Misslungene Aufarbeitung - Beispiel Tillich

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Seit Wochen und Monaten beschäftigt man sich in Sachsen mit dem politischen Vorleben des CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. In Dresden gibt es einen ganz besonders wachsamen Vergangenheitsforscher: Karl Nolle von der SPD und aus dem Westen zugezogen. Der hat sich der Verfehlungen von Tillich intensiv angenommen und ihn zwar nicht gerade als Lügner, aber doch als Leugner seiner tragenden Rolle innerhalb des DDR-Systems entlarvt. Und die ganze CDU gleich mit.
Um was geht’s eigentlich? Tillich hat zu DDR-Zeiten als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises gearbeitet, eine verhältnismäßig harmlose Funktion. Außerdem soll er in einem Fragebogen Stasikontakte nicht korrekt angegeben haben. Inzwischen hat er diesen umstrittenen Fragebogen veröffentlicht. Es habe keine Kontakte gegeben, sondern die Stasi sei zweimal auf ihn zugekommen. Das bestätigt auch sein Parteifreund Arnold Vaatz, der – so erklärt er – an der Erarbeitung des damaligen Fragebogens maßgeblich beteiligt war.

Karl Nolle aber gibt keine Ruhe. Er will alle, die sich um die Aufarbeitung der Vergangenheit drücken, dingfest machen.
Ob Trompeter Ludwig Güttler oder der derzeitige Innenminister Albrecht Buttolo oder Landespolizeipräsident, Bernd Merbitz, sie alle hätten schon zu DDR-Zeiten wichtige Funktionen ausgefüllt und wollten daran nicht mehr erinnert werden.
Bei Buttolo scheint der einzige Vorwurf zu sein, dass er schon seit 1979 Mitglied der CDU-Ost ist.
Dem Vorgänger von Buttolo, Heinz Eggert, kreidet Nolle an, er habe die Anstellung von hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS gebilligt.
Es ist eine ziemliche Schlammschlacht und man könnte sie auch vernachlässigen oder ignorieren, denn dieser Karl Nolle scheint ein ziemlicher Geltungstriebtäter mit möglicherweise auch kommerziellem Interesse zu sein. Auch in der eigenen Partei ist er mit seinen Methoden umstritten.

Was mich als Ex-Mitglied der CDU in der DDR wirklich beschäftigt, ist sein Statement bei der jüngsten Vorstellung seines Enthüllungsbuches „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“. Er erklärte, nicht die Biografien seien eine Schande, sondern der heutige Umgang damit. Sich selbst und seinen Umgang damit meinte er dabei wohl weniger.

Aber es ist natürlich was Wahres an seinem Anwurf: Keiner der von ihm Angegriffenen hat einmal gesagt, er habe sich früher engagiert aus dem Bestreben, etwas im Lande zu verändern, vielleicht aus der Motivation, sich als Christ in der DDR politisch einzubringen. Zu DDR-Zeiten waren das alles Gratwanderungen zwischen eigener Initiative und Vereinnahmung. Es gab auch solche Mitglieder der CDU, die linke politischen Überzeugungen besaßen, aber die sind – wie es aussieht - alle ausgetreten. Wie ich ja auch.

Es ist schwer auszumachen, ob es in Dresden oder sonst wo überhaupt jemals ein Klima gab, das die Reflektion über eigene Motivationen zur politischen Mitarbeit in der DDR zuließ. Jetzt ist es sowieso damit vorbei. Und – die Vereinnahmung der CDU-Ost durch die West-CDU war ein politisch absolut unredlicher Schritt. Man kann nicht, wie es der damalige Generalsekretär Volker Rühe getan hat – empört die Augenbrauen hochziehn über diese CDU-Ost und sie dann als Schwesterpartei begrüßen. Damit waren die Opportunisten geradezu eingeladen, ihren Hut in den Ring zu werfen und die entsprechenden Posten zu besetzen.
Andererseits: wenn heute jemand gute Absichten als Motiv für seine Mitarbeit in der DDR nennen würde, ganz gleich in welcher Partei, dann würden ihn die Mainstream-Medien zerfleischen. Die honorieren die Anpassung heute genau so wie es früher der Fall war.

Man sagt ja, auch Angela Merkel spricht über ihr FDJ-Engagement in der DDR und überhaupt über ihre Erfahrungen nur noch im ganz kleinen Kreise noch.
Die Aufarbeitung ist gescheitert, die Menschen nicht „mitgenommen“ – daher kommt dieser ganze Ostalgie-Schub.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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