"Warum geht’s mit der Emanzipation nicht voran“ – war die Frage, die beim gestrigen Freitags-Salon im Raume stand. Vorher stand ich aber – zum ersten Mal in der Freitag-Salon-Geschichte – an der Kasse an. Der kleine Studiosaal des Maxim Gorki-Theaters war für die Veranstaltung gewählt oder vielleicht auch zugewiesen worden und darum wurde es ein bisschen eng.
Zu Gast waren – wie immer moderiert von Jakob Augstein - neben Bascha Mika, deren Buch „Die Feigheit der Frauen“ gerade überall im Gespräch ist, die Grünenpolitikern, Ekin Deligöz und Zeit-Journalistin Iris Radisch.
Zu Beginn gab es Natur und Biologie. Ist es naturgemäß, fragte ich mich z. B. dass mehr Frauen als Männer das Thema und Bascha Mikas Buch spannend fanden? Immerhin waren dann doch einige Männer zu sehen, der Herr neben mir aber ging nach zirka 10 Minuten.
Jakob Augstein eröffnete biologisch-literarisch, indem er ein Zitat aus Flauberts Roman „Madame Bovary“ vortrug. Emma Bovary beschreibt da ihre bürgerlich schöngeistigeExistenz als die einer Stubenfliege. Von da bis zur altbekannten Frage, wie viel „Biologie“ in einer Frau ist und wie viel in ihrem Verhaltenkulturelle Prägung, war es dann auch nicht weit. Es ist Verlass drauf, dass das immer wieder verhandelt wird. Das „Andere“ an den Frauen ist für Männer ein zu attraktiver Einstieg. Ekin Deligöz – eine sehr pragmatische Frau – fing die Stubenfliege und deutete deren Zickzackflug als geschicktes biologisches Instrument, zum Ausweichen vor der tödlichen Klatsche. Von dort zum Gender Mainstreaming und der wichtigen Botschaft, dass sich eben nicht nur Frauen, sondern auch Männer ändern müssen, war es nur ein Flügelschlag und die Biologie wäre abgehandelt gewesen, wenn nicht Iris Radisch mit Bezug auf einen Beitrag in der FAZ noch ein bisschen darauf verwiesen hätte, dass Mädchen noch immer liebermit Puppen spielen und Jungs mit Traktoren. Tja, die Biologie ist bei Frauen puppenfreundlich.
Ich fragte mich, ob es vielleicht daran liegt, dass in der Bundesrepublik bestimmte Modelle, wie die Hausfrauenehe und des Alleinernährermodell wie Naturgesetze – alternativlos – behandelt werden, dass wir von dem Thema nicht wegkamen.
Gemeint ist die
Mittelstandsfrau
Da mein Umfeld ein völlig anderes ist, war ich dankbar, dass Bascha Mika zwischendurch präzisierte, welche Gruppe von Frauen sie mit ihrem Feigheits-Ermutigungs-Buch überhaupt meint: Die Mittelstandsfrau, die zu Hause mit ihren Kindern sitzt. Naja, dann. Ich kenne von denen fast keine. Man hat Bascha Mika öfter schon den Vorwurf gemacht, dass die Sozialisierung der Ostfrauen – die bis auf den heutigen Tag ihre Wirkung hat -in ihrem Buch kein Thema ist.
Dazwischen fragte Jakob Augstein– ab und zu sanft und spielerisch von Bascha Mika diszipliniert -nach den Strukturen, die im Kapitalismus ohnehin der Emanzipation im Wege stehen. Das aber wollte keine der Frauen gelten lassen. Frauen müssen auch bei sich selbst beginnen. Der ständige Verweis auf frauenfeindliche Strukturen – die ja eigentlich menschenfeindliche sind – bremse und führe nicht weiter.
Eine der selbst erzeugten "Bremsen" aber ist – so nicht nur Ekin Deligöz – die Tatsache, dass Frauen geliebt werden wollen. Augstein meldete an, dass auch Männer dieses Bedürfnis verspüren. Das stimmt natürlich. Aber Frauen wollen auch dort Liebe, wo Männern die Konfrontation und die Auseinandersetzung natürlicher erscheinen, im Beruf eben. Auch in der Partnerschaft ist „Geliebt werden wollen“ höchst unterschiedlich interpretiert. Bei Frauen ist damit oft Nachgeben verbunden, wobei die Rache dafür auf dem Fuße folgen kann. Aber ich komme ab.
Dass sich in einer Gesellschaft, die den Sexismus so kultiviert und medial verbreitet, auch das Bild das viele junge Frauen von sich haben, verändert, verwundert nicht. Junge Frauen meinten, sie seien modern, wenn sie sich wieder zum Objekt machen, so die Beobachtung von Jakob Augstein. Damit war auch die Generationenfrage im Raum. Iris Radisch beklagte das Phänomen des Popdiskurs, die Ironisierung von Trash-Fernsehen wie Heidi Klum und Pornos und Dschungelcamp, die solche Bilder transportieren. Kritik und Auseinandersetzung damit seien überhaupt nicht mehr auf der Agenda.
Frauenförderung als Sie gab Einblick in ihre Erfahrungen, als sie meinte sie habe die Frauenförderung in ihren jungen Jahren als eine Art von männlichem Balzverhalten erlebt und interpretiert. Nur irgendwann sei es damit vorbei gewesen und ich ergänzte für mich: „Ja, wenn man älter wird.“ Und ab da ist plötzlich Schluss mit der freundlichen Förderung. Und wenn Frauen dann nicht gelernt haben, Forderungen zu stellen, sind sie draußen. Eigentlich müssten Frauen andauernd empört sein, sich hinstellen wie auf dem Tahirplatz und dieser Empörung auch Ausdruck verleihen, meinte sie erstaunt darüber, dass dem nicht so ist. Das war Jakob Augsteins Stichwort, der die Empörung im Moment überall einfordert und die Männer da gern einbeziehen würde. Ekin Deligöz verteidigte die Männer bei der Gelegenheit auch und sprach von den entsprechenden Initiativen wie dem Väteraufbruch. Dass es ein grünes Männermanifest gibt, erwähnte sie nicht. Ich wollte nachfragen, vergaß es aber am Ende. Im Netz war interessanterweise auch der Link dorthin außer Betrieb. Ältere Männer In der sich anschließenden Debatte spielte unter anderem die neue Quotendebatte eine Rolle. Am Ende sei sie nur ein Ablenkungsmanöver, meinte eine Diskutantin, die damit die Sache der Frauen als die bekannte Nebensache abtat. Ihr wurde energisch widersprochen. Angela Merkels Verhalten dazu wird ihr auch von Seiten der Frauen in der eigenen Partei Ärger bringen, wie Ekin Deligöz berichtete. Sie merkte an, dass es jetzt die älteren Männer seien, die sich für eine Quote aussprächen, weil sie erlebten, dass ihre gut ausgebildeten Töchter und Enkelinnen noch immer an der gläsernen Decke scheitern. Warum diese Decke nicht auch von „oben“ durchstoßen, alles ein bisschen weniger hierachisch-zwanghaft gestaltet werden könne, war eine gute Frage. Dieser starre Blick auf ständige Verfügbarkeit, diese Fulltime-Job-Ideologie. Warum die Arbeit nicht besser und anders verteilen, auch zwischen den Geschlechtern. Genau, Frauen verändern die Strukturen nur dann, wenn sie selbst in ihnen wirksam werden können. Ist mit Emanzipation denn nur gemeint, sich an die männlich durchstrukturierte Welt der Wirtschaft anzupassen? So aber hörte sich das immer wieder an. Glaubt niemand an einen reformierbaren Kapitalismus? Sieht nicht so aus. Naturgesetze wohin man blickt. Und dazwischen die Binsenweisheit: Ohne wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen wird es keine Emanzipation geben. Und individuelle Entfaltung ist für beide Geschlechter notwendig.Was aber ist in der Realität los? Es verstärkt sich der Eindruck, als bewege sich vieles wieder zurück. „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“, heißt es im Kommunistischen Manifest. Hierzulande aber propagiert man eine neue Bürgerlichkeit, als sei sie das probate Bollwerk gegen die alles zerbröselnden Zeiten. Was ist daran emanzipatorisch? Also doch? „Empört Euch“ ? Ja, aber als ich nach Hause kam, war Stephane Hessel, der Autor des so aufrührenden Pamphletes zu Gast bei Beckmann. Ihm zur Seite ein Klaus von Dohnanyi, der ihm bräsig und selbstzufrieden erklärte, was man jetzt in Ägypten in Angriff nehmen müsste. Und ich dache an Iris Radischs "Tahirplatz"-Bemerkung. Naja. Das ist die Realität. Zwei alte Herren, rührend empört. Mir fiel – quotenbeflissen - Christa Wolf in ihrem Vorwort zu Maxi Wanders „Guten Morgen, Du Schöne“ ein: "Wie können wir Frauen „befreit“ sein, solange nicht alle Menschen es sind.“ Community Getroffen habe ich den Archinaut und zwei Damen vom Freitag zu einem netten Abschlussplausch. Jakob Augstein kündigte an, dass sich der nächste Salon mit "Humor und Grauen" beschäftigen wird, was eine Sache unter Männern ist (Broder und Matussek). Und dass es eine - sicherlich interessante - Abschrift der gestrigen Debatte im Freitag geben wird. Dass die Community regelmäßig Berichte beisteuert, erwähnte er nicht. Wäre das nicht auch eine Werbung für das von ihm öffentlich immer propagierte und belobigte Konzept der Einbindung der Community in den "Freitag"?
männliches Balzverhalten
für die Frauenquote
Kommentare 28
wie schrieb ich?
"weil zu viele meinen, das sei so was ähnliches wie entwicklungshilfe für Afrika
hehe"
deinem bericht entnehme ich, dass die veranstaltung über eine aus dem aktuell-haus Niebel nicht hinauskam.
Dankeschön, liebe Magda, für den Bericht. Ich sehe schon, ich habe nix verpaßt, nicht zum Freitagssalon gegangen zu sein. Die Kommentare von 'Die entfalteten Frau' wurden nullkommanull aufgenommen? Mich hat ja selten Wortmeldungen hier so beeindruckt wie ihre.
Den Salon kann ich nun nicht beurteilen, aber um im Nachhinein noch eine Antwort auf Jakob Augsteins Frage zu versuchen, warum es denn nicht vorwärts ginge mit der Emanzipation: weil sie mitunter als Instrument des guten alten 'Teile und herrsche!' mißbraucht wird.
gerade erreichte mich dieses:
-> Liebe Frauen,
herzlich eingeladen sind alle zur Frauentagsfeier des Berliner Senats,
Frauensenator Harald Wolf übergibt am 7.März ab 19 Uhr
den Berliner Frauenpreis 2011 an die Wissenschaftlerin und Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin
Frau Prof. Jutta Allmendinger. www.berlin.de/sen/frauen/oeff-raum/frauenpreis/index.html -
noch fragen?
wenn der Wolf den frauenpreis wenigsten Emmy überreichen müßte, das wär was - aber so..... blubb-blubb
@ dame.von.welt -
"Die Kommentare von 'Die entfalteten Frau' wurden nullkommanull aufgenommen? Mich hat ja selten Wortmeldungen hier so beeindruckt wie ihre."
Die Kommentare der "entfalteten Frau" gehören zu jenen Berichten, die jene Bevölkerungruppe behandeln, um die es überhaupt nur ging, den ganzen Abend: s.o.
@Magda
Klasse geschrieben. Angenehm verständlich! ;)
Habe keinen Kinder, bin aber trotzdem für die Frauenquote. ;)
Ging es darum? Von Stubenfliege über große Klatsche bis Frauenförderung als Balzverhalten? Ach so ...;-)...
Die entfaltete Frau ist Mittelstand? Und ich dachte, sie sei Künstlerin.
Gehören die nicht zur Mittelschicht, wie die Mehrheit der Bevölkerung? Die Künstlerinnen?. Ich
habe aber keine Lust über andere Blogerinnen hier eine Grundsatzdebatte zu entfachen. Am Ende trifft mich auch die Klatsche.
Kurzerhand - nimm mal ein Scheit aus dem Ofen. :-))))))))))
Mir ist schon ganz heiß. Man setzt sich hier auf den Arsch den ganzen Vormittag und hört dann dauernd, das dies und jenes fehlt ...nee.
Anschaulich, witzig, subjektiv und anregend: prima Bericht. Danke.
Tja ich bin leider nicht mehr in den Saal eingelassen worden. Aber auf den Beamer draussen war der Eindruck ähnlich, nämlich dass dem Gespräch eine die Runde aufmischende Frau mit Ostsozialisation (wie Anke Domscheidt im letzten Jahr) fehlte, worauf ich beschloss, meinen Unmut mit einer Dussmann-Lecture zu vertreiben. Als ich noch 'mal reinschaute waren die mir gesichtsbekannten Communarden schon entschwunden. Etwas Domscheidt gab's dann immerhin noch bei Beckmann.
Und Magda, das mit der ausbleibenden Würdigung Deiner Salonberichte muss wohl daran liegen, dass nicht nur Frau Radisch das Alter für die Frauenförderung überschritten hat, das ist beim Freitag wohl nicht anders...
;-)
Ich fands auch schade, dass man nicht mal ein Wort gewechselt hat.
"Und Magda, das mit der ausbleibenden Würdigung Deiner Salonberichte muss wohl daran liegen, dass nicht nur Frau Radisch das Alter für die Frauenförderung überschritten hat, das ist beim Freitag wohl nicht anders..."
Meinste? Na, "man" sagts wie es ist. :-)) Das ist der Ossi in ihm.
Übrigens: Seltsamerweise hat mir die Iris Radisch - mit ihrer stilvollen Schlampigkeit und mit Klamotten, die überhaupt nicht verbergen wollen, dass sie ordentlich zugelegt hat - richtig gut gefallen. So als wollte sie selbst sagen: So jetzt is das vorbei und nun isses mir egal.
Frau Deligöz ist Politikerin, einfach und praktisch. Bascha Mika ist mir zu übermütterlich.
was hätten Sie sich denn gewünscht, Magda, hinsichtlich Gesprächsverlauf, Stil, Inhalten?
@ Lethe - Ich habe oben geschrieben, dass ich das - für den Rahmen, in dem sich das alles bewegte - ganz o.k. fand.
Ich beobachte schon so lange solche Veranstaltungen, dass ich mich freue, wenn es da unterhaltsam zugeht. Und, wenn Bascha Mika dort ist, dann weiß ich, dass die halt ihr Buch vorstellen will.
Und Jakob Augstein selbst fühlte sich sichtlich wohl in der Frauenrunde. Obwohl die ihn öfter übertönten oder meinten "Ich bin noch nicht fertig" oder über ihn hinweg redeten .Aber von ihnen ging überhaupt keine "Gefahr" aus. Es war ein allgemeines Wohlwollen dort. Das fand ich ganz amüsant. Die hätten schon noch ein bisschen so herumreden können.
Ich muss bei solchen Veranstaltungen nicht mehr tief durchatmen oder mich empören. Gottseidank.
Liebe Magda
Sie haben natürlich vollkommen Recht:
In erster Linie diene ich mit meiner Arbeit der Mittelschicht. Das Publikum der klassischen Konzerte ist stark ergraut, wohlhabend und hat viel Zeit.
Anders verhält es sich leider mit uns Musikern. Heutzutage fallen wir sogar zum großen Teil unter den postmodernen Begriff „Prekariat“. Das aber nur am Rande.
Bedanken möchte ich mich bei allen, die sich so wohlwollend über meine Berichte geäußert haben. Außerdem möchte ich hiermit noch einmal bekräftigen, dass ich genau das, was Magda am Freitagssalon vom 21.2. kritisiert, in meinen Kommentaren zum Ausdruck bringen wollte: Die öffentliche Diskussion zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist reiner Luxus, den sich nur ergraute, wohlhabende, arrivierte und - für mich nicht nachzuvollziehen: frustierte (warum denn??) Mittelstandsfrauen in Spitzenpositionen leisten können. So ist es eine Frage des Alters und des Geldbeutels wie sehr man sich als Frau oder doch nur als Mensch benachteiligt fühlt.
Umso mehr hinkt der Vergleich mit den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Da haben junge Menschen gegen die Eliten ihres Landes protestiert. Für eine Zukunft, für Arbeitsplätze, damit sie endlich eigene Familien gründen können. Leben dürfen.
Wollen wir uns mal 'ne Runde empören?? Über Frau Mika und Frau Radisch?? Oder andere Eliten?? Über Frau Merkel?? Kristina Schröder?? Oder was war da mit Protest gemeint?? Protest für sichere Arbeitsplätze auch für junge Menschen, die Frauen ja nun nach gängiger öffentlicher Meinung ebenfalls sind?? Damit sie eine eigene Familie gründen dürfen?? Für die Anerkennung von Pflege, sei es alter oder junger Menschen?? Für ein Grundeinkommen?? Für ein Leben, das diesen Namen auch verdient??
Leider war ich am Montag verhindert, sonst hätte ich das gern gefragt. Wäre aber wohl auch am Thema vorbei gewesen.
Liebe Magda, Ihre Zusammenfassung der Diskussion lässt mich etwas ratlos zurück.
Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihren Bericht,
Ihre Katharina
Ein großes Lob, liebe Magda,
für Deinen ausführlichen und nachdenklichen Bericht
(Hut ab für Deine journalistische Ausdauer !-))
Überrascht hat mich die lebhafte Energie von Iris Radisch. In der Diskussion hatte ich den Eindruck, dass Ekin Deligöz einen anderen Blick auf die eigene weibliche Peergroup wirft als Bascha Mika.... geschuldet vielleicht dem Altersunterschied oder auch den unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten einer Journalistin und einer Politikerin. Deligöz war die optimistischste Podistin (oh was für ein Zungenbrecher....)
Liebe Magda,
vielen Dank für den Bericht.
Ich korrigiere Sie ja nur sehr ungern, aber ich habe sogar sehr ausführlich darauf hingewiesen, welches besondere Interesse dieses Thema in der Community hervorgerufen hat, schon beim letzten Salon, als es um die Arbeitswelt ging und auch dieses mal. Gerade mit Blick auf die Beiträge der "Entfalteten Frau" habe ich, wenn ich mich erinnere, von der sehr tiefen, innigen Atmosphäre gesprochen, die bei diesem Thema hier im Netz aufkommt und das als Beispiel und Beleg dafür genommen, wie wichtig es ist - und wie sonderbar, dass so wenig in der Politik und der Gesellschaft geschieht ... Wie konnte Ihnen das entgehen?
Lieber Gruß,
Ihr JA
Liebe Magda,
es liegt doch nicht an Ihnen, wenn mir in der Diskussion was fehlt! Das war wirklich nicht als Kritik an Ihrer verdienstvollen Zusammenfassung des Salons zu verstehen. Sondern allenfalls als Ausdruck meiner Ermüdung an der Art der Diskussion, die an der Realität von Nicht-Mittelstandsfrauen, gerade auch im Hinblick auf Quote, nach meinem Eindruck vorbei geht.
Ich neige Rahabs Polemik zur Entwicklungshilfe zu, für die, die laut genug danach krähen können - der ganze große Rest versucht, sich zwischen merkwürdigen Projektionen und täglichen Fährnissen durchs Leben zu schlagen und äußert sich eher nicht, wenigstens nicht politisch. Weswegen mir die Wortmeldungen der entfalteten Frau auch so kostbar sind, als eine (1) Variante weiblicher Zerrissenheit zwischen Kindern und anderen Interessen im Leben. M.M.n. ist es ein Menschenrecht, beides zu haben, Kinder und Talente und Interessen.
Und nö, Künstler verstehe ich nicht als Mittelstand - ich zumindest kenne kaum welche, die dazu zu rechnen wären. Bei Musikern wäre die Ausnahme die quasi-verbeamteten in großen Orchestern - eine verschwindend kleine Minderheit.
Die Mehrheit der Bevölkerung ist Mittelschicht?
Liebe Katharina,
Sie schreiben u.a.
„Ihre Zusammenfassung der Diskussion lässt mich etwas ratlos zurück.“
Ich war zwar nicht ratlos, aber ich fand, dass solche Salon-Debatten immer ein offenes Ergebnis haben.
„Die öffentliche Diskussion zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist reiner Luxus, den sich nur ergraute, wohlhabende, arrivierte und - für mich nicht nachzuvollziehen: frustierte (warum denn??) Mittelstandsfrauen in Spitzenpositionen leisten können. So ist es eine Frage des Alters und des Geldbeutels wie sehr man sich als Frau oder doch nur als Mensch benachteiligt fühlt.“
Also an Debatten, die wie reiner Luxus erscheinen, würden Sie sich wahrscheinlich gar nicht beteiligen. Solch ein Kommentar liest sich auch wieder wie eine Bezichtigung aller anderen Frauen, die nicht in der selben Gruppe wie Sie selbst zugange sind. Wenn Ihnen nur die eigenen Frustrationen und Belastungen – nachhaltig und vehement geschildert – einleuchten und die der anderen Frauen, die Sie dann als „älter“ oder „arriviert“ oder wie oder was qualifizieren sich Ihrer Empathie entziehen, dann ist das einer der Gründe, warum Frauen nichts zustande bringen. Nebenher hat mich Ihr Text im anderen Ordner auch deshalb irritiert, weil Sie Iris Radisch oder auch Bascha Mika – ich weiß nicht warum - scheinbar um Rat bitten, sie aber eigentlich eher bezichtigen, dass sie Ihr Problem nicht verstünde oder Ihre Probleme gar nicht kennt.
Ich denke, Iris Radisch hat auch Kinder und einen Beruf und einen Ehrgeiz und Hindernisse zu überwinden, Frau Deligöz auch. Möglicherweise ist das eine Frage des Stils. Dieses „Können Sie mir mal sagen,...“. Bei solchen Ansprachen verfalle ich stilistisch in einen proletarischen Ostslang und frage zurück: „“Was soll der Quatsch“.
Ihnen gefiel Iris Radischs Vergleich nicht. Sie schreiben:
„Wollen wir uns mal 'ne Runde empören?? Über Frau Mika und Frau Radisch?? Oder andere Eliten?? Über Frau Merkel?? Kristina Schröder?? Oder was war da mit Protest gemeint?? Protest für sichere Arbeitsplätze auch für junge Menschen, die Frauen ja nun nach gängiger öffentlicher Meinung ebenfalls sind?? Damit sie eine eigene Familie gründen dürfen?? Für die Anerkennung von Pflege, sei es alter oder junger Menschen?? Für ein Grundeinkommen?? Für ein Leben, das diesen Namen auch verdient??“
Ich fand den „Ausbruch“ von Iris Radisch mit dem Thrarir-Platz gar nicht so abwegig und wundere mich, dass Sie bei der Vehemenz, mit der Sie ihr Leben und Ihre Belastungen geschildert haben, dann am Ende wieder alles verkleinern. Ihre Empörung war doch spürbar? Und dann ist es doch wieder nicht... „Ja, was denn nun“.
Warum Sie sich andauernd über andere Frauen empören ist mir ein Rätsel, alle anderen Gründe, die sie nennen zur Empörung sind doch substantiell genug. Für mich liefen die drei Damen auch nicht unter „Eliten“.
Und nun ich als ältere Frau aus dem Osten mit ganz anderem Hintergrund habe auch meine Probleme, meine Frustrationen, auch wenn sie Ihnen nicht einleuchten. Nach vierzig Jahren Vollzeitarbeit eine Rente unter der Armutsgrenze, viele Jahre auch mit ständiger Verunsicherung in Teilzeit- ABM- und Ein-Euro-Jobs. Und als ältere Frauen, das Übersehen, Nicht mehr ernst genommen werden. Also, auch ich fand mich selbst in der ganzen Debatte nicht wieder. Das gibt es aber nun mal. Und Bascha Mika hat deutlich die Zielgruppe ihres Buches benannt. Da kam ich nicht vor. Es hat mich trotzdem interessiert.
Und nun ein Link zu einem Ost-Song, der sehr eindringlich die Situation von Frauen dort und einst zeigt.
www.youtube.com/watch?v=J-2i70DcXSI
Das ist das Lied für Maria, die zu DDR-Zeiten allein klarkommen musste. War auch nicht einfach, alles.
Mit bestem Gruß
Magda
@ Jakob Augstein - "Wie konnte Ihnen das entgehen?" -
Stimmt, wie konnte es nur. :-(((
Weil man manchmal im Kopf was anderes hat.
Es ist mir ja vor Ort auch nicht entgangen und ich habe das Versäumnis in einem Posting oben - wie ich hoffe - halbwegs begradigt. Sie bekräftigen es mit Ihrer kritischen Anmerkung.
Mit meiner "Fußnote" über die Arbeit der Community hatte ich was anderes gemeint.
Das aber hat zu den Missverständnissen geführt, weshalb ich es auch nicht weiter vertiefe, sondern selbstkritisch in mich gehe. *Ufff, Ächz*.
Mit bestem Gruß
Magda
Ja, man sagt, die Mehrheit der Bevölkerung sei noch immer Mittelschicht, aber schrumpfend.
Ich habe den vorbereitenden Ordner nicht mehr so intensiv beobachtet. Dass (s.u.) Jakob Augstein da sanft nochmal dran einnernt, rundet den Bericht nun ab. Und an Frau Katharina habe ich mich (auch s.u. ) selbst noch einmal gewendet.
Gruß
Danke, lieber Archinaut.
"(Hut ab für Deine journalistische Ausdauer !-))"
Du hattest doch überhaupt keinen auf. Außerdem habe ich selbst gerade Dellen am Hut. :-))
Davon abgesehen: Mir hat die Radisch irgendwie auch gut gefallen. "Optimistische Podistin" für Deligöz kommt hin. Täglicher, praktischer Einsatz...das härtet auch ab.
Gruß
Magda
Liebe Magda, lieber Herr Augstein,
DANKE an Sie beide. Ohne das aufgeworfene Thema hätte es diesen regen Austausch nicht gegeben. Und Magda, dass Sie aus Versehen einen persönlichen Nachsatz von JA provoziert haben, ist im Grunde genommen sehr heilsam.
MfG Christiane
... nicht nur der Ossi in ihm, sondern auch der Schalk der schilt.
Allmendinger
-> sagt mal, ... was ist denn das für ein Name... gibts den überhaupt...?
Liebe Magda, lieber Jacob Augstein,
was mich im Nachgang bewegt, ist die erstmal hochplausible Diagnose von JA eines mangelnden Empörungspotentials.
Auf dem Heimweg fiel mir allerdings auf, das Empörung ja seit geraumer Zeit schwer im kommen ist. Zu S21, Flugrouten, Wasser, Überlandleitungen, Schulreformen und und und. Empörung gibt es allerorten. Auch sind dort immer Frauen wie Männer engagiert.
Das kann das Problem allein nicht sein.
Ist der Fokus (Quotenregelung, Kinderbetreuung) zu diffus? Die Betroffenen zu zerstritten oder resigniert? Insofern war die Bemerkung zu Tahrir-Platz schon begründet.
Im ursprünglichen Blog von J. Augstein schrieb zuletzt ein User, dass die 8-Stunden-Arbeitszeit täglich auf den Prüfstand gehöre (sinngemäß).
Vielleicht wäre das ja der kleinste gemeinsame Nenner für die verschiedenen Revoluzzerströmungen, der aber die Grundlage für die wachsenden Unvereinbarkeiten von Gesundheit, Familie, Erwerbsarbeit, Berufung, der Pflege von Kindern, Kranken, Alten, sowie die Finanzierung des Lebens, usw. darstellt.
Ein Umdenken betrifft meinens Erachtens zentral den Punkt, ob man (wir!) den Wert eines Menschen gesellschaftlich NUR daran messen wollen, wieviel Einkommen er erwirtschaftet und verkonsumieren kann. (Wachstumsgedanke)
Vielleicht sind wir als deutsches Volk auch zu sehr mit den Details beschäftigt, als übergreifend einmal alles zu betrachten in den Zusammenhängen und das große Ganze gemeinsam in Frage zu stellen.
Zumindest scheinen die differenzierten Debatten uns (und/oder der medialen Öffentlichkeit) immer mehr zu bedeuten, als mal grundsätzlich und mit dem nötigen Nachdruck die Werte in unserer Gesellschaft zur Diskussion zu stellen.
???
Im Großen und Ganzen bin ich diese Frauen-Debatten ja leid. Vielleicht liegt es an meinem Alter, vielleicht an meiner
Erziehung. Ich bin quasi nach drei Leitlinien erzogen worden:
mein Vater: Du kannst immer das sagen und tun, was du für richtig hältst.
Meine Mutter: *seufz* du solltest aber erst denken und dann reden.
Beide: Du musst nur Eines, sterben.
Ich bekomme jedenfalls Ausschlag wenn ich da Wort "du musst" in irgend einem Zusammenhang höre.
Nach wie vor bin ich der Meinung, Emanzipation fängt im Kopf an, finde die Dogmen meiner Eltern immer noch richtig, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass die Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf das Ausleben der Dogmen 1-3 haben :-)
Na, sag ich ja,
dass ich den Hut für Dich abgenommen habe......;-))
Musste irgendwie auch an die drei Nornen der Edda denken:
Drei Schicksalsfrauen werden mit Namen genannt: Sie heißen Urd (das Gewordene), Verdandi (das Werdende) und Skuld (das Werdensollende), d. h. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nach der Völuspá wohnen sie an der Wurzel der Weltenesche Yggdrasil an einem Brunnen, der nach der ältesten Norne Urdaborn heißt. Sie lenken die Geschicke der Menschen und Götter......
heisst es bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Norne
..... aber die nähere Zuschreibung auf das Podium gestatte ich mir hier nicht ;-))
Ach, ... ich kannte sie sogar schon. Und ihre Forschung auch - sehr interessant. Über die Ergebnisse habe ich aber noch nichts gehört oder gelesen.
Kommunikatorpreisträgerin (50000eu)