagte zu und am nächsten Tag stand ich im Dienst des Teams – mit allerlei Übersetzungen, Auskünften und Recherchen. Mein Kollege bei der Zeitung, dem ich Bescheid gesagt hatte, war bereit, mich zu vertreten. Und natürlich bekam er später einen Anteil am Honorar.

Ich verdiente in den fünf Tagen, die ich mit dem Team zugange war, ungefähr 500 Mark. Einer aus dem Team drängte mich sehr, recht bald in das Hotel zu gehen, wo der Chef residierte, denn er meinte, dass Versprechungen schnell gemacht seien. Das Hotel war am Wittenbergplatz und ich bekam auch das ausgezahlte Honorar. Frohgemut ging ich mit dem Geld in die nächste Kneipe. Am Wittenbergplatz waren Ostberliner mit Brotpaketen und Thermosflaschen zugange, ich konnte mir ein kleines Menü leisten. Überhaupt wurde mir sofort klar, was man im Westen braucht: Kohle.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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