Ohne Bild

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Ist das nun eine schöne. dem Zeitgeist angemessen huldigende Gewohnheit oder eine Unsitte, dauernd mit diesem billigen Fotoapparat herumzulaufen, sogar zum Einkauf? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich ihn heute vergessen habe, den Apparat und prompt das Gefühl hatte, ich versäume die Dokumentation interessanter Vorkommnisse und Phänomene, die gerade und nur heute zu sehen und zu bannen sind. Gleich an der Panke z. B. stand ein großer Vogel – ich glaube es war ein Reiher – im Wasser. Gravitätisch stand er da und ...flugs hatte sich auch schon ein junger Mann - mit Fotoapparat – am Ufer postiert, als wollte er mir beweisen, dass es Menschen gibt, deren Kamera immer zur Hand ist.

Ein Dauerblock

statt Kamera

Immerhin kaufte ich kürzlich – ich liebe solchen Firlefanz – einen kleinen sogenannten Dauerblock. Den habe ich jetzt immer bei mir für den Fall dass ich meinen Notizkalender nicht eingesteckt habe.

So ein kleines Täfelchen besaß ich schon als Kind. Man bekam es im Schreibwarenladen. Man schreibt darauf mit einem hölzernen Stäbchen und kann die Notizen später durch Hin und Herziehen wieder löschen. Darauf habe ich heute als Ersatzhandlung einiges notiert, was mir in den Blick oder in den Sinn kam.

Als erstes also diesen Reihervogel. Nach diesem Ereignis an der Panke ging ich weiter durch den Park und begegnete den behinderten jungen Leuten, die ich dort öfter sehe. Sie gehen in eine Schule in der Nähe. Immer mal wollte ich Fotos machen, weil sie etwas Vertrauensvolles haben. Die meisten jedenfalls. Es gibt auch junge Leute, die haben keinen Blick für ihre Umgebung, weil sie zu sehr mit sich und dem Alltag, den sie bewältigen müssen, beschäftigt sind. Aber bei den meisten gibt es solch freundliche Kontaktaufnahmen. Lächelt man sie an, lächeln sie zurück.

Gedenktafel

für Fallada

An der Blankenburger Straße sah ich - obwohl ich dort schon so oft vorbei gekommen bin - zum ersten Mal diese Gedenktafel an der Ziegelwand der Schule. Da war zu lesen, dass hier der Dichter Hans Fallada am 5,. Februar 1947 gestorben ist. Das Gebäude sei damals ein Hilfskrankenhaus gewesen. Vielleicht war es die kürzliche Lektüre eines Beitrage über den Schriftsteller in derFreitag, die mich aufmerksam werden ließ. Mit Fallada nach Europa

Heute hörte ich und sah ich, dass man das Ende des Schuljahres feiert. Grillstände waren aufgebaut, aus einer offenen Tür hörte ich Gitarrenklänge und eine Stimme, die sich an dem Beatle-Song „Let it be“ versuchte. Ich ließ es auch, das Schulgebäude und wanderte durch die sehr einsamen Straßen Niederschönhausens zum nächsten Einkaufspunkt. Ein winzig kleiner Straßendurchgang führt - vorbei an Einfamilienhäusern - wieder auf die Hauptstraße zurück. Ich liebe diesen Umweg und gehe ihn oft. Und immer werde ich „philosophisch“, wenn ich an einem der Gartentore vorbeikomme. Wo sonst vor dem Hund gewarnt wird, ist dort zu lesen: „Uns regt nichts auf, wir haben Kinder“

Öffentlichkeit im realen

Leben und im Netz

Solch einen Spruch im Internet vielleicht auf einer Familien-Homepage zu lesen, das mag noch angehen, aber so an der Gartentür? Dort finde ich das unpassend. Kinder habe ich außerdem dort noch nie gesehen. Verschafft das Internet ein anderes „Öffentlichkeitsgefühl“ als das reale Leben? Stört nur mich das? Was ist überhaupt gemeint mit dem Spruch? Meint er: "Unsere Kinder sind so geartet, dass uns nichts mehr aufregen kann?“ Oder ist es als Selbstlob gemeint: "Wir sind ganz ruhig und gelassen mit unseren Kindern?“ Keine Ahnung, aber es gab mir zu denken.

Die Beweisstücke für meine heutige Tour sind allerlei Einkäufe, Fisch und Quark. Und eben dieser Kinderblock, den ich – aus Bildermangel – als Illustration verwende. Man muss sich ja andauernd legitimieren heutzutage. Bevor ich alles auf dem künstlichen Zettel löschte, fotografierte ich es zu Hause. Das ist doch auch ein schönes Bild. Er hat was virtuelles – der Block, man kann alles löschen, wie am Bildschirm.

https://lh4.googleusercontent.com/-URTIzJsUkTA/TgMTKfyrfwI/AAAAAAAACSg/mR0I5IPMdUU/s400/Scheibblock%2525203%252520sehr%252520gut.jpg

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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