Es ist kalt draußen, aber nicht sibirisch kalt. Ich war ein wenig zu Fuß unterwegs. Hin und wieder sprang einen der eisige Wind an wie ein böser Gedanke.
Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade die Erzählungen aus Kolymavon Warlam Schalamow in Ausschnitten gehört habe. Es ist der Frost dort, der die Seelen zerfrisst, das Herz erstarrt, der den Hunger noch bohrender macht und dem man nur entgehen kann, wenn man eine Arbeit in geschützten Räumen ergattern kann oder die Lagerleitung ein Einsehen hat und die Leute nicht rausschickt. Wenn ein Wachposten jemanden schikanieren will, zwingt er ihm am Tor eine langwierige Leibesvisitation auf. Alle noch mühsam am Körper gehaltene Wärme wird ihm so geraubt. Die sorgsam unter die Kleidung geschobenen Papierreste sind verloren, die Kälte kriecht noch dichter und noch tödlicher heran.
„… wenn Frostnebel herrscht, dann sind es draußen minus vierzig Grad; wenn die Luft beim Atmen mit Geräusch ausfährt, doch das Atmen noch nicht schwer wird, sind es fünfundvierzig; wenn das Atmen ein Geräusch macht und Kurzatmigkeit dazukommt, sind es fünfzig Grad. Bei über fünfzig Grad gefriert die Spucke in der Luft.“
Ähnliches schildert auch eine andere Chronistin des Lagerlebens. Jewgenia Ginsburg. Sie kommt aus der Butyrka in Moskau in die Lager um Kolyma.
Für nichts gibts
immer zehn Jahre
Unvergesslich ihre sarkastische Anmerkung über ein Gespräch mit dem Wachposten im Gefangenentransporter. Sie sagt ihm, sie sei doch unschuldig, sie habe doch nichts getan. Er fragt, wie viele Jahre sie bekommen hat und sie antwortet: Zehn. Darauf meint er: Stimmt, für nichts gibt’s immer zehn Jahre. Sie berichtet in ihren Büchern „Gratwanderung“ und „Marschroute des Lebens“ wie sie im Lager hoffnungsvoll um das große Thermometer herum stehen und beten, dass es noch kälter als 49 Grad wird. Denn ab 50 Grad werden sie nicht rausgeschickt.
Schalamows furchtbaren Erinnerungen lauschend, traf mich ein Satz ganz unvermittelt, denn er macht – wie kein anderer – die Unterschiede in den Lagerregimes deutlich. Die Häftlinge taten alles, um älter und gebrechlicher zu wirken. Sie hoffen so der alle Kräfte vernichtenden Arbeit zu entgehen.
Wie anders das Verhalten in anderen Lagern, wo die Insassen alles, aber auch alles taten, um jünger auszusehen. Wenn sie keine, die Kräfte vernichtende Arbeit mehr tun konnten, war das ihr Ende.
Zwei Bücherstapel
wie Mahnmale
Im Roman „DasProvisorium" schreibt der Schriftsteller Wolfgang Hilbig von den zwei Bücherstapeln, die in seiner verwahrlosten Wohnung liegen - ungelesen, aber strickt getrennt - wie zwei Mahnmale. Der eine Stapel behandelt die NS-Zeit. Der andere die Stalinschen Lagerverbrechen.
In Kolyma konnte man versuchen, für eine Weile einen leichteren Posten zu finden, vielleicht in der Wärme oder sich krank melden. Aber das war mit Risiken verbunden, wie Schalamow in der Erzählung „Schocktherapie“ schildert.
Alles war besser als im eisigen Wind Bäume zu schlagen. So belügt ein Häftling den Posten und behauptet, er sei ein Zimmermann. Eine Weile kommt er so unter ein schützendes Dach, eine Weile noch lässt man ihn dort Kräfte sammeln, obwohl klar wird, dass er diese Arbeit nicht beherrscht. Jeder Tag aber in der Wärme zählt, der kommende Tag ist ein anderer Tag, an den man jetzt noch nicht denken muss.
Als er dann rausgeworfen wird, steigt das Thermometer plötzlich von Minus 45 auf Minus 10 Grad. Er ist gerettet. Bei Minus zehn Grad verzweifelt man nicht in Kolyma. In Berlin sind jetzt Minus acht Grad.
Kommentare 25
"In Berlin sind jetzt Minus acht Grad. "
Ganz prosaisch - wie der ganze Mensch : in Stuttgart sind es -4, es schneit, und ich habe Kehrwoche. Das ist Romantik pur á la Schwaben...:)
Guter seriousguy47 - in meinem Text ist von Romantik auch weniger die Rede. Lies mal genauer, da siehst Du dass in Sibirien auch keine Kehrwoche war.
:-((
Nein, romantisch sind die Geschichten von Warlam Shalamov überhaupt nicht. Sie sind so bruta, brutall wie das Regime war, das die willkürlich Verhafteten in die Goldminen imKolymagebirge
schickte.
In einer Kurzgeschichte erzählt Schalamov von Häftlingen, die auf dem Transport von den Gruben nach Magadan, die Wärme fühlten, als sie dem Meer näher kamen. Die Wärme war minus 15 Grad. Für die Häftlinge ein quasi Frühlingstag, der ihnen ihr Dasein verschönte. Für manche war es das letzte "schöne" Erlebnis, bevor sie in den darauffolgenden Tagen in den Gefängnsiskellern erschossen wurden.
Sie sind so brutal, brutal ...
Hallo Magda,
Ich habe mich - aus Zeitmangel - nur auf das Zitierte bezogen! Und die Kehrwoche als "Romantik" bezog sich, wie geschrieben, auf Schwaben und sollte den Grund aufzeigen, weshalb ich keine Zeit für eine ausführliche Würdigung habe.
Habe also lediglich ein bisschen getrollt......
Unangenehme Geschichte. Eindringliche Kälte. Man muss also doch aus der Kälte kommen, um die Wärme zu schätzen.
Was ich mich gerade frage: Wenn es heute in Berlin 0°C ist und es morgen doppelt so kalt werden soll, wie kalt wird es dann morgen?
Geschichten aus der Kälte erzeugen Wärme.....
ein physikalisches Phänomen...
oder psychologisches?
und schneeschippen erzeugt auch wärme, für heute werden milde -9°C erwartet, welch wonne, gestern abend war es in der stadt ganz still, die fahrzeuge glitten beinahe lautlos durch den schnee ...
hab die ginsburg mit "freude" (ehm) gelesen.... die fusslappen sind mir geblieben. hatte man keine ging es barfuss los. den soldaten in çanakkale (gallipoli) gings im kriegswinter aehnlich.....
zehn jahre krieg ich hier bestimmt auch noch (mindestens). gell, recep?
hier ist's saukalte + 16, der Lodos weht und zieht den leuten die pullover aus......
Das gibt dann die Doppelnull: 00
"Was ich mich gerade frage: Wenn es heute in Berlin 0°C ist und es morgen doppelt so kalt werden soll, wie kalt wird es dann morgen?"
Mann was ist das für eine verspielte Bagage. Manchmal denke ich auch, Ihr hattet eine zu schwere Kindheit alle: Zu seltener Essensentzug und zu wenig auf den Hintern. Punkt.
Nein, Magda.
Nicht alles ist so, wie es scheint. Leichtsinn ist das spielerische Gegengewicht zur Schwermut. Das Geheimnis des Clowns liegt in seiner tiefen, unsagbaren Trauer. Nur der Clown weiß, welch unermeßliches Leid es für viele bedeutet, zu leben.
liebe magda, was ist das für eine kälte, die vom kaltmachen spricht?
ich denke zurück an unsere ahnen, die vor langer, langer zeit afrika verließen, ohne zu ahnen, was sie damit taten. sie haben sich und schließlich uns in die kälte geschickt. hatten sie gründe, wenn schon keine ahnung?
wenn die technisch fortgeschrittensten nationen in den weltraum aufbrechen, müssten sie heutzutage wissen, was sie tun, aber sie wissen es wieder nicht. da draußen ist es wirklich kalt, kaltmachkalt.
übrigens vergleichst du die außentemperaturen von berlin heute mit den außentemperaturen der gefangenenlager in sibirien seinerzeit. hat berlin, die hauptstadt der rückwärtsrepublik, auch sonst noch vergleichbares mit den lagern oder nimmst du es als beispiel für herzwärme?
@GeroSteiner - Gewiss, gewiss. :-))
Dass sich die Schwermut oftmals tarnt, wer wüsste das nicht. Aber nicht jede Kasperei, mein Freund, ist von Schwermut angeweht .
Immerhin: Die Frage mit den Null-Grad ist ja auch ganz philosophisch.
@ h.yuren- "hat berlin, die hauptstadt der rückwärtsrepublik, auch sonst noch vergleichbares mit den lagern oder nimmst du es als beispiel für herzwärme?"
Du stellst immer so schwere Fragen. Berlin in diesem Falle ist der Ort, in dem ich lebe und in dem ich wandernd in der Kälte nachgedacht habe.
Seit wir alles auch über die Stalinschen Lager lesen konnten, habe ich viel gelesen und es ging mir durch den Sinn. Hier in Ostberlin gibt es viele, die diese zwei Stapel Bücher haben, von denen Wolfgang Hilbig schreibt. Herzwärme findet man bei Menschen. Berlin ist eine reichlich ruppige Stadt.
Kasperei klingt so abschätzig. Ja, sie ist nicht immer von Schwermut angeweht, das stimmt.
Aber bei einem so schweren Thema ist ein Lachen wie ein glitzernder Regenbogen zwischen zwei Schneestürmen.
Mir vorzustellen, wie Menschen Menschen schinden oder schänden, das reißt mich immer ins Bodenlose. In diesem Fall kann ein Scherz richtig stimmungsaufhellend sein.
"Kasperei klingt so abschätzig. Ja, sie ist nicht immer von Schwermut angeweht, das stimmt."
Das war nicht abschätzig gemeint. Eher relativierend.
"Mir vorzustellen, wie Menschen Menschen schinden oder schänden, das reißt mich immer ins Bodenlose."
Das geht mir genau so. Ich fühle mich machtlos und flüchte manchmal in das, was man bei Kindern Omnipotenzfantasien nennt.
Wer dieser Art von Gewalt ausgesetzt war, findet auch schwer wieder ins normale Leben zurück und schleppt sein Schicksal wie eine Kugel am Bein durchs Leben. Ich weiß es von meiner Mutter, obwohl die noch "Glück" hatte. Sie war nur ein knappes Jahr eingesperrt in der Nazizeit. Sie hat immer wieder davon erzählt.
Und trotzdem: ich habe mit Interesse diese Bücher gelesen. Auch Primo Levis Berichte aus dem KZ. "Ist das ein Mensch"? Wie überstehen Menschen so etwas? Wie leben sie weiter.
Und - auch da interessiert mich am meisten, wie die Betroffenen mit dem kräftezehrenden "Alltag" dort klarkommen. Das ist bei Schalamow beklemmend erzählt. Lageralltägliche Katastrophen. Wenn jemand die Stiefel stiehlt, wenn man nicht den Schlag Suppe kriegt, in dem noch etwas Kartoffeln schwimmen. Wenn man Stunden stehen muss. Wozu wird der Mensch, wenn ihm so etwas widerfährt? Zorn kann man nicht nähren, weil er tatsächlich Nahrung braucht.
Na, das ist ein sehr weites Feld und es gibt eine Fülle Literatur darüber. Was weiß man selbst schon...
"Unvergesslich ihre sarkastische Anmerkung über ein Gespräch mit dem Wachposten im Gefangenentransporter. Sie sagt ihm, sie sei doch unschuldig, sie habe doch nichts getan. Er fragt, wie viele Jahre sie bekommen hat und sie antwortet: Zehn. Darauf meint er: Stimmt, für nichts gibt’s immer zehn Jahre."
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Ja... das stimmt. Das war Artikel 58 Abschnitt 10 des Strafgesetzbuches UdSSR (nach Stalins Tod überarbeitet). "Anti-Sowjet und Counter-revolutionarypropaganda und -bewegung". Und das war wie Code. Alle wussten, was zwischen die Zeilen steht. Wenn man nach Art. 58 Abs. 10 reürissiert wurde und dabei 10 Jahre bekam, dann wusste der Mensch, dass er nie mehr zurück kommt... und alle um ihn herum wussten es auch. Sehr viele starben schon in den ersten Jahren, weil die Verhältnisse im Knast/Lager mit dem Leben nicht vereinbar waren. Die Stärkeren, die die 10 Jahren überlebten, kamen auch nicht zurück, weil ihnen immer wieder neue Anschuldigungen an antisowjetische Propaganda angehängt wurden und immer wieder weitere Jahren im Gefängnis/Straflager. Via dolorosa bis in den Tod. Es haben nur sehr wenige geschafft, zurückzukommen.
Ich war ein Teenager als Perestroika kam. Und mit Perestroika kam auch die Lawine von ganz neuen, bis jetzt unbekannten Büchern... z.B. Schalamov oder Solschenizyn. Ich habe sie alle gelesen und dabei absolut unmenschlich gelitten. Ich kann es mit Worten gar nicht sagen, inwiefern mein Herz zerquetscht wurde. Das war MEIN Land... mein GELIEBTES Land. In Deutschland schafft man es meistens, ganz hübsch zu trennen: Da war NS und hier sind wir, da war DDR und hier sind wir... Nein, ich konnte mich nicht trennen. Ich kann es auch heute nicht.
@Magda
Sie setzen sich viel mit russischer Kultur auseinander... das freut mich sehr, dass so ein Interesse besteht. Früher dachte ich, wir werden untergehen wie Dinosaurier... ganz exotisch, weit entfernt und unbekannt. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass es nicht der Fall ist. In allen deutschen Foren, wo ich bis jetzt bloggte, gab es Leute, die überraschend viel russische Büchern gelesen und auch viele Fragen über russische Kultur gestellt haben.. das habe ich echt nicht erwartet.
Mir ging es mit der Lektüre der Bücher, die man endlich nach der Wende lesen konnte, ein bisschen anders.
Sie haben mich nicht so sehr überrascht. Wir hatten ja schon vorher Möglichkeiten, Buchrezensionen, Fernsehfilme und vieles mehr zu sehen. Ich denke an Manes Sperber "Wie eine Träne im Ozean". Als Beispiel. Nebenher: Eine Taschenbuchausgabe von Solshenizyns "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" ist sogar mal in der DDR erschienen. Natürlich mit einem einordnenden Vorwort über die Stalinzeit und ihre - mir fällt das Wort jetzt nicht ein - Überspitzungen oder so etwas.
"In Deutschland schafft man es meistens, ganz hübsch zu trennen: Da war NS und hier sind wir, da war DDR und hier sind wir... Nein, ich konnte mich nicht trennen. Ich kann es auch heute nicht."
Das ist ja das Problem. Aber, man muss es in gewisser Weise trennen, weil man sonst Argumenten Vorschub leistet, die alle Diktaturen in einen Topf werfen wollen und damit - wenn man so will - neutralisieren.
Ich entnehme Ihren beiden Kommentaren, dass sie aus der ehemaligen SU stammen?
Am meisten hat mich immer bewegt, aber auch sehr sehr ambivalent dieses Lied vom Vaterland:
"Широка страна моя родная"
Vaterland kein Feind soll Dich gefährden
Teures Land, das unsere Liebe trägt
denn es gibt kein anderes Land auf Erden
Wo das Herz so frei dem Menschen schlägt.
Da dachte ich auch manchmal, wie unglaublich zynisch dieser Text ist. Und doch empfanden Menschen ihn als wahr.
Danke für Ihre interessanten Anmerkungen.
"Wir hatten ja schon vorher Möglichkeiten, Buchrezensionen, Fernsehfilme und vieles mehr zu sehen. Ich denke an Manes Sperber "Wie eine Träne im Ozean". Als Beispiel. Nebenher: Eine Taschenbuchausgabe von Solshenizyns "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" ist sogar mal in der DDR erschienen. Natürlich mit einem einordnenden Vorwort über die Stalinzeit und ihre - mir fällt das Wort jetzt nicht ein - Überspitzungen oder so etwas."
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Ja, bei uns gab es auch ein paar Jahren, als solche Bücher "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" herausgegeben wurden. Das war nach Stalins Tod. Man nennt diese Zeit (so etwa bis 1968) politische Tauwetterzeit. Aber ich wurde damals noch nicht geboren. Später wurden alle diese Bücher verboten, aus den Büchereien rausgenommen und so. Allein dafür, dass man so ein Buch zu hause behält, bekam man mehrere Jahren Knast. Die Schriftsteller wurden in Lager oder Zwangspsychiatrie untergebracht. oder aus dem Land rausgeschmießen, wie Solshenizyn. Als Kind und Teenager wusste ich das alles nicht, es wurde uns logischerweise alles verschwiegen. Einmal habe ich in einem Schreibwerkstatt bei einer Zeitung den Namen von Solschenizyn gehört... aber man weigerte uns zu erklären, wer es ist. Dann habe ich in der Schule meine Literaturlehrerin gefragt. Sie wirkte sehr eingeschüchtert und verwirrt, fragte mich, woher ich diesen Namen kenne und so... dann sagte sie, er wäre ein Schwerverbrecher und ein Verräter des Vaterlandes, und ich sollte mich mit was Vernünftiges beschäftigen, anstatt solche unanständige Fragen zu stellen. Daher war die Informationsflut nach der Perestroika für mich (und sehr viele andere, insbesondere junge, Leute) völlig überraschend...
Die Zeit der Perestrojka war für uns in der DDR zweischneidig: einerseits richteten wir den Blick voller Hoffnung auf die Sowjetunion, andererseits fühlten wir uns vergessen, da das eigene Land erstarrt war. Sowjetische Zeitungen in der Zeit als wichtige Informationsquellen. 89/90 dann auch in der DDR eine eher kurze Zeit der Hoffnung. Heute ist in beiden Ländern die Geschichte darüber hinweggegangen.
Archipel Gulag wurde in den 70ern auszugsweise im Westradio vorgelesen, ich glaube, im RIAS (ich weiß, ich weiß, der war nicht immer moderat im Tonfall, hatte aber eigentlich auch ziemlich viele qualitativ gute Sendungen). Sowjetische Filme höchster Qualität wurden in der DDR gezeigt, Leuchte, mein Stern, leuchte oder die Filme von Tarkowskij z.B. Jurij Trifonow gab's in einer schönen Ausgabe, ich glaube, von Volk und Welt. Nach 89 dann die Bücher von Anatolij Rybakow, die für mich sehr wichtig wurden; die Kinder des Arbat ff. wären aber wohl nicht in der DDR erschienen (Schwerer Sand wurde, glaube ich, verlegt). Heute sind sie zum Teil schon wieder sehr schwierig zu besorgen. Die Erinnerungen von Nadeshda Mandelstam wären wahrscheinlich auch nicht in der DDR erschienen.
In Sowjets brachte die Perestroika natürlich auch die Hoffnung... nicht umsonst wurde sie im 1991 auf den Barrikaden verteidigt. Aber was parallel dazu geschah, war Schreck und Terror pur, nur dass dieser Terror jetzt von anderen Seiten ausging... war aber kein Stück sanfter als in Stalins Zeit und die Leute waren genauso wehrlos ausgeliefert.
Anatolij Rybakow lese ich gerade jetzt... d.h. nicht zum ersten mal, sondern schon zum dritten oder vierten. Bin bei dem zweiten Teil der Trilogie (also "Angst"). Seine historische Interpretationen finde ich etwas naiv bzw. ich finde es grundsätzlich naiv, wenn man darüber schreibt, was die reelle historische Personen (in diesem Fall Stalin und seine Verbündete) bei ihren Taten DENKEN. Ich verstehe natürlich, dass es nur ein Stilmittel ist, um das Buch lebendig zu machen... aber irgendwie komme ich mit diesem Stilmittel nicht klar. Allerdings mag ich die Trilogie, weil sie die gesamte Atmosphäre dieser Zeitepoche sehr gut rüberbringt... und zwar nicht nur negative Seiten, sondern auch positive. Ja, ich weiß, die Behauptung, dass es während des Stalins Terror auch etwas Gutes und Wichtiges in Russland war, sogar viel Gutes und Wichtiges... diese Behauptung reicht völlig aus, um auf der Stelle gelyncht zu werden. Aber ich hänge nun mal an diesen Zeiten... und so eine Privatheit in historischen Verhältnissen sei mir genehm.
"Ja, ich weiß, die Behauptung, dass es während des Stalins Terror auch etwas Gutes und Wichtiges in Russland war, sogar viel Gutes und Wichtiges... diese Behauptung reicht völlig aus, um auf der Stelle gelyncht zu werden. "
Das kenne ich ja aus dem Umgang mit der DDR-Geschichte. Im Umgang mit der UdSSR ist es ohnehin noch eine andere Sache. Die 30er Jahre müssen furchtbar gewesen sein für viele Menschen.
Die Menschlichkeit, die es trotzdem gibt, ist doch immer positiv, und die findet sich manchmal an den unerwartetsten Stellen. Warum sollte man dafür gelyncht werden? Frau Birthler bspw. sagte einmal, das Wichtige oder Überraschende (ich weiß nicht mehr genau, wie sie's benannte) für sie an den Akten, die sie da verwaltet, sind nicht die, die gespitzelt haben, sondern die große Zahl derer, die gerade nicht gespitzelt haben, was durchaus auch aus den Akten hervorgeht. Natürlich muß es unendlich schwer gewesen sein, in den 30er Jahren gelebt zu haben. Und, @krem-browning, ganz wichtig ist auch, daß Ihr Land von selber aus dem Stalinismus herausgefunden hat.