Stories to go

Laufen und Denken Es gehört zu den angenehmen Seiten meiner Wohngegend, dass sie im ländlicheren Teil Berlins liegt. Ich liebe die S-Bahn- Fahrten von Pankow nach Berlin-Karow oder -Buch.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Dort kann man ganz hübsch einkaufen, wenn man nicht in die „City of Pankow“ fahren will.

Es geht vorbei an den Kleingartenanlagen und Siedlungshäusern. Nach so langer Zeit scheint es mir, als kenne ich die Häuser fast alle und bewundere bei den einen, die Improvisationsfähigkeit ihrer Erbauer, bei anderen die Fantasie und bei wieder anderen die scheinbare Größe der Häuser, die aus simplen Gartenlauben kunstvolle Bonsaivillen gemacht haben. Es gibt in allen diesen Anlagen Dauerwohner, was man den Häusern auch ansieht.

Doch können sie alle es nicht aufnehmen mit den festen Siedlungshäusern, den Etablierten, die natürlich gleich ganz anders und solide was hermachen. Vor einem dieser Häuser wurde vor das erste Stockwerk eine übergroße Terrasse erbaut, die mit ihrer Planen-Überdachung einem Festzelt ähnelt. Manchmal sitzen dort die Bewohner und nehmen ihr Frühstück ein und wenn ich das von der S-Bahn aus sehe, freue ich mich. Über den Alltag, das normale Leben, über das Wetter, das ein Frühstück in dieser Art von Freisitz ermöglicht, über die Geschwindigkeit, mit der ein neues Bild, ein neues Haus oder das grüne Weizenfeld im Zugfenster erscheint. Und dann freue ich mich auch auf die nächste Bahnstation Berlin-Karow.

Von dort kann ich – wenn ich Zeit habe – lange Minuten durch eine Allee wandern, an den Bungalows und Einfamilienhäusern vorbei, deren Einfahrten um diese Zeit fast alle offen stehen, denn die Bewohner sind im Begriff zur Arbeit zu fahren oder schon auf dem Weg dorthin.

Dieses Laufen – ich könnte es gar nicht mehr aufgeben – ich liebe es. Wenn ich laufe, fallen mir Geschichten ein oder es passiert mir etwas, das man gern aufschreiben möchte. Gestern

....zum Beispiel ein Krimiplot:

Ein Serienmörder erschreckt eine Kleinstadt. Er mordet immer nur Frauen, die in mittleren Jahren oder auch schon älter sind. Dann kann man eine Menge Ermittlungsquatsch einbauen, Zwischenfälle, die vor allem auf Friedhöfen spielen müssten, einen Kommissar mit Liebesproblemen oder so, das ganze Programm eben. Am Ende aber kriegen sie ihn, den Mörder. Und sie forschen nach seinem Motiv. Sie kriegen raus, dass er beim Tode seiner Mutter erlebt hat, dass die Trauer über sie das intensivste Gefühl war, dass er je hatte. Wenn die Trauer droht zu verflachen, dann muss er sie durch einen Mord neu anfachen, die Erinnerung wieder hervorrufen.

Dann fiel mir ein, dass vielleicht allen Zwangshandlungen – und diese Arten von Morde sind vielleicht nichts als Zwangshandlungen –ein Wunsch nach Neuentfachung eines abhanden gekommenen Gefühls zugrunde liegen kann. Der Trauermörder würde ich meine Geschichte nennen.

Vielleicht hat wer noch eine bessere Idee.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden